Jakob Lorber: 'Die zwölf Stunden'


7. Stunde

Der arge Dienstgeber. Australien. Die Verbrecher-Kolonie Botany Bay. Beschreibung des Landes. Habsucht der Kolonisten.

Originaltext Erstauflage 1864

Originaltext in neuer Rechtschreibung

durch Project True-blue Jakob Lorber

01 Nachdem wir das Schiff, dessen Bedeutung euch sicher nimmer fremd sein wird, in seiner greuelhaften Handlungsweise hinreichend betrachtet haben, so wollen wir dasselbe verlassend einen Vorsprung machen, und das viernamige Land, welches nach eurer Bestimmung zwischen dem 131. und 171. Grade östlicher Länge, wie auch zwischen dem 10. und 30. Grade südlicher Breite liegt, ein wenig zum Voraus in den Augenschein nehmen.

02] Denn Solches ist allhier für euch, nothwendig, weil ihr mit der Beschaffenheit, Eintheilung, wie auch mit den klimatischen Verhältnissen daselbst noch am wenigsten vertraut seid; und so seht denn her auf diese euch wohlbekannte Tafel!

03] Das Land, das sich euch darstellt, sehet es nur gut an, ist das eigentliche Australien, Süd-Indien, Oceanien und Polinesien. Sehet, der südliche Theil dieses Landes, wie er noch aus unübersehbaren Pfützen und Morästen besteht, in welchen, so ihr euere Blicke recht schärfen wollt, ihr eine zahllose Menge von giftigen Ungeheuern und allerlei Geschmeiß entdecken werdet.

04] Und sehet, wie da weiter südlich eine Menge Korallenringinseln sich fast bis zur Südpolregion fortziehen; aus welcher Ursache die südliche Küste dieses Landes nicht umfahren werden kann, wie es auch zu Lande eine Unmöglichkeit ist, diese südliche Küste, die eigentlich keine Küste ist, zu erreichen, und ihre Beschaffenheit zu erforschen.

05] Welche Bekanntschaft darob noch um so schwerer zu machen ist, da dieses Land meistens aus unabsehbaren Ebenen besteht, welche nur hie und da mit kleinen unbedeutenden Hügeln unterbrochen werden; denn bedeutende Berge giebt es in diesem Lande durchaus nicht, bis auf einige Korallen und Schiefer und Felsen an den Küsten.

06] Dieses bisher bekannte Land hat in seinem Continente einen Flächenraum von beinahe 200,000 Quadratmeilen, auf welchem Flächenraume bei 2 Millionen und etliche sechszig Tausend Menschen wohnen.

07] Die bewohnbarsten Ländereien befinden sich meistens an der Ostküste, welche euch auch schon mehr oder weniger bekannt sein dürften, als z. B. die Länderei unter dem Namen: Karpentaria, Arehmesland, Witsland, Edelsland, Eintrachtsland, Leuwiesland, Nuytsland, Flintersland, Baudingsland, Grantsland und noch einige weniger bekannte Namen, an denen freilich nichts gelegen ist.

08] An dieser östlichen Küste befindet sich ein Landungsplatz unter dem Namen Botanybai, an welchem Orte schon seit einem Verlaufe von kaum 10 Jahren bis auf den gegenwärtigen Augenblick bei 170,000 Verbrecher von den Engländern ausgeschifft, und von da in die verschiedenen Ländereien vertheilt wurden.

09] Aber nicht allein diese östliche Küste hat eine solche Bestimmung, sondern auch im Westen werden jetzt beinahe vorzugsweise solche Deportirte ausgeschifft.

10] Da sehet einen Fluß, der sich dahier in das Meer ergießt; es ist der so benannte Schwanenfluß, und an seinen Ufern seht ihr auch eine ziemliche Stadt erbaut, von welcher aus nun eine Colonisirung durch dahin gebrachte Verbrecher bewerkstelligt wird; aber mit viel schlechterem Erfolge, denn auf der Ostküste; denn hierher werden gewöhnlich nur die allerschlechtesten Spitzbuben Englands gegen eine Contreprise der Holl- und Niederländer, denen diese Küste gehört, verkauft, um dahier die höchst unwirthbare Gegend zu kultiviren.

11] Auf der Ostküste ist längere Zeit schon, nämlich auf Botanybai, eine Stadt erbaut; sie wird Sidney genannt, wie die ganze Küste Neusüdwalles.

12] Merket euch aber für jetzt nur den westlichen Punkt; denn nachdem wir unser Schiff werden in Botanybai landen sehen, wollen wir uns hierher verfügen, allwo die Menschenmarterei um's Undenkliche ärger ist, als auf der Ostküste.

13] Bevor wir aber diese Hauptspectakel in den Augenschein nehmen wollen, will Ich euch noch mit dem Lande selbst näher vertraut machen, damit ihr euch dann desto leichter einen wirklichen Begriff machen könnt, was das heißt, und sagen will, dahin entweder schuldig oder wohl gar unschuldig als Deportirter gebracht werden.

14] Nun sehet her, wie es aussieht im Innern des Landes! Ihr Meinet, diese unabsehbaren Gefilde für euer Auge sind nichts, als lauter Gebüschwälder.

15] O nein, sage Ich; es ist das Gras und muß es euch nicht wundern, wenn ihr du stellenweise 3 bis 4 Mann hohes Gras erblickt.

16] Es gleicht dieses Gras dem sogenannten Seerohre, und ist auf keine andere Weise auszurotten, als wenn es trocken geworden ist, durch's Feuer. Das Feuer muß aber zu einer Zeit angezündet werden, wenn von Norden Winde wehen; denn Winde aus dem Süden ersticken das Feuer.

17] Ihr möchtet sicher auch einen Baumwald sehen; allein solcher Wälder giebt es hier nur sehr wenige, und die Bäume, die da besonders gegen die südlicheren Regionen wachsen, sind oft kaum so groß und hoch, als manches Gras, und bringen sehr wenig genießbare Früchte zum Vorscheine.

18] In dem nördlichen Theile, wie auch an der östlichen Küste giebt es freilich schon häufig anderartige Anpflanzungen, welche aber sammt und sämmtlich nicht gar wohl fortkommen, und verändern nach und nach auch merklich ihre Natur.

19] Und so werden die Birnen oft ganz holzicht, und an dem Stiele breiter, denn an der Krone. Den Kirschen wachsen die Steinkerne oft auswendig an der Haut, und die Frucht selbst wird wässrig; u. d. g. euch vielleicht sonderbar klingende Veränderungen erleiden noch verschiedene andere Anpflanzungen. Am besten kommen noch die euch noch wenig bekannten Schlangennüsse fort, wie auch an der nördlichen Küste Kokosnüsse, indianische Feigen, das sogenannte Johannisbrod und eine Art Melonenpflaumen.

20] Es muß aber viele Sorgfalt getragen werden, daß die gewissen Schlangennüsse nicht von einem gewissen rothen Insecte angestochen werden; fällt dann eine solche angestochene Nuß in die Erde, so wird eine Afterpflanze von höchst giftiger Art aus ihr, welche noch um's Zehnfache ärger ist, denn der sogenannte Bohonupas; denn wie sie nur 1 Schuh hoch ihre Blätter über die Erde getrieben hat, so haben diese Blätter eine so heftige verheerende Giftausdünstung, daß sie nicht nur alle Thiere und Menschen, die sich ihnen nahen, tödten, sondern sie richten auch oft in einem Umkreise von 1 Stunde unter den Pflanzen eine solche Verheerung an, daß in kurzer Zeit nicht einmal eine Steinmoospflanze fortkommt, sondern es verdorrt Alles, und wird zu einer Art Asche.

21] Das Glück ist bei dieser Pflanze noch das, daß sie nicht über 1/2 Jahr vegetirt, sondern mit dem Winter alsobald wieder verdirbt, und somit unschädlich wird.

22] Und da wir nun die Pflanzenwelt ein wenig angeschaut haben, so wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Thiere werfen.

23] Zuerst sehet, wie die Luft wimmelt von großen weißen Adlern, die an Kraft und Behendigkeit Alles in ihrer Art weit übertreffen; ihre Raubgierde ist besonders zur Winterszeit so groß, daß sie mehr im Innern des Landes die Menschen gleich fliegenden Wölfen anfallen.

24] Nebst ihnen giebt's noch eine andere Gattung bösartiger Vögel, welche fast das Aussehen von einem Strauße haben; sie haben statt der Federn Haare, und haben einige gar keine Flügel, andere aber haben Flügel gleich einer Fledermaus.

25] Diese Vögel haben oft über klafterlange Beine, und können mittels denen so schnell laufen, daß es ihnen ein Leichtes ist, in einer Stunde 10 Meilen zurück zu legen. Wenn sie ihre Beute erreicht haben, so schlagen sie diese mit einem Beine nieder, und machen sich dann über ihre bereitete Mahlzeit. Anderer Heere von kleineren und unschädlicheren Vögeln nicht zu gedenken.

26] Unter Andern ist noch zu bemerken ein vierfüßiges mit einem starken Schnabel versehenes Säugethier; Vogelwolf wäre sein richtigster Name. Dieses Thier ist in seiner Art grausamer, denn jeder Tiger.

27] Was aber den Boden und die Sümpfe betrifft, so ist dieses ein wahres Vaterland von Schlangen, aller Arten Eidechsen, darunter sehr viele Gattungen mit Flügeln versehen sind, welche freilich nicht alle giftiger Art, aber doch mehr oder weniger schädlich sind.

28] Im Innern kommt häufig eine große Art Fledermäuse vor, die sehr giftig sind, und haben noch ärger denn die Klapperschlange eine betäubende Wirkung in ihrem Blicke, so daß Jemand, den eine solche Fledermaus in's Auge gefaßt hat, sobald wie von einem starken Getränke betäubt zur Erde fällt, und wenn ihm Niemand zu Hilfe kommt und die hinzu flatternde Fledermaus erlegt, ihm diese sobald den letzten Blutstropfen aussaugt und dann gesättigt hell pfeifend davon fliegt.

29] Was das Klima aber anbelangt, so ist dieses ein wahres Kamäleon; denn außer einigen östlichen und nördlichen Gegenden ist dasselbe so veränderlich, daß in manchen Gegenden Jemand an einem Tage alle fünf Zonen zu kosten bekommt.

30] Warum alles Dieses hier so sonderbar gestaltet ist, wird euch zu seiner Zeit schon bekannt gegeben werden; aber so viel könnet ihr euch im Voraus merken, daß Ich mit gewissen Ländern der Erde ganz andere Zwecke verbunden habe, als daß sie von der schändlichen Habsucht der Menschen sollten vor der Zeit genothzüchtiget werden.

31] So aber die Menschen in ihrer Tollheit vor der Zeit dringen in Länder, die noch nicht reif geworden sind, so geschieht es ihnen ja recht, wenn es ihnen ergeht, wie verwahrlosten Kindern, die da unreifes Obst und giftige Beeren verzehren.

32] Jedoch, wie schon gesagt, bei einer nächsten Gelegenheit wird euch davon Mehreres kund gegeben werden. Und nun sehet, während der Zeit wir uns so in diesem Lande herumgetummelt haben, hat das euch schon bekannte Schiff in dem Hafen von Botanybai seine Anker geworfen, und nun sehet, da ist es schon! Denn, wenn man Alles in einem Bilde vor sich hat, braucht man keine lange Reise, um am bestimmten Orte zu sein.

33] Nun sehet nur recht genau! Ich spreche wieder das Epheta, und sehet, das Schiff ist schon wieder bis zum Grunde durchsichtig geworden. Vor allem Andern sehet unsere holde Gleichsamgemahlin recht genau an! Sehet, wie schwach sie ist, daß sie sich kaum von ihrem Sitze zu erheben vermag. Nun gehet ein wenig in das Cabinet des Capitains.

34] Sehet, wie da schon drei Colonisten mit demselben die Listen durchmustern, und zwar in Gegenwart des dortigen Gouverneurs. Nun sehet, 20 sind durchgestrichen, darunter auch unser Alte sich befindet, aber unsere Holde ist nicht ausgestrichen.

35] Sehet, nun werden sie, nämlich die Listen, von dem Gouverneur und den Colonisten unterschrieben und bestätiget, und die Gefangenwärter verfügen sich nun hinab, machen die Gefesselten frei, nachdem sie ihnen die Hände an den Rücken zusammenbinden, und treiben sie so gestaltet hinauf auf das Verdeck des Schiffes.

36] Nun sehet, diese Gefangenwärter treten nun auch in das Gemach unserer Schönen, verkünden ihr ihr Loos, berauben sie der Kleider, und binden der darüber in verzweifelnde Ohnmacht Gesunkenen ebenfalls die Hände auf den Rücken und schleppen sie zu den Andern hinauf auf's Verdeck.

37] Sehet, wie sie hier vor ihrem vermeintlichen Gemahl niederfällt, und denselben bittet mit aller Macht und Kraft, die einem weiblichen Herzen nur möglich ist, und ihm alles Mögliche vorstellt, wie unschuldig sie auf diesen Schreckensort verurtheilt wurde, und wie schändlich er ihr Unglück benützt hatte, sie, die so rein wie die Sonne war, zu benützen ärger, denn eine englische Matrosen-Bordellshure.

38] Sehet hin, und nehmt euch ein Beispiel von einem Menschen, der sich zur christlichen Religion bekennt!! - Sehet, wie er großherrlich dem Gefangenwärter befiehlt, der schreienden Bestie den Mund zu stopfen, und sie, so sie nicht wie die Andern ganz ruhig sich verhalte, alsogleich mit 30 Peitschenhieben zu belegen. Allein alles Dieses schreckt sie nicht ab, wenn ihr auch der Mund verstopft ist, durch allerlei Geberden und Ströme von Thränen aus den Augen den Unmenschen zu bewegen, sie doch wenigstens zu tödten, wenn sein Herz keines andern Mitleids mehr fähig sein sollte.

39] Allein sehet her, die Wirkung ihrer Bitte! Seht, wie sie zwei Schergen an den kleineren Mast mit einem Stricke anbinden über die Brust und über die Füße, und sehet, wie schändlich grausam die arme Unglückliche von dem Gefangenzüchtiger ungezählt gepeitscht wird.

40] Nun sehet, nachdem ihre Füße ganz von oben bis unten mit der scharfen Peitsche zerhauen sind, wird sie losgelöst und alsogleich mit den andern Verbrechern auf Stricken über Bord in kleinere Fahrzeuge gelassen, und also blutend an's unglückliche Land gebracht und sogleich zur Verfügung dem betreffenden Colonisten vom Gouverneure zugetheilt.

41] Meint ihr, daß man sie alldort in irgend ein Spital gebracht hat? Da irret ihr euch! Das Pflaster auf solche Wunden besteht in nichts Anderem, als daß eine solche eine halbe Stunde lang sich in's Meer, wo es sehr seicht ist, setzen darf. Das ist die berühmte Heilart dort zu Lande. Es hilft zwar; aber denkt euch den brennenden Schmerz, besonders bei einem so reizbaren Mädchen!

42] Nun hier sind wir fertig. Wir wollen nur noch einen kleinen Blick machen, was mit diesen Unglücklichen nun ferner geschieht. Seht, da mehr im Innern, ungefähr nach euerer Rechnung 100 Meilen von der Küste, da sehet, wie diese Armen mit ihren Werkzeugen unter der Leitung mehrerer Aufseher mit allen den euch von der Beschreibung dieses Landes ein wenig bekannten Uebeln kämpfen müssen; wie sie gleichsam zwischen zwei Feuern stehen.

43] Da heißt es wahrlich nach eurem Sprichworte: Vogel friß oder stirb! Was macht sich da ein solcher Hauptcolonist daraus, ob 20 oder 30 seiner meistens noch mit Fesseln belegten Untergebenen von Schlangen verzehrt werden, oder ob sie oft in dem klafterhohen Grase in plötzlich durchbrechende Sümpfe versinken, oder ob Einer oder der Andere von den bekannten Adlern angefallen und zerfleischt wird; oder wenn zur Ausrottung einer irgendwo aufkeimenden euch bekannten Giftpflanze noch mehrere zu Grunde gehen.

44] Sehet, aus allem Dem macht sich ein solcher Colonist wenig oder gar nichts; denn für sein Haus ist er hinreichend versorgt, auch ohne solche neu hinzugekommene Arbeiter.

45] Wenn er allenfalls durch solche neue Vordrangsversuche dem Lande wieder einen bedeutenden Theil abgewinnen kann, so ist es ihm recht; wenn aber Solches durch alle die grausamen Versuche fehl schlägt, so macht er sich auch nichts daraus; denn er ist, wie er selbst sagt, ohnehin versorgt.

46] Ihr werdet vielleicht meinen, daß, so diese Verbrecher ein neues Stück Landes urbar gemacht haben, dasselbe werde dann vielleicht Einem oder dem Andern zum zinsbaren Eigenthum eingeräumt.

47] O nein, sage Ich; ein solcher Kolonist benützt das Land zu ganz andern Zwecken. Er läßt wohl hie und da Arbeitshütten errichten; aber was immer der Boden trägt, gehört von A bis Z sein.

48] Die Arbeiter haben nichts als die elendeste, kaum genießbare Kost, und wenn sie manchmal nicht völlig verhungern wollen, fangen sie Schlangen und Eidechsen zusammen, schlagen ihnen die Köpfe weg, und braten sie am Strohfeuer und verzehren dieses Fleisch mit dem größten Appetite; denn da heißt es wahrlich auch wieder nach eurem Sprichworte: der Hunger ist der beste Koch.

49] Ja dieser Hunger geht oft bei Einigen so weit, daß sie sich nicht einmal die Zeit nehmen, eine solche Schlange zu braten, sondern, wenn der Kopf, Haut und Eingeweide abgenommen sind, so wird sie alsobald verzehrt.


50] Eine neue Plage für diese Armen ist noch das, daß sie besonders im nördlichen Theile auf Ureinwohner stoßen, welche gute Bogenschützen sind, und mit vergifteten Pfeilen sie zurücktreiben, oder sie nehmen Solche gefangen und verzehren sie roh.

51] Sehet, solche Annehmlichkeiten ohne Zahl und Maß haben diese Armen hier zu erleiden; und die Züchtigungen, die sie noch obendrauf von ihren Befehlshabern und Vorstehern empfangen, welche noch weit unmenschlicher sind, als wie bei den Nordamerikanern, können hier im Vergleich mit den Landplagen in kein Verhältniß gestellt werden.

52] Und sehet, so ist auch unsere Arme schon auch hier bei einer Grasabschneiderischen Arbeit. Bei euch ist das Grasmähen freilich eine belustigende Arbeit; aber dahier haben die Arbeiter mit förmlichen Grasurwäldern zu thun, innerhalb deren undurchdringlichen Dickichten besonders zur Sommerszeit eine Unzahl von gewaltig stechenden Insecten hausen, welche dann über diese nackten Arbeiter dergestalt herfallen, daß nach einigen Tagen nichts mehr zurückbleibt, als zusammenhängende Gerippe.

53] Geschieht diese Cultivirung aber im Winter, und zwar durch's Feuer, so geschieht es nicht selten, daß das Feuer oft so gewaltig wird, daß sich die Flammen auf den Boden oft stundenweit durch das dürre Gras hinwälzen; und wenn die armen Brandleger nicht schnell genug ihre Flucht ergreifen, so werden sie entweder ganz verbrannt, oder doch oft am ganzen Leibe stark feuerverwundet.

54] Das Aergste aber ist das, wenn irgend das Feuer erstickte, so müssen dann die armen Brandleger oft stundenlang über solche oft noch glühheiße Asche laufen, um daselbst, wo das Feuer erstickte, dasselbe wieder neu anzufachen.

55] Es ist ihnen zwar wohl gestattet, eine gewisse Art Bretchen an die Fußsohlen anzubinden; aber oft verbrannten diese Bretchen schon im halben Laufe, und dann ist es einerlei, ihre Fußsohlen werden ihnen demungeachtet noch gar oft bis zum Bein verbrannt.

56] Anderer noch unzähliger Leiden und Krankheiten, die in diesem Lande heimisch sind, nicht zu gedenken! Von der Westküste brauche Ich euch nichts mehr zu sagen, als das Einzige, daß es dort noch zehnmal unmenschlicher zugeht, als im Osten, aus welchem Grunde die Colonisirung daselbst sehr schlechte Fortschritte macht.

57] Sehet, von allem Diesem ist nichts als die schändliche Habsucht der „moralischen" und sogar „christlichen" Menschen die Schuld.

58] Daß Ich nun solchen Greueln nicht lange mehr zuzusehen vermag, werdet ihr ohne großes Nachdenken leicht begreifen; denn wahrlich, die Menschen thürmen ihre Sünden bereits bis in den dritten Himmel.

59] Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. Und somit Amen für heute; die achte Stunde wird euch noch Größeres und Merkwürdigeres verkündigen!

01] Nachdem wir das Schiff, dessen Bedeutung euch sicher nimmer fremd sein wird, in seiner gräuelhaften Handlungsweise hinreichend betrachtet haben, so wollen wir dasselbe verlassend einen Vorsprung machen, und das viernamige Land, welches nach eurer Bestimmung zwischen dem 131. und 171. Grade östlicher Länge, wie auch zwischen dem 10. und 30. Grade südlicher Breite liegt, ein wenig zum Voraus in den Augenschein nehmen.

02] Denn solches ist allhier für euch notwendig, weil ihr mit der Beschaffenheit, Einteilung, wie auch mit den klimatischen Verhältnissen daselbst noch am wenigsten vertraut seid; und so seht denn her auf diese euch wohlbekannte Tafel!

03] Das Land, das sich euch darstellt, seht es nur gut an, ist das eigentliche Australien, Süd-Indien, Ozeanien und Polynesien. Seht, der südliche Teil dieses Landes, wie er noch aus unübersehbaren Pfützen und Morasten besteht, in welchen, so ihr eure Blicke recht schärfen wollt, ihr eine zahllose Menge von giftigen Ungeheuern und allerlei Geschmeiß entdecken werdet.

04] Und seht, wie da weiter südlich eine Menge Korallenringinseln sich fast bis zur Südpolregion fortziehen; aus welcher Ursache die südliche Küste dieses Landes nicht umfahren werden kann, wie es auch zu Lande eine Unmöglichkeit ist, diese südliche Küste, die eigentlich keine Küste ist, zu erreichen, und ihre Beschaffenheit zu erforschen.

05] Welche Bekanntschaft darob noch umso schwerer zu machen ist, da dieses Land meistens aus unabsehbaren Ebenen besteht, welche nur hie und da mit kleinen unbedeutenden Hügeln unterbrochen werden; denn bedeutende Berge gibt es in diesem Land durchaus nicht, bis auf einige Korallen und Schiefer und Felsen an den Küsten.

06] Dieses bisher bekannte Land hat in seinem Kontinent einen Flächenraum von beinahe 200 000 Quadratmeilen, auf welchem Flächenraum bei zwei Millionen und etliche sechzig Tausend Menschen wohnen.

07] Die bewohnbarsten Ländereien befinden sich meistens an der Ostküste, welche euch auch schon mehr oder weniger bekannt sein dürften, als z. B. die Ländereien unter dem Namen: Karpentaria, Arehmesland, Witsland, Edelsland, Eintrachtsland, Leuwiesland, Nuytsland, Flintersland, Baudingsland, Grantsland und noch einige weniger bekannte Namen, an denen freilich nichts gelegen ist.

08] An dieser östlichen Küste befindet sich ein Landungsplatz unter dem Namen Botany Bay, an welchem Ort schon seit einem Verlauf von kaum zehn Jahren bis auf den gegenwärtigen Augenblick bei 170 000 Verbrecher von den Engländern ausgeschifft, und von da in die verschiedenen Ländereien verteilt wurden.

09] Aber nicht allein diese östliche Küste hat eine solche Bestimmung, sondern auch im Westen werden jetzt beinahe vorzugsweise solche Deportierte ausgeschifft.

10] Da seht einen Fluss, der sich dahier in das Meer ergießt; es ist der so benannte Schwanenfluss, und an seinen Ufern seht ihr auch eine ziemliche Stadt erbaut, von welcher aus nun eine Kolonisierung durch dahin gebrachte Verbrecher bewerkstelligt wird; aber mit viel schlechterem Erfolg denn auf der Ostküste; denn hierher werden gewöhnlich nur die allerschlechtesten Spitzbuben Englands gegen eine Contreprise der Holl- und Niederländer, denen diese Küste gehört, verkauft, um dahier die höchst unwirtbare Gegend zu kultivieren.

11] Auf der Ostküste ist längere Zeit schon, nämlich auf Botany Bay, eine Stadt erbaut; sie wird Sidney genannt, wie die ganze Küste Neusüdwales.

12] Merkt euch aber für jetzt nur den westlichen Punkt; denn nachdem wir unser Schiff werden in Botany Bay landen sehen, wollen wir uns hierher verfügen, allwo die Menschenmarterei ums Undenkliche ärger ist als auf der Ostküste.

13] Bevor wir aber diese Hauptspektakel in den Augenschein nehmen wollen, will Ich euch noch mit dem Land selbst näher vertraut machen, damit ihr euch dann desto leichter einen wirklichen Begriff machen könnt, was das heißt, und sagen will, dahin entweder schuldig oder wohl gar unschuldig als Deportierter gebracht [zu] werden.

14] Nun seht her, wie es aussieht im Innern des Landes! Ihr meint, diese unabsehbaren Gefilde für euer Auge sind nichts als lauter Gebüschwälder.

15] O nein, sage Ich; es ist das Gras und muss es euch nicht wundern, wenn ihr da stellenweise drei bis vier Mann hohes Gras erblickt.

16] Es gleicht dieses Gras dem sogenannten Seerohr, und ist auf keine andere Weise auszurotten, als wenn es trocken geworden ist, durchs Feuer. Das Feuer muss aber zu einer Zeit angezündet werden, wenn von Norden Winde wehen; denn Winde aus dem Süden ersticken das Feuer.

17] Ihr möchtet sicher auch einen Baumwald sehen; allein solche Wälder gibt es hier nur sehr wenige, und die Bäume, die da besonders gegen die südlicheren Regionen wachsen, sind oft kaum so groß und hoch als manches Gras, und bringen sehr wenig genießbare Früchte zum Vorschein.

18] In dem nördlichen Teil, wie auch an der östlichen Küste gibt es freilich schon häufig andersartige Anpflanzungen, welche aber samt und sämtlich nicht gar wohl fortkommen, und verändern nach und nach auch merklich ihre Natur.

19] Und so werden die Birnen oft ganz holzig, und an dem Stiel breiter denn an der Krone. Den Kirschen wachsen die Steinkerne oft auswendig an der Haut, und die Frucht selbst wird wässrig; u. dergl. euch vielleicht sonderbar klingende Veränderungen erleiden noch verschiedene andere Anpflanzungen. Am besten kommen noch die euch noch wenig bekannten Schlangennüsse fort, wie auch an der nördlichen Küste Kokosnüsse, indianische Feigen, das sogenannte Johannisbrot und eine Art Melonenpflaumen.

20] Es muss aber viele Sorgfalt getragen werden, dass die gewissen Schlangennüsse nicht von einem gewissen roten Insekt angestochen werden; fällt dann eine solche angestochene Nuss in die Erde, so wird eine Afterpflanze von höchst giftiger Art aus ihr, welche noch ums Zehnfache ärger ist denn der sogenannte Bohonupas; denn wie sie nur ein Schuh hoch ihre Blätter über die Erde getrieben hat, so haben diese Blätter eine so heftige verheerende Giftausdünstung, dass sie nicht nur alle Tiere und Menschen, die sich ihnen nahen, töten, sondern sie richten auch oft in einem Umkreis von einer Stunde unter den Pflanzen eine solche Verheerung an, dass in kurzer Zeit nicht einmal eine Steinmoospflanze fortkommt, sondern es verdorrt alles, und wird zu einer Art Asche.


21] Das Glück ist bei dieser Pflanze noch das, dass sie nicht über ½ Jahr vegetiert, sondern mit dem Winter alsobald wieder verdirbt, und somit unschädlich wird.

22] Und da wir nun die Pflanzenwelt ein wenig angeschaut haben, so wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Tiere werfen.

23] Zuerst seht, wie die Luft wimmelt von großen weißen Adlern, die an Kraft und Behändigkeit alles in ihrer Art weit übertreffen; ihre Raubgier ist besonders zur Winterszeit so groß, dass sie mehr im Innern des Landes die Menschen gleich fliegenden Wölfen anfallen.

24] Nebst ihnen gibt's noch eine andere Gattung bösartiger Vögel, welche fast das Aussehen von einem Strauß haben; sie haben statt der Federn Haare, und haben einige gar keine Flügel, andere aber haben Flügel gleich einer Fledermaus.

25] Diese Vögel haben oft über klafterlange Beine, und können mittels denen so schnell laufen, dass es ihnen ein Leichtes ist, in einer Stunde zehn Meilen zurückzulegen. Wenn sie ihre Beute erreicht haben, so schlagen sie diese mit einem Bein nieder, und machen sich dann über ihre bereitete Mahlzeit. Anderer Heere von kleineren und unschädlicheren Vögeln nicht zu gedenken.

26] Unter andern ist noch zu bemerken ein vierfüßiges, mit einem starken Schnabel versehenes Säugetier; Vogelwolf wäre sein richtigster Name. Dieses Tier ist in seiner Art grausamer denn jeder Tiger.

27] Was aber den Boden und die Sümpfe betrifft, so ist dieses ein wahres Vaterland von Schlangen, aller Arten Eidechsen, darunter sehr viele Gattungen mit Flügeln versehen sind, welche freilich nicht alle giftiger Art, aber doch mehr oder weniger schädlich sind.

28] Im Innern kommt häufig eine große Art Fledermäuse vor, die sehr giftig sind, und haben noch ärger denn die Klapperschlange eine betäubende Wirkung in ihrem Blick, so dass jemand, den eine solche Fledermaus ins Auge gefasst hat, sobald wie von einem starken Getränk betäubt zur Erde fällt, und wenn ihm niemand zu Hilfe kommt und die hinzu flatternde Fledermaus erlegt, ihm diese sobald den letzten Blutstropfen aussaugt und dann gesättigt hell pfeifend davonfliegt.

29] Was das Klima aber anbelangt, so ist dieses ein wahres Chamäleon; denn außer einigen östlichen und nördlichen Gegenden ist dasselbe so veränderlich, dass in manchen Gegenden jemand an einem Tag alle fünf Zonen zu kosten bekommt.

30] Warum alles dieses hier so sonderbar gestaltet ist, wird euch zu seiner Zeit schon bekannt gegeben werden; aber so viel könnt ihr euch im Voraus merken, dass Ich mit gewissen Ländern der Erde ganz andere Zwecke verbunden habe, als dass sie von der schändlichen Habsucht der Menschen sollten vor der Zeit genotzüchtigt werden.

31] So aber die Menschen in ihrer Tollheit vor der Zeit dringen in Länder, die noch nicht reif geworden sind, so geschieht es ihnen ja recht, wenn es ihnen ergeht wie verwahrlosten Kindern, die da unreifes Obst und giftige Beeren verzehren.

32] Jedoch, wie schon gesagt, bei einer nächsten Gelegenheit wird euch davon mehreres kundgegeben werden. Und nun seht, während der Zeit wir uns so in diesem Land herumgetummelt haben, hat das euch schon bekannte Schiff in dem Hafen von Botany Bay seine Anker geworfen, und nun seht, da ist es schon! Denn, wenn man alles in einem Bild vor sich hat, braucht man keine lange Reise, um am bestimmten Ort zu sein.

33] Nun seht nur recht genau! Ich spreche wieder das Epheta, und seht, das Schiff ist schon wieder bis zum Grund durchsichtig geworden. Vor allem andern seht unsere holde Gleichsamgemahlin recht genau an! Seht, wie schwach sie ist, dass sie sich kaum von ihrem Sitz zu erheben vermag. Nun geht ein wenig in das Kabinett des Kapitäns.

34] Seht, wie da schon drei Kolonisten mit demselben die Listen durchmustern, und zwar in Gegenwart des dortigen Gouverneurs. Nun seht, zwanzig sind durchgestrichen, darunter auch unser Alter sich befindet, aber unsere Holde ist nicht ausgestrichen.

35] Seht, nun werden sie, nämlich die Listen, von dem Gouverneur und den Kolonisten unterschrieben und bestätigt, und die Gefangenwärter verfügen sich nun hinab, machen die Gefesselten frei, nachdem sie ihnen die Hände an den Rücken zusammenbinden, und treiben sie so gestaltet hinauf auf das Verdeck des Schiffes.

36] Nun seht, diese Gefangenenwärter treten nun auch in das Gemach unserer Schönen, verkünden ihr ihr Los, berauben sie der Kleider, und binden der darüber in verzweifelnde Ohnmacht Gesunkenen ebenfalls die Hände auf den Rücken und schleppen sie zu den andern hinauf aufs Verdeck.

37] Seht, wie sie hier vor ihrem vermeintlichen Gemahl niederfällt, und denselben bittet mit aller Macht und Kraft, die einem weiblichen Herzen nur möglich ist, und ihm alles Mögliche vorstellt, wie unschuldig sie auf diesen Schreckensort verurteilt wurde, und wie schändlich er ihr Unglück benützt hatte, sie, die so rein wie die Sonne war, zu benützen ärger denn eine englische Matrosen-Bordellshure.

38] Seht hin, und nehmt euch ein Beispiel von einem Menschen, der sich zur christlichen Religion bekennt!! - Seht, wie er großherrlich dem Gefangenenwärter befiehlt, der schreienden Bestie den Mund zu stopfen, und sie, so sie nicht wie die andern ganz ruhig sich verhalte, alsogleich mit dreißig Peitschenhieben zu belegen. Allein alles dieses schreckt sie nicht ab, wenn ihr auch der Mund verstopft ist, durch allerlei Gebärden und Ströme von Tränen aus den Augen den Unmenschen zu bewegen, sie doch wenigstens zu töten, wenn sein Herz keines anderen Mitleids mehr fähig sein sollte.

39] Allein seht her, die Wirkung ihrer Bitte! Seht, wie sie zwei Schergen an den kleineren Mast mit einem Strick anbinden über die Brust und über die Füße, und seht, wie schändlich grausam die arme Unglückliche von dem Gefangenenzüchtiger ungezählt gepeitscht wird.

40] Nun seht, nachdem ihre Füße ganz von oben bis unten mit der scharfen Peitsche zerhauen sind, wird sie losgelöst und alsogleich mit den andern Verbrechern auf Stricken über Bord in kleinere Fahrzeuge gelassen, und also blutend ans unglückliche Land gebracht und sogleich zur Verfügung dem betreffenden Kolonisten vom Gouverneur zugeteilt.

41] Meint ihr, dass man sie alldort in irgendein Spital gebracht hat? Da irrt ihr euch! Das Pflaster auf solche Wunden besteht in nichts anderem, als dass eine solche eine halbe Stunde lang sich ins Meer, wo es sehr seicht ist, setzen darf. Das ist die berühmte Heilart dort zu Lande. Es hilft zwar; aber denkt euch den brennenden Schmerz, besonders bei einem so reizbaren Mädchen!

42] Nun, hier sind wir fertig. Wir wollen nur noch einen kleinen Blick machen, was mit diesen Unglücklichen nun ferner geschieht. Seht, da mehr im Innern, ungefähr nach eurer Rechnung hundert Meilen von der Küste, da seht, wie diese Armen mit ihren Werkzeugen unter der Leitung mehrerer Aufseher mit allen den euch von der Beschreibung dieses Landes ein wenig bekannten Übeln kämpfen müssen; wie sie gleichsam zwischen zwei Feuern stehen.

43] Da heißt es wahrlich nach eurem Sprichwort: Vogel, friss oder stirb! Was macht sich da ein solcher Hauptkolonist daraus, ob zwanzig oder dreißig seiner meistens noch mit Fesseln belegten Untergebenen von Schlangen verzehrt werden, oder ob sie oft in dem klafterhohen Gras in plötzlich durchbrechende Sümpfe versinken, oder ob einer oder der andere von den bekannten Adlern angefallen und zerfleischt wird; oder wenn zur Ausrottung einer irgendwo aufkeimenden euch bekannten Giftpflanze noch mehrere zu Grunde gehen.

44] Seht, aus allem dem macht sich ein solcher Kolonist wenig oder gar nichts; denn für sein Haus ist er hinreichend versorgt, auch ohne solche neu hinzugekommenen Arbeiter.

45] Wenn er allenfalls durch solche neuen Vordrangsversuche dem Land wieder einen bedeutenden Teil abgewinnen kann, so ist es ihm recht; wenn aber solches durch all die grausamen Versuche fehlschlägt, so macht er sich auch nichts daraus; denn er ist, wie er selbst sagt, ohnehin versorgt.

46] Ihr werdet vielleicht meinen, dass, so diese Verbrecher ein neues Stück Land urbar gemacht haben, dasselbe werde dann vielleicht einem oder dem andern zum zinsbaren Eigentum eingeräumt.

47] O nein, sage Ich; ein solcher Kolonist benützt das Land zu ganz andern Zwecken. Er lässt wohl hie und da Arbeitshütten errichten; aber was immer der Boden trägt, gehört von A bis Z sein.

48] Die Arbeiter haben nichts als die elendeste, kaum genießbare Kost, und wenn sie manchmal nicht völlig verhungern wollen, fangen sie Schlangen und Eidechsen zusammen, schlagen ihnen die Köpfe weg, und braten sie am Strohfeuer und verzehren dieses Fleisch mit dem größten Appetit; denn da heißt es wahrlich auch wieder nach eurem Sprichwort: Der Hunger ist der beste Koch.

49] Ja, dieser Hunger geht oft bei einigen so weit, dass sie sich nicht einmal die Zeit nehmen, eine solche Schlange zu braten, sondern, wenn der Kopf, Haut und Eingeweide abgenommen sind, so wird sie alsobald verzehrt.

50] Eine neue Plage für diese Armen ist noch das, dass sie besonders im nördlichen Teil auf Ureinwohner stoßen, welche gute Bogenschützen sind, und mit vergifteten Pfeilen sie zurücktreiben, oder sie nehmen solche gefangen und verzehren sie roh.

51] Seht, solche Annehmlichkeiten ohne Zahl und Maß haben diese Armen hier zu erleiden; und die Züchtigungen, die sie noch obendrauf von ihren Befehlshabern und Vorstehern empfangen, welche noch weit unmenschlicher sind als wie bei den Nordamerikanern, können hier im Vergleich mit den Landplagen in kein Verhältnis gestellt werden.

52] Und seht, so ist auch unsere Arme schon auch hier bei einer grasabschneiderischen Arbeit. Bei euch ist das Grasmähen freilich eine belustigende Arbeit; aber dahier haben die Arbeiter mit förmlichen Grasurwäldern zu tun, innerhalb deren undurchdringlichen Dickichten besonders zur Sommerszeit eine Unzahl von gewaltig stechenden Insekten hausen, welche dann über diese nackten Arbeiter dergestalt herfallen, dass nach einigen Tagen nichts mehr zurückbleibt als zusammenhängende Gerippe.

53] Geschieht diese Kultivierung aber im Winter, und zwar durchs Feuer, so geschieht es nicht selten, dass das Feuer oft so gewaltig wird, dass sich die Flammen auf dem Boden oft stundenweit durch das dürre Gras hinwälzen; und wenn die armen Brandleger nicht schnell genug ihre Flucht ergreifen, so werden sie entweder ganz verbrannt, oder doch oft am ganzen Leib stark feuerverwundet.

54] Das Ärgste aber ist das, wenn irgend das Feuer erstickte, so müssen dann die armen Brandleger oft stundenlang über solche oft noch glühheiße Asche laufen, um daselbst, wo das Feuer erstickte, dasselbe wieder neu anzufachen.

55] Es ist ihnen zwar wohl gestattet, eine gewisse Art Brettchen an die Fußsohlen anzubinden; aber oft verbrannten diese Brettchen schon im halben Lauf, und dann ist es einerlei, ihre Fußsohlen werden ihnen dessen ungeachtet noch gar oft bis zum Bein verbrannt.

56] Anderer noch unzähliger Leiden und Krankheiten, die in diesem Land heimisch sind, nicht zu gedenken! Von der Westküste brauche Ich euch nichts mehr zu sagen als das Einzige, dass es dort noch zehnmal unmenschlicher zugeht als im Osten, aus welchem Grund die Kolonisierung daselbst sehr schlechte Fortschritte macht.


57] Seht, von allem diesem ist nichts als die schändliche Habsucht der „moralischen" und sogar „christlichen" Menschen die Schuld.

58] Dass Ich nun solchen Gräueln nicht lange mehr zuzusehen vermag, werdet ihr ohne großes Nachdenken leicht begreifen; denn wahrlich, die Menschen türmen ihre Sünden bereits bis in den dritten Himmel.

59] Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. Und somit Amen für heute; die achte Stunde wird euch noch Größeres und Merkwürdigeres verkündigen!

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