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Kapitelinhalt 200. Kapitel: Der Zollsergeant examiniert Jesus, wird von Ihm zurechtgewiesen und gibt der Gesellschaft freie Bahn. Ein Steuereinnehmer folgt Jesus. Den Sergeant sticht die Neugier.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Aber der Sergant ist noch ganz in Wien, und ganz von den Pflichten seines Amtes durchdrungen, und sieht und hört daher aber auch nichts anderes, als das nur, was seines vermeintlichen Amtes ist. Nur etwas bescheidener wird er nun, weil ihn alle Gehilfen rein im Stiche gelassen haben. Er begiebt daber zu Mir sich hin, und fragt Mich, wer denn Ich etwa wäre? wie Ich hieße? und ob Ich keinen Paß oder sonstige Ausweisung besäße?"

02] Und Ich sage zu ihm: „Wir kommen direkte aus den höchsten Himmeln hierher; Ich bin Christus der Herr, und bin nun gekommen hierher, die Todten zu erwecken, und die Verlornen aufzusuchen, und die Kranken zu heilen; und Allen die eines guten Herzens sind, solle ein großes Heil widerfahren!"

03] Spr. der Serschant, zu dem sich auch noch einige Individuen gesellen, die im Mauthhause sich befanden: „Gut gesprochen! Du bist noch der gescheidteste Narr aus all den frühern, in denen sich sogar wühlerische Verschmitztheit beurkundete, indem sie ihre Narrheit mehr als einen Deckmantel ihrer verbrecherischen geheimen Absichten vorschoben, und mich so sub bona fide täuschen wollten; aber da ich Argusaugen habe, und das Gras wachsen höre, so kann ich nicht so leicht übertölpelt werden. Ich kenne mich aber nun mit euch ganz genau aus, und weiß woran ich bin, und so muß ich euch wegen allerhöchsten geheimen Willens ja wohl passiren lassen. Das heilsame Placetum regii ist aufgehoben, und der katholischen Kirche freiestes Schalten und Walten in ihrer klerikalen Sfäre eingeräumt,- und so kann und darf sich auch ein exponirter Serschant auf einer Linie nicht mehr wundern, so ihm von Zeit zu Zeit nun gewisse verkappte Jesuiten und Liguorianer in allerlei Gestalten vorkommen werden! Es wird bald wieder Ablässe und Wunder zu regnen anfangen; die Jakobsleiter wird wieder reparirt, und zwischen Erd' und Himmel aufgestellt werden, aus der Engel, Apostel, die seligste Jungfrau, andere Heilige, und nicht minder auch Christus Selbst auf- und absteigen werden, natürlich um's Geld und andere kostbare Buße. Und ihr seid schon die erste Probe! Deo gratias! Ja, ja, wir kennen uns schon aus beim Herausfassen! Schön, schön, das kann sicher so Manchen sehr viel Trost gewähren! oder was?


04] Ihr könnet nun schon weiter ziehen; hätte ich das eher gewußt, von welchem Geiste ihr getrieben werdet, so hätte ich euch ja kein Hinderniß in den Weg gelegt, wozu ich auch die gemessene geheime Weisung habe. Aber die Zusammenstellung ist wahrlich als vollkommen gelungen zu betrachten bis auf den Robert Blum, und bis auf die unverkennbare Schwarzmaxllenerl, die doch sicher jeder lustige Wiener in vielfacher Hinsicht kennt. Der eigentliche Blum wird zwar von Kopf- und andern Schmerzen nicht viel mehr geplagt sein; aber die Erfindung eines Pseudo-Blums ist gut! Denn wer den rechten Paganini nicht hören konnte, der stellt sich nachher doch mit einem falschen recht gemüthlich zufrieden; und dieser Name hat noch viel geheimes Gewicht in Wien! Auch eine travestirte Barrikadenheldin aus Oberlerchenfeld ist wahrlich für eure Zwecke nicht schlecht; denn zum Gimpelfange gehört ja allerdings so ein recht niedlicher Lockvogel mit einem geisterhaft heroisch klingenden Namen. Der Zweck heiligt ja jedes Mittel. Und du bist Christus der Herr Selbst? Oh das ist sehr schön! Nun, wenn solche Christuse wie Du der römisch-katholischen Kirche nicht wieder auf die goldnen Beine helfen werden, dann ade Papst und Rom, und ade Pfaffenthum! Ein Dutzend Weihröcke noch dazu, und es wird sich schon alles wieder geben, und machen."

05] Rede Ich: "Freund! Ich weiß, daß du ein sogenannter Protestant bist, und denkst übers römische Christenthum nicht unbillig; denn dieses ist vom Grunde aus ein Gräuel in allen seinen herrschsüchtigsten Mühen vor Gott, von denen ihm aber keine gelingen wird, dafür Ich dir stehen kann; aber Mich und Meine kleine Gesellschaft verkennest du ungeheuer. Ich aber will dir von nun an nichts mehr aufbürden, indem du frei bist, und glauben und thun kannst, was du willst. Aber das sei dir noch einmal kund gethan, daß du nun nicht mehr auf der Welt der Materie, sondern ganz in allem Ernste in der Geisterwelt dich befindest, und alles das, was du außer Mir und Meiner Begleitung siehst, nichts ist, als leere Erscheinlichkeiten, die für dich aber zu geistigen Wirklichkeiten werden könnten, so du dich an Mich schlößest und in Meine Fußstapfen trätest. Aber du bist in deinem Herzen noch zu weit von Meinem Reiche entfernt, und kannst Mich daher auch nicht erkennen in deiner Blindheit. Bleibe daher nur, wo und was du bist; vielleicht sehen wir uns später noch irgendwo und irgend einmal wieder!"

06] Spricht der Serschant: „Wird mich sehr freuen, wenn nicht in dieser, so vielleicht doch möglicher Weise in einer andern Welt. Wünsche übrigens eine gute Verrichtung in der Residenzstadt! Der noch immer fest andauernde Belagerungszustand dürfte eurem löblichen Unternehmen günstig sein; darum noch einmal eine gute Verrichtung, und einen schönen Gruß nach Maria-Zell! Ade."

07] Wir begeben uns nun ohne weitern Anstand in das Innere der Stadt; aber der Serschant, uns mit seiner Gesellschaft nachschauend, sagt zu den Seinen, wie auch zu dem Einnehmer der ersten Verzehrungssteuermauth, der nun auch dazu gekommen ist, um zu erfahren, was es mit diesen sonderbaren Reisenden für ein Bewandtniß habe, und wer sie etwa seien, ob doch Chinesen, oder wenigstens Indier, - folgendes: „Das sind verkappte, feine Jesuiten als fromme Missionärs! weißt du, seit die Kirche wieder frei ist in unserem lieben väterlichen Oesterreich, haben ihre Pfaffen wieder die alte Jakobsleiter aufgefunden, und sie geradewegs am Himmel angelehnt. Mit den alten Kirchenstrafen geht es denn doch wenigstens so geschwinde nicht, und mit der goldenen Buße der Kreuzfahrer auch nicht; daher werden vorderhand Dobler und Bosko zur Leihe genommen werden, und wir werden bald von den großartigsten Wundern von allen Seiten her die rührendsten Kunden erhalten.

08] So waren z. B. diese Sechs nichts weniger als: Der Capo war höchst eigenen Bekenntnisses Christus Selbst, der nun alle Kranken gesund machen wird etc., vielleicht hilft Er auch den Finanzen auf die Beine zum Spazier nach Rom; oder was? Die drei Ersten waren Petrus, Paulus und Johannes der Evangelist. Nun! wie g'fallt dir das Gschichtl? Ein recht bildsauberes Menschl haben's auch bei sich g'habt, unter dem Namen Schwarzmaxllenerl, die Barrikadenheldin, und, itzt fall' aber nur um, und werde völlig todt vor Verwunderung, den Robert Blum auch! Nun, ist's Gschichtl nicht lustig? Wie g'fällt dir dieser Spaß? Meine Mannschaft, die etwas schwachen römischen Geistes ist, hat dir im Ernste dabei Reißaus genommen, und hat mich allein hier sitzen gelassen. Nun, Freund! - was sagst du zu dieser Errungenschaft vom Jahre 1848?" (Am 6. Juni 1850)

09] Sagt dazu der Verzehrungs-Steuereinnehmer: „Mein lieber Freund, diese Geschichte sieht wohl dem ersten Anscheine nach etwas spaßhaft aus, aber im Grunde liegt, wie es mir vorkam, und wie es mir mein inneres Gefühl sagte, doch etwas sehr Ernstes in dieser Geschichte. Ich will es schon zugeben, daß die Pfaffen bei der nun wieder erreichten kirchlichen Freiheit so Manches versuchen werden, wodurch irgend ein ihn erwünschenswerther Volksaberglaube wieder belebt werden könnte; aber auf diese Weise, Freund, Freund, das werden sie fein bleiben lassen! Es mag in den früheren Zeiten sich wohl so mancher gäule Pfaffe in nächtlichen Stunden gegenüber einer schönen jungen Nonne oder sonstigen Betschwester einen Spaß erlaubt haben, der vielleicht sehr nach einer himmlischen Maskerade roch; aber also öffentlich gegenüber offenbar amtlichen Aufsichtsmenschen, und Notabene in einer sich im Belagerungszustande befindlichen Kaiserstadt dürfte sich wohl der verschmitzteste Jesuit so was nimmer erlauben. Ah weißt du, ich bin sicher kein Freund der Pfaffen; aber ich glaube, daß sich zu solch einem Geschäfte wohl keiner herbei lassen würde, selbst so er im Ernste die bedeutendsten Vortheile davon zu erwarten hätte.

10] Aber ich halte von dieser mir wahrlich ganz chinesisch vorkommenden Geschichte ganz was anderes, und zwar: - Entweder sind diese Sechs verkleidete hohe Personen, oder sie sind am Ende im Ernste das, als was sie sich ausgegeben haben. Denn, weißt du, aufrichtig gesagt, mir kommt meine ganze Lebensgeschichte hier in Wien, so ich die Sache bei rechtem Lichte betrachte, etwas sonderbar vor; und das bringt mich heimlich immer mehr auf die Vermuthung, daß ich mich entweder in einem Traumleben befinde; oder ich werde von irgend einem sonderbaren Schwindel geplagt. Auch eine Menge anderer Bemerkungen habe ich schon gemacht, und mich dabei am Ende, wenn ich die Sachen näher beurtheilt habe, höchlichst verwundert, daß derlei Vorkommnisse mir nicht eher aufgefallen sind. So zum Beispiele habe ich dir seit ungefähr einem Zeitraume von zwei Jahren her aber auch nicht einen Fuhrwagen gesehen, und ebensowenig irgend eine Equipage, was gewiß sehr sonderbar ist. So gehen auch äußerst wenige Menschen hier vorüber, und von einem Hineintragen von den gewöhnlichen Viktualien ist auch keine Rede mehr; gewöhnlich werden seltene, mir ganz unbekannte Wurzeln und Kräuter, und geselchte Wölfe, Füchse und kleine Bären vorbei getragen, und noch eine Menge anderes so dummes Zeugs mehr, daß man darüber gerade lachen muß. Ich kann dafür auch von Niemanden eine Steuer erheben, weil derlei Dinge in keinem Steuertarife vorkommen; und verhalte ich auch Jemanden dazu, so giebt er mir gar keine Rede und Antwort, und geht unaufhaltsam seines Weges weiter; mir aber fällt es auch dann gar nicht bei, daß ich Jemanden anhalte solle.

11] Letzthin sah ich so in Gedanken vor mich hin, und bemerkte ein großes werthvolles Goldstück von neuester Präge so etliche Schritt vor mir am Boden liegen; ich eile hin, um es aufzuheben. Als ich hinzukam, ist das ganze Goldstück verschwunden, und an seiner Stelle lag eine zertretene ganz kohlschwarze kleine giftige Natter. Ich wollte sie mit meinem Visirstabe hintan schlendern; als ich sie aber noch kaum berührte, so metamorfosirt sie sich augenblicklich in einen recht sonderlich häßlichen Raubvogel, der in dem Augenblick auf und davon flog, als ich den verwunschenen Prinzen von einem Großdukaten mit meinem Visirstabe davonschleudern wollte. Letzthin war ich auch auf eine außergewöhnliche Art von einer Erscheinung affizirt worden; ich sah zum Fenster hinaus, und es regnete gewaltig stark; mir fiel es erst auf, daß ich bis dahin durch, sage 2 Jahre, weder regnen und noch weniger schneien gesehen habe. Ich eile schnell hinaus, um mich ein wenig anregnen zu lassen; wie ich aber doch sicher schnell genug hinauskam, da war dir aber vom Regen auch keine Spur mehr; und ich fing erst über die Sonderbarkeit der Witterung an nachzudenken, und es kam mir wahrlich sehr sonderbar vor, daß ich hier noch nie eine Sonne gesehen habe, und wahrlich gar nicht weiß, woher wir das Licht haben. Oder hast du schon einmal eine eigentliche Nacht erlebt, oder einen Winter, Frühling, Sommer oder Herbst? Sieh', alles dauert hier so in einem und demselben Zustande fort, und uns fällt es noch dazu am Ende gar nicht auf, daß die Sachen hier eben so sonderbar stehen, an denen wahrlich weder der Belagerungszustand, und eben so wenig irgend wo daseiende Jesuiten Schuld tragen können.

12] Siehe, aus diesen Vorkommnissen bin ich um so mehr genöthigt und geneigt zu glauben, daß wir fürs Erste nicht mehr auf der eigentlichen Erde uns befinden, und somit dem Leibe nach schon lange gestorben sind; und für's Zweite, daß die Sechse darnach sehr leicht das sein können, als für was sie sich ausgegeben haben; und, weißt du was, - ich werde ihnen nachgehen; sie stehen gerade noch dort vor einem Hause; bei denen muß ich ins Klare kommen."

13] Spricht der Serschant: „So warte, ich werde auch mit dir gehen!" - Beide machen sich sogleich auf den Weg, und gehen uns eiligst nach;

14] als sie zu uns kommen an der Stelle vor einem Hause, in das wir zuerst den Petrus sandten, auf daß er besuchete die Kranken darinnen, und heilete, die zu heilen wären, da sagt der Verz.-St.-Einnehmer: „Meine lieben erhabensten Freunde, und besonders Du Urweiser von Nazareth! Eure Rede fiel mir auf, und weckte mich insoweit, daß mir gleich darauf auch sehr verschiedenes Anderes aufzufallen begann, was mir früher lange nicht aufgefallen wäre, und auch nicht aufgefallen ist, obschon es mir und vielen tausend Andern schon lange hätte auffallen sollen; zugleich durchrieselte mich bei eurer Gegenwart an meiner Mauth ein so merkwürdig wohlthuendes Gefühl, daß ich mich kaum halten konnte, euch sogleich zu folgen. Ich kämpfte zwar eine Weile ganz männlich gegen dieses Gefühl, und schützte ihm meine K. K. Beamtenpflichten vor; aber das Gefühl sagte wie ganz mächtig laut: Was Kaiserlich, was Königlich; so Gott dich ruft, dann hört der Kaiser und der König für ewig auf. Und ich wandte auf solche Stimme meines Gemüthes meinem K. K. Mauthhause sogleich den Rücken und bin meinem innersten Triebe gefolgt, und bin nun bei euch, ihr sicher weiseren Freunde, als wie da ist Unsereins. Erlaubet mir aber nun auch, daß ich dem Drange meines Gefühles nach bei euch mich wenigstens so lange aufhalten darf, als bis ich durch euere Güte und Weisheit so viel Einsicht erlangen werde, um einzusehen, das ich bisher wirklich nicht eingesehen habe, wo und was ich denn hier so ganz eigentlich bin. Ob das Wirklichkeit oder ob das etwa blos nur so ein ewiger Traum ist? Lebe ich noch auf der Erde? was ich stets mehr bezweifle, und mich auch stets mehr und mehr Wunder nimmt, daß ich bei so verschiedenartigen von der wirklichen Erdnatur gänzlich abweichenden Erscheinungen es nicht noch beiweitem mehr bezweifle. So es euch möglich ist, was ich durchaus nicht bezweifle, da zündet mir in meinem Gehirnkasten so ein kleines Lichtlein an!"

01] Aber der Sergeant ist noch ganz in Wien und ganz von den Pflichten seines Amtes durchdrungen und sieht und hört daher aber auch nichts anderes, als das nur, was seines vermeintlichen Amtes ist. Nur etwas bescheidener wird er nun, weil ihn alle Gehilfen rein im Stiche gelassen haben. Er begibt sich daher zu Mir hin und fragt Mich, wer denn Ich etwa wäre, wie Ich hieße und ob Ich keinen Paß oder sonstige Ausweisung besäße?

02] Und Ich sage zu ihm: "Wir kommen unmittelbar aus dem höchsten Himmeln hierher. Ich bin Christus der Herr und bin nun hierher gekommen, die Toten zu erwecken, die Verlorenen aufzusuchen und die Kranken zu heilen. Und allen, die eines guten Willens sind, soll ein großes Heil widerfahren!"

03] Spricht der Sergeant, zu dem sich auch noch einige Individuen gesellen, die im Mauthause sich befanden: "Gut gesprochen! Du bist noch der gescheiteste Narr von all den frühern, in denen sich sogar wühlerische Verschmitztheit beurkundete, indem sie ihre Narrheit mehr als einen Deckmantel ihrer verbrecherischen, geheimen Absichten vorschoben und mich so sub bona fide (unter dem Schein guten Wollens) täuschen wollten. Aber da ich Argusaugen habe und das Gras wachsen höre, so kann ich nicht so leicht übertölpelt werden. - Ich kenne mich aber nun mit euch ganz genau aus und weiß, woran ich bin. Und so muß ich euch wegen allerhöchsten geheimen Willens ja wohl passieren lassen. Das heilsame Placetum regli (Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung) ist aufgehoben und der katholischen Kirche freiestes Schalten und Walten in ihrer klerikalen Sphäre eingeräumt! Und so kann und darf sich auch ein exponierter Sergeant auf einer Linie nicht mehr wundern, so ihm von Zeit zu Zeit nun gewisse verkappte Jesuiten und Liguorianer in allerlei Gestalten vorkommen werden! Es wird bald wieder Ablässe und Wunder zu regnen anfangen. Die Jakobsleiter wird wieder repariert und zwischen Erd' und Himmel aufgestellt werden, auf der Engel, Apostel, die seligste Jungfrau, andere Heilige und nicht minder auch Christus Selbst auf- und niedersteigen werden, natürlich ums Geld und andere kostbare Buße! Und ihr seid schon die erste Probe! Deo gratis (Gott sei Dank)! - Ja ja, wir kennen uns schon aus. - Schön, schön, das kann sicher manchen sehr viel Trost gewähren - oder was?!

04] Ihr könnet nun schon weiterziehen! Hätte ich das eher gewußt, von welchem Geiste ihr getrieben werdet, so hätte ich euch ja kein Hindernis in den Weg gelegt, wozu ich auch die gemessene geheime Weisung habe. Aber die Zusammenstellung ist wahrlich als vollkommen gelungen zu betrachten - bis auf den Robert Blum und die unverkennbare Schwarzmaxl-Lenerl, die doch sicher jeder lustige Wiener in vielfacher Hinsicht kennt. Der eigentliche Blum wird zwar von Kopf- und anderen Schmerzen nicht mehr viel geplagt sein. Aber die Erfindung eines Pseudo-Blums (Schein-Blums) ist gut! Denn wer den rechten Paganini (berühmter Geigenspieler) nicht hören konnte, der stellt sich nachher doch mit einem falschen recht gemütlich zufrieden. Und dieser Name hat noch viel geheimes Gewicht in Wien! Auch eine verkleidete Barrikadenheldin aus Oberlerchenfeld ist wahrlich für eure Zwecke nicht schlecht! Denn zum Gimpelfange gehört ja allerdings so ein recht niedlicher Lockvogel mit einem geisterhaft heroisch klingenden Namen. Der Zweck heiligt ja jedes Mittel! - Und du - bist Christus, der Herr Selbst?! Oh, das ist sehr schön! Nun, wenn solche Christusse, wie du, der römisch-katholischen Kirche nicht wieder auf die goldenen Beine helfen, dann adieu Papst und Rom und adieu Pfaffentum! Ein Dutzend Weihröcke noch dazu, und es wird sich schon alles wieder geben und machen!"

05] Rede Ich: "Freund! Ich weiß, daß du ein sogenannter Protestant bist, und du denkst übers römische Christentum nicht unbillig. Denn dieses ist vor Gott von Grund aus ein Greuel in allen seinen herrschsüchtigen Mühen, von denen ihm aber keine gelingen wird, wofür Ich dir stehen kann. Aber Mich und Meine kleine Gesellschaft verkennst du ungeheuer! - Ich aber will dir von nun an nichts mehr auf bürden, indem du frei bist und glauben und tun kannst, was du willst. Aber das sei dir noch einmal kundgetan, daß du nun nicht mehr auf der Welt der Materie, sondern ganz in allem Ernste in der Geisterwelt dich befindest, und daß alles das, was du außer Mir und Meiner Begleitung siehst, nichts als leere Erscheinlichkeit ist, die für dich aber zu geistigen Wirklichkeiten werden könnte, so du dich an Mich anschließen und in Meine Fußstapfen treten würdest. Aber du bist in deinem Herzen noch zu weit von Meinem Reiche entfernt und kannst Mich daher auch nicht erkennen in deiner Blindheit. Bleibe daher nur, wo und was du bist! Vielleicht sehen wir uns später noch irgendwo und irgend einmal wieder!"

06] Spricht der Sergeant: "Wird mich sehr freuen, wenn nicht in dieser, so vielleicht doch möglicherweise in einer andern Welt! - Wünsche übrigens eine gute Verrichtung in der Residenzstadt! Der noch immer fest andauernde Belagerungszustand dürfte euerm löblichen Unternehmen günstig sein. Darum noch einmal - eine gute Verrichtung und einen schönen Gruß nach Maria-Zell! Adieu!"

07] Wir begeben uns nun ohne weiteren Anstand in das Innere der Stadt. - Aber der Sergeant schaut uns mit seiner Gesellschaft nach. Und als auch der Einnehmer der ersten Verzehrungsteuer-Maut hinzukommt, um zu erfahren, was es denn mit diesen sonderbaren Reisenden für eine Bewandtnis habe und wer sie etwa seien, ob Chinesen oder wenigstens Indier - da sagt der Sergeant zu ihm und den Seinen: "Das sind verkappte, feine Jesuiten als fromme Missionäre! Weißt du, seit die Kirche wieder frei ist in unserem lieben, väterlichen Österreich, haben ihre Pfaffen wieder die alte Jakobsleiter aufgefunden und sie geradewegs am Himmel angelehnt. Mit den alten Kirchenstrafen geht es denn doch wenigstens so geschwinde nicht und mit der goldenen Buße der Kreuzfahrer auch nicht; daher werden vorderhand Döbler und Bosko (zwei berühmte Zauberkünstler) zur Leihe genommen, und wir werden bald von den großartigsten Wundern von allen Seiten her die rührendsten Kunden erhalten!

08] So waren z.B. diese sechs nichts weniger als: Der Capo (Hauptmann, Führer) höchsteigenen Bekenntnisses gemäß - Christus Selbst, der nun alle Kranken gesund machen wird ec! Vielleicht hilft Er auch den Finanzen auf die Beine zum Spaziergang nach Rom - oder was? - Die drei ersten waren Petrus, Paulus und Johannes der Evangelist. Nun, wie g'fallt dir das G'schichtl? Ein recht bildsauberes Menschl haben's auch bei sich g'habt, unter dem Namen Schwarzmaxl-Lenerl, die Barrikadenheldin! Und, jetzt fall aber nur um und werd völlig tot vor Verwunderung - den Robert Blum auch! - Nun, ists G'schichtl nicht lustig?! Wie g'fällt dir dieser Spaß?! - Meine Mannschaft, die etwas schwachen römischen Geistes ist, hat dir im Ernste dabei Reißaus genommen und hat mich allein hier sitzen gelassen! - Nun, Freund, was sagst du zu dieser Errungenschaft vom Jahre 1848!?"

09] Sagt dazu der Verzehrungs-Steuereinnehmer: "Mein lieber Freund, diese Geschichte sieht wohl dem ersten Anscheine nach etwas spaßhaft aus, aber in Grunde liegt, wie es mir vorkam und wie es mir mein inneres Gefühl sagte, doch etwas sehr Ernstes in dieser Geschichte! Ich will es schon zugeben, daß die Pfaffen bei der nun wieder erreichten kirchlichen Freiheit so manches versuchen werden, wodurch irgendein ihnen erwünschenswerter Volksaberglaube wieder belebt werden könnte. Aber auf diese Weise, Freund, Freund - das werden sie fein bleibenlassen! Es mag in den früheren Zeiten sich wohl so mancher lüsterne Pfaffe in nächtlichen Stunden gegenüber einer schönen jungen Nonne oder sonstigen Betschwester einen Spaß erlaubt haben, der vielleicht sehr nach einer himmlischen Maskerade roch, aber also öffentlich gegenüber offenbar amtlichen Aufsichtsmenschen und - wohlbemerkt! - in einer im Belagerungszustande befindlichen Kaiserstadt, dürfte sich wohl der verschmitzteste Jesuit so etwas nimmer erlauben! Ah, weißt du, ich bin sicher kein Freund der Pfaffen; aber ich glaube, daß sich zu solch einem Geschäfte wohl keiner herbeilassen würde, selbst so er im Ernste die bedeutendsten Vorteile davon zu erwarten hätte.

10] Aber ich halte von dieser mir wahrlich ganz chinesisch vokommenden Geschichte ganz was anderes, und zwar: Entweder sind diese sechs verkleidete hohe Personen, oder sie sind am Ende im Ernste das, als was sie sich ausgegeben haben! - Denn, weißt du, aufrichtig gesagt, mir konmmt meine ganze Lebensgeschichte hier in Wien, so ich die Sache bei rechtem Lichte betrachte, etwas sonderbar vor. Und das bringt mich heimlich immer mehr auf die Vermutung, daß ich mich entweder in einem Traumleben befinde oder von irgendeinem sonderbaren Schwindel geplagt werde. Auch eine Menge andeer Bemerkungen habe ich schon gemacht und mich dabei am Ende, wenn ich die Sachen näher beurteilt habe, höchlichst verwundert, daß derlei Vorkommnisse mir nicht eher aufgefallen sind. So zum Beispiel habe ich seit ungefähr einem Zeitraume von zwei Jahren aber auch nicht einen Fuhrwagen gesehen und ebensowenig irgendeine Equipage, was gewiß sehr sonderbar ist, so gehen auch äußerst wenige Menschen hier vorüber. Und von einem gewöhnlichen Hineintragen der Lebensmittel ist auch keine Rede mehr; gewöhnlich werden seltene, mir ganz unbekannte Wurzeln und Kräuter und geselchte Wölfe, Füchse und kleine Bären vorbeigetragen und noch eine Menge anderes solch dummes Zeug mehr, daß man darüber geradezu lachen muß. Ich kann dafür auch von niemanden eine Steuer erheben, weil derlei Dinge in keinem Steuertarife vorkommen. Und verhalte ich auch jemanden dazu, so gibt er mir gar keine Rede und Antwort und geht unaufhaltsam seines Weges weiter. Mir aber fällt es auch dann gar nicht bei, daß ich jemanden anhalten soll.

11] Letzthin sah ich so in Gedanken vor mich hin und bemerkte ein großes, wertvolles Goldstück von neuester Präge so etliche Schritte vor mir am Boden liegen. Ich eile hin, um es aufzuheben. Als ich hinzukam, ist das ganze Goldstück verschwunden und an seiner Stelle lag eine zetretene ganz kohlschwarze kleine giftige Natter. Ich wollte sie mit meinem Visierstabe hintanschleudern. Als ich sie aber noch kaum berührt hatte, da verwandelte sie sich augenblicklich in einen recht sonderlich häßlichen Raubvogel, der im selben Augenblick aus und davon flog, als ich den verwunschenen Prinzen von einem Großdukaten mit meinem Visierstabe davonschleudern wollte. Letzthin bin ich ebenfalls auf eine außergewöhnliche Weise von einer Erscheinung betroffen worden. Ich sah zum Fenster hinaus, und es regnete gewaltig stark. Mir fiel es erst jetzt auf, daß ich bis dahin, sage zwei Jahre lang, weder regnen und noch weniger schneien gesehen habe. Ich eilte schnell hinaus, um mich ein wenig anregnen zu lassen. Wie ich aber - doch sicher schnell genug - hinauskam, da war dir aber vom Regen auch keine Spur mehr! Ich fing nun erst an, über die Sonderbarkeit der Witterung nachzudenken, und es kam mir wahrlich sehr merkwürdig vor, daß ich hier noch nie eine Sonne gesehen hatte und wahrlich gar nicht weiß, woher wir das Licht haben. Oder hast du schon einmal eine eigentliche Nacht erlebt? Oder einen Winter, Frühling, Sommer oder Herbst? - Sieh, alles dauert hier so in einem und demselben Zustande fort, und uns fällt es noch dazu am Ende gar nicht auf, daß die Sachen hier so sonderbar stehen, an denen wahrlich weder der Belagerungszustand und ebensowenig irgendwelche Jesuiten Schuld tragen können.

12] Siehe, durch diese Vorkommnisse bin ich um so mehr genötigt und geneigt zu glauben, daß wir fürs erste uns tatsächlich nicht mehr auf der eigentlichen Erde befinden und somit dem Leibe nach schon lange gestorben sind - und fürs zweite, daß die sechse danach doch sehr leicht das sein können, für was sie sich ausgegeben haben. - Und, weißt du was, ich werde ihnen nachgehen! Sie stehen gerade noch dort vor einem Hause! Bei denen muß ich ins klare kommen!"

13] Spricht der Sergeant: "So warte, ich werde auch mit dir gehen!" Beide machen sich sogleich auf den Weg und gehen uns eiligst nach.

14] Als sie zu uns kommen an der Stelle vor einem Hause, in das wir zuerst den Petrus sandten, auf daß er die Kranken darinnen besuche und die zu heilen wären, heile - da sagt der Steuereinnehmer: "Meine lieben, erhabensten Freunde, und besonders Du, Urweiser von Nazareth! Eure Rede fiel mir auf und weckte mich insoweit, daß mir gleich darauf auch verschiedenes anderes aufzufallen begann, was mir früher lange nicht aufgefallen ist, obschon es mir und vielen tausend anderen schon lange hätte auffallen sollen. Zugleich durchrieselte mich bei eurer Gegenwart an meiner Maut ein so merkwürdig wohltuendes Gefühl, daß ich mich kaum halten konnte, euch sogleich zu folgen. Ich kämpfte zwar eine Weile ganz männlich gegen dieses Gefühl und schützte ihm meine k. k. Beamtenpflichten vor. Aber das Gefühl sagte wie ganz mächtig laut: "Was kaiserlich, was königlich! So Gott dich ruft, dann hört der Kaiser und der König für ewig auf!« - Und ich wandte auf solche Stimme meines Gemütes meinem k. k. Mauthause sogleich den Rücken, bin meinem innersten Triebe gefolgt und bin nun bei euch, ihr Freunde, die ihr sicher weiser seid als unsereins. Erlaubet mir aber nun auch, daß ich dem Drange meines Gefühles nach mich bei euch wenigstens so lange aufhalten darf, bis ich durch eure Güte und Weisheit so viel erlange, um einzusehen - was ich bisher wirklich nicht eingesehen habe - wo und was ich denn hier so ganz eigentlich bin? Ob das Wirklichkeit oder ob das etwa bloß nur so ein ewiger Traum ist? - Lebe ich noch auf der Erde? Ich bezweifle das stets mehr. Und es nimmt mich auch stets mehr und mehr wunder, daß ich bei so verschiedenartigen, von der wirklichen Erdnatur gänzlich abweichenden Erscheinungen es nicht noch bei weitem mehr bezweifle. - So es euch möglich ist, was ich durchaus nicht bezweifle, da zündet mir in meinem Gehirnkasten so ein kleines Lichtlein an!"

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