Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


180. Kapitel: Die glückliche Landung. Jonathas Freude. Des Cyrenius Dank. Die Schiffbrüchigen in Ruhe. Die Bergung des festgelaufenen Schiffes. Das gemeinschaftliche Frühstück. Jonathas Demut. Die Ankunft Josephs und der Seinen. Joseph und der schiffbrüchige Cyrenius bei Jonatha (02.04.1844)

01] Cyrenius aber fragte den riesenhaften Retter, wie wohl die Gegend heiße, in der er sich befände, und wie er als Retter.

02] Und Jonatha erwiderte: »Herr, du mußt ein Fremder sein, da dir die Gegend unbekannt ist, die doch so viel Charakteristisches in sich hat!«

03] Und Cyrenius sprach: »Freund eine Gegend hat nicht selten eine Ähnlichkeit mit der andern, und im Zwielichte des Mondes erkennt man nicht selten die eigene Heimat nicht!

04] Ganz besonders aber geht es mit dem Erkennen der Gegenden dann schlecht, wenn zuvor das Gemüt mit der Todesangst zu tun hatte!

05] Daher magst du mir wohl kundgeben, wie diese Gegend heißt, in die mich der entsetzliche Sturm verschlagen hat!«

06] Und Jonatha sprach: »Lieber Herr, du weißt ja, daß da eine Regel ist, nach der man einem Geretteten nicht sogleich sagen darf, wo er ist.

07] Denn ist er vom Orte seiner Bestimmung weit weg, da wird er zu traurig, da er solches gleich nach überstandener Gefahr erfährt;

08] ist er aber durch eine zufällige Wendung des Sturmes dennoch nahe an den Ort seiner Bestimmung verschlagen worden, da könnte auf eine frühere Todesangst solch eine Freude das Leben kosten!

09] Darum soll der Retter im Anfange verschwiegen sein und erst nach einiger Zeit den Geretteten kundtun, was sie zu wissen verlangen!«

10] Als Cyrenius aber solche Antwort von dem ihm noch unbekannten Retter erhalten hatte, da sprach er:

11] »Wahrhaftig, du bist ein edler Retter und hast die rechte Weisheit dazu; darum steure nur hurtig zu auf daß wir bald Land bekommen!«

12] Und Jonatha sprach: »Siehe, die Bucht ist schon da, sie läuft am Ende in einen schmalen Arm aus!

13] Wären wir auf einem festen ruhigen Punkte, da sähen wir lange schon meine Fischerhütte!

14] In einer kleinen Viertelstunde sind wir lange schon auf trockenem Lande; denn der Wind ist uns nun sehr günstig!«

15] Cyrenius war mit dieser Antwort zufrieden, und Jonatha fuhr pfeilschnell die Bucht hindurch und erreichte in wenigen Minuten das erwünschte Ufer.

16] Als das Boot am Ufer befestigt war, da stiegen sogleich alle ans Land, und Cyrenius dankte laut dem Gott Israels, daß Er ihn gerettet hatte mit allen seinen Teuren.

17] Als Jonatha aber solches vernommen hatte, daß Cyrenius, den er nicht kannte in dieser Zeit, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs preise, da sprach er:

18] »Mein Freund, nun bin ich doppelt so froh, darum ich in dir einen Israeliten gerettet habe; denn auch ich bin ein Sohn Abrahams!«

19] Und Cyrenius sprach: »Das gerade bin ich nicht, sondern ich bin wohl ein Römer; aber dennoch kenne ich die Heiligkeit deines Gottes und bekenne Ihn darum ganz allein.«

20] Und Jonatha sprach: »Das ist noch besser! Morgen wollen wir mehr davon reden; für heute aber begebet euch zur Ruhe!

21] Siehe, meine Hütten sind geräumig und reinlich! Stroh habe ich auch in großer Menge, daher macht euch ein Lager; ich aber werde sogleich wieder umkehren und sehen ob euer Schiff nimmer flott zu machen ist!«

22] Cyrenius sprach zwar: »Freund, da ist ja morgen auch noch Zeit!«

23] Jonatha aber sagte: »Morgen ist Sabbat; da heißt es von aller knechtlichen Arbeit ruhen! Darum muß vor dem Aufgange noch alles in Ordnung gebracht werden!«

24] Darauf bestieg Jonatha mit seinen Gehilfen wieder das Boot und fuhr, da sich der Wind etwas gelegt hatte, um so beschleunigter hinaus zum Schiffe des Cyrenius und hatte mit der Flottmachung desselben um so weniger zu tun, da ihm die Flut des Meeres bei Gelegenheit des Vollmondes gut zustatten kam.

25] Er ergriff sogleich das Schlepptau, befestigte es ans Boot und ruderte voll Freude in die ziemlich tiefe Bucht und brachte so das ganze große Schiff in seinen sicheren Hafen und ließ es befestigen am Ufer mittelst eines sehr langen Taues, da er nicht zum Ankern kommen konnte.

26] Nach dieser gut zweistündigen Arbeit begab sich Jonatha schon ziemlich am hellen Morgen nach Hause, legte sich auf sein Lager und ruhte bei drei Stunden lang mit seinen Gehilfen.

27] Auch Cyrenius und sein Gefolge ruhten und schliefen ziemlich lang in den Morgen hinein.

28] Als Jonatha wohlgestärkt erwachte, da lobte und pries er Gott in dem Kinde Josephs und gedachte was Dasselbe zu ihm geredet hatte.

29] Darauf befahl er den Weibern, sogleich die besten Thunfische - bei dreißig an der Zahl - zu schlachten und zu rösten für die vielen Gäste zu welcher Arbeit er selbst mit all seinen Gehilfen den Weibern behilflich war.

30] Als nach einer Stunde das Frühstück bereitet war, ging Jonatha selbst in die Hütten und weckte seine geretteten Gäste.

31] Cyrenius war wohl zuerst wach und fand sich ganz gestärkt und heiter und fragte den Jonatha sogleich, ob er das Schiff wohl noch getroffen habe.

32] Und Jonatha sprach: »Erhebe dich, und siehe zu diesem Fenster hinaus!«

33] Und Cyrenius erhob sich sogleich, sah hinaus und sah sein großes Schiff ganz wohl erhalten im Hafen.

34] Da ward er überfroh, ja dankbarst gegen den riesigen Retter Jonatha gerührt und sprach:

35] »O Freund, solche Tat kann nicht gemein belohnt werden; wahrlich, diese Tat will ich auf eine Art belohnen, wie sie nur ein Kaiser zu lohnen vermag!«

36] Jonatha aber sprach: »Freund, laß das jetzt gut sein; komme aber mit deinem Gefolge zum Frühstücke!«

37] Und Cyrenius sprach, sich hoch verwundernd: »Was, du willst uns auch noch bewirten? O du edler Mann! Werde ich erst erfahren von dir, wo ich bin, und wer du bist, dann sollst du auch erfahren, wer ich bin, und ein großer Lohn soll dir dann werden!«

38] Darauf erhob sich alles vom Lager und folgte dem Jonatha in die große Hütte, allwo schon das Frühstück der Gesellschaft harrte, und alle aßen die wohlbereiteten Fische mit großer Lust und rühmten den Jonatha über die Maßen.

39] Jonatha aber sagte: »O rühmet nicht mich; denn an allem dem hat Jemand anderes - und nicht ich das große Verdienst!

40] Ich war nur ein plumpes Werkzeug Dessen, der mich also beschickt hat und hat mir vorangezeigt, daß ich in dieser Nacht einen wichtigen Dienst werde zu versehen bekommen.

41] Und also war es denn auch; ich fand dich in großer Not und ward dir zum Retter, und das war der Wille des Allerhöchsten.

42] Diesen heiligen Willen habe ich erfüllt, und das Bewußtsein, den Willen Gottes aus Liebe zu Ihm Selbst erfüllt zu haben, ist mein hoher Lohn, - und wärest du ein Kaiser, so könntest du mir keinen höheren geben!

43] Daher bitte ich dich auch, an keine andere Belohnung bei dir selbst zu denken.

44] Bringe nur dein schönes und großes Schiff wieder in Ordnung und so ich erfahren werde von dir den Ort deiner Bestimmung, da werde ich dir noch obendrauf mit Rat und Tat an die Hand gehen!«

45] Hier sprach Cyrenius: »Freund das sollst du gleich erfahren!

46] Siehe, der Ort meiner Bestimmung für diesmal ist Ostrazine in Ägypten; denn ich bin der Statthalter und ein Bruder des Kaisers! Mein Name ist Cyrenius Quirinus.«

47] Bei diesen Worten fiel Jonatha auf die Knie nieder und bat um Gnade, wenn er sich etwa in etwas vermessen hätte.

48] Als der Cyrenius den Jonatha aufrichten wollte, da kam Joseph mit seiner ganzen Genossenschaft, den Jonatha zu besuchen, weil dieser sich versprochenermaßen so lange nicht einfinden wollte beim Joseph.



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