Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 2


03] Wie aber wird sich diese zerstreute Gabe des Zufalls unter ein Dach bringen lassen? - Das ist eine ganz andere Frage!

04] Damit aber der gute »Zufall« nicht einen vergeblichen Zufall getan habe, so wollen wir zu einem leicht faßlichen Gleichnisse unsere Zuflucht nehmen und also wie im »Zufalle« euch erzählen:

05] Es war ein Mann voll Liebe und Weisheit; sein Alter war von etlich vierzig Jahren. - Dieser Mann verachtete aus dem Grunde seines Herzens alle Reichtümer der Welt, da er im Vollbesitze der höchsten geistigen Güter war.

06] Da er aber also auch ein überaus liebevolles Herz hatte, so dachte er bei sich: Wozu alle diese meine Liebe, die also mächtig ist, daß sie auslangen könnte für sehr viele Weiber? Ich will diese meine Liebe aber dennoch nicht teilen, sondern will da zusehen auf der Erde und mir dann wählen ein rechtes Weib, ja die schönste soll sie sein von allen Weibern der Erde und die kräftigste und vollkommenste!

07] Ihr Kopf soll gleichen einer aufgehenden Sonne. Ihre Augen sollen glänzen wie zwei allerhellste Morgensterne. Ihr Mund soll sein gleich der herrlichsten Morgenröte; ihre Stirne wie ein feurigster Regenbogen, ihre Wangen gleich jenen Wölkchen, welche zunächst um die aufgehende Morgensonne spielen, und ihr Kinn gleich einem jener zarten Nebelchen, welche da voll des herrlichsten Duftes am Morgen den blumenreichen Fluren entschweben. Die Haare sollen sein gleich dem reinsten Golde. Und an ihrem schneeweißen Leibe will ich keinen Makel gewahren! - Also mit diesem vollkommensten Weibe will ich meine Liebe teilen, dachte bei sich dieser liebe- und weisheitsreichste Mann. Und wie gedacht, also auch getan!

08] Der Mann ging aus und suchte - und fand auch im Ernste bald, was er suchte! - Das Weib hieß Juda. - Ihr gefiel anfangs der Mann wohl, denn sie wußte wohl, daß solche Liebe und Weisheit mehr wert ist als alle Schätze der Welt. Darum hat denn auch der Mann bei sich ernstlich beschlossen, um ihr Herz zu freien, ihr aber jedoch keinen Zwang anzutun.

09] Es hatte aber dieses Weib dennoch ein schalkhaftes Herz. Denn sie gelobte (zwar) dem Manne ihre Liebe allezeit teuer, so oft er sie heimsuchte. Wann er aber verzog, um ihr Gelegenheit zu geben, damit sie ihr Herz erforsche, ob es wohl achte der großen Liebe dieses Mannes bei sich selbst, da fiel sie allezeit von ihm ab und gab sich gleich einer feilen Dirne aller Gemeinheit preis und mißachtete also überstark diesen Mann in ihrem Herzen.



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