Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 1)


Kapitelinhalt 33. Kapitel: Über geistige Erscheinlichkeiten

(Am 9. Januar 1843 von 4 1/2 bis 5 3/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1975 Lorber-Verlag

01] Wenn ihr eure Augen so recht anstrengen wollet, so werdet ihr mehr zur rechten Hand Etwas wahrnehmen, das sich also artet wie etwa eine Staubwolke. Ihr bejahet Solches zu erschauen; es ist gut. Bewegen wir uns daher nur recht schnell gegen diese Staubwolke hin, und wir werden ihr bald näher kommen, und sie beschauen in ihrer entfalteteren Gestalt. - Ihr fraget: Was besagt denn hier eine solche Staubwolke? - Ich sage euch: Eben nicht gar zu viel, ihr werdet auf der Erde schon gar oft von den sogenannten Dunstmachern etwas gehört haben, -- und sehet, das ist eben ein entsprechendes Bild. Wie und auf welche Art? werdet ihr euch in der Nähe dieses Phänomens gar bald überzeugen; - daher nur noch einige Schritte, und wir sind bei dem Phänomen.

02] Nun sehet, hier sind wir schon; was erblicket ihr? - Ihr saget: Wir erblicken nun keine Staubwolke mehr, aber dafür eine reichzählige ganz verkümmerte Gesellschaft zwerghafter Menschen beiderlei Geschlechtes; und diese Zwergmenschen blähen sich gegen einander auf, stellen sich auf die Zehenspitzen, und will ein Jeder größer sein denn der Andere. Die Kleinsten nehmen sogar Sand in die Hand, werfen ihn über sich in die Höhe, und scheinen dadurch den Anderen anzudeuten, was sie für Riesen sind. - Ihr habt recht bemerkt, denn also kommt ihre Sinnesart zur Erscheinlichkeit.

03] Jetzt aber treten wir völlig zu ihnen hin, und es wird sich diese ganze Gesellschaft also gleich wieder anders gestalten. - Nun sehet, wir sind ihnen vollkommen auf der Ferse; was bemerket Ihr jetzt? - Ihr saget: Jetzt kommen sie uns etwas größer vor, blicken sich gegenseitig überaus zuvorkommend freundlich an, und thun gegenseitig allenfalls also, wie da thun die sogenannten coquetten Frauenspersonen in einer Gesellschaft. - Ihr habt wieder recht bemerkt; aber ihr fraget nun, worin das liege, daß man eine solche Gesellschaft von den verschiedenen Standpunkten auch allzeit verschieden erschaut? - Das kommt daher, weil es auf der Welt auch also ist; in der vollkommenen Nähe getraut sich einem Mächtigen Niemand die Wahrheit in's Gesicht zu sagen, selbst die Mächtigen unter einander scheuen Solches; daher macht sich Alles gegenseitig den Hof.

04] Wann eine solche Gesellschaft auseinander geht, so erhebt sich bei sich selbst ein Jeder über den Andern, und weiß schon eine Menge zu bemängeln, und so will demnach auch ein Jeder sich über den Andern erheben; aber gar zu laut getraut sich noch Niemand etwas Bestimmtes auszusprechen, sondern stellt nur ganz bescheiden Vergleichungen an. - Nur bei sich selbst weiß er Alles gewisserart vom höchsten Standpunkte aus zu beurtheilen; und Solches bezeichnet das Sand über sich werfen, oder mit anderen Worten gesagt: seinen Verstand über alle Anderen erheben. In weiter Entfernung von solcher Gesellschaft, da wird Alles mit den schärfsten Augen betrachtet; die ganze Gesellschaft wird als ein Unsinn erklärt, und all' ihre Gespräche und all' ihr Thun und Lassen für nichts als ein leerer Dunst oder für eine leere Prahlerei angesehen.

05] Wenn ihr nun diese zwei gegebenen Situationsverhältnisse einander gegenüber haltet, so werdet ihr daraus sicher folgenden Schluß ziehen können: In der Ferne stellt sich der wahre Prospekt einer Sache dar; in der größeren Nähe geht der Totalprospect schon mehr und Mehr verloren, und dafür aber stellt sich mehr die Sonderlichkeit dar. In der vollsten Nähe ist von dem Hauptprospecte nicht das Geringste mehr zu entdecken; dafür aber tritt die Einzelheit desto bestimmter vor die Augen.

06] Wer Solches nicht wohl fassen möchte, den mache ich nur auf eine naturmäßige Erscheinung in der materiellen Welt aufmerksam. Wenn er sich beispielsweise ungefähr zehn Stunden von einem namhaften Gebirge entfernt befindet, so überschaut er dasselbe, und es liegt dann als ein bestimmtes Bild vor ihm. Nähert er sich dem Gebirge dann auf eine Stunde, so wird dasselbe gewisserart in seinen Verzweigungen auseinander gehen, und er nun eine Menge Vorberge und Gräben entdecken, welche in der Ferne mit dem Hauptberge nur eine Fläche auszumachen schienen. Steigt er aber nun völlig auf den Berg selbst, so geht es ihm wie Einem, der den Wald vor lauter Bäume nicht sieht; denn da ist von der ersten Ansicht nahe keine Spur mehr zu entdecken. - Ich meine, durch eine nur einigermaßen aufmerksame Betrachtung dieses Beispieles werden uns die drei verschiedenen Ansichten unserer Gesellschaft ganz vollkommen klar werden. - Aber nun fragt ihr, und saget: Solches Alles ist ja richtig; aber was hat es denn mit dieser Gesellschaft noch für eine oder die andere Bewandtniß? Wessen Geistes Kind ist sie? - Wir können Solches nicht aus dem Benehmen dieser Wesen ganz wohl heraus bringen; denn ihr ganzes Thun, und ihre ganze Sprache gleicht mehr einer Pantomime, als irgend einer Conversation aus verständlichen Worten bestehend.

07] Ich sage euch: das ist ja eben sehr klar; ihr müßtet wirklich noch sehr blind sein, wenn ihr Solches nicht errathen solltet, wie das ist, woher und wohin? - Sehet, das ist eine Gesellschaft aus lauter großen, weltsüchtigen und eigennützigen sogenannten Staatsbeamten, welche ihr Amt nur zum eigenen Besten, aber nicht zum Besten des ganzen Staates und dessen Bürger verwalteten.

08] Diese Menschen thaten auf der Welt überaus höflich und freundschaftlich mit einander; es wußte aber dessen ungeachtet ein Jeder auf eine ganz seine Weise sich vor dem Andern geltend zu machen; Keiner aber traute dem Andern, und fand daher nothwendig, ihn durch allerlei Schleichwege also zu halten, daß der Andere nicht viel Geheimes haben konnte vor seinem Nachbar. Was ist aber solch' eine eigennützige Freundschaft, und ein solches fein beabsichtetes Hofmachen Anderes, als eine freche Coquetterie, welche an und für sich nichts Anderes als eine Wurzel oder ein Same zur eigentlichen Hurerei ist; denn also wirft auch eine habsüchtige und wollüstige Hure Einem freundliche und viel versprechende Blicke zu, um ihn in ihr Netz und dann von ihm Etwas zu bekommen. Also trägt auch ein Geier eine Schildkröte in die Höhe, um dann durch ihren Fall eine gute Freßbeute zu gewinnen.

09] Solche Menschen nützen dann dem Allgemeinen gar wenig, und sie selbst sind dabei durch eine überwiegende List der Anderen auch eben nicht am vortheilhaftesten daran. Ja, solche Menschen gleichen noch den Spielmenschen, die sich Abends freundlich und brüderlich besuchen, und sind voll Artigkeit gegen einander; so sie sich aber zum Spieltische setzen, da möchte sich Keiner auch nur das Allergeringste daraus machen, wenn sein Mitspieler Haus und Hof an ihn verspielen möchte.

10] Ihr saget hier: Aber liebster Freund, das sind ja doch offenbar böse Menschen; wie kommen den diese daher, da sie nicht verloren sind? - Ich sage euch: Ihr urtheilet hier zu grell, möchtet ihr denn nicht einen Unterschied machen zwischen den gewaltthätigen Dieben und den sogenannten armen Gelegenheitsdieben? - Sehet, das ist auch unsere Gesellschaft; ihre Stellung in der Welt hat ihnen gewisserart ein staatlich politisches Recht eingeräumt also zu handeln, und sie sind von sich auch vollkommen überzeugt, daß sie ihrem Berufe vollkommen gemäß gehandelt haben.

11] Hier im Reiche der Geister aber wird den Menschen niemals eine Handlung als verdammlich angerechnet, so er dieselbe mit einem sein Gewissen nicht beunruhigenden Rechtsgefühle vollzogen hat, und dieses war auch bei diesen Menschen der Fall; bei ihnen ist nichts eine volle Wirklichkeit, weder das Gute noch das Arge, sondern Alles ist gewisserart nur eine politische mehr oder weniger pfiffige Comödie. Aus diesem Grunde sind sie auch hier, damit in ihnen all' das Nichtige und Falsche verzehrt werde. - Wann Solches freilich wohl mit äußerst langsamem Fortschritte bewerkstelliget wird, so erst werden sie aus dieser Gegend ausgeboren, und kommen dann in die Thäler rechts im Hintergrunde, allda wir unseren Stoiker haben kennen gelernt.

01] Wenn ihr eure Augen recht anstrengen wollt, so werdet ihr mehr zur rechten Hand etwas wahrnehmen, das sich artet wie etwa eine Staubwolke. Ihr bejaht, solches zu erschauen; es ist gut. Bewegen wir uns daher nur recht schnell gegen diese Staubwolke hin, und wir werden ihr bald näherkommen und sie beschauen in ihrer entfalteteren Gestalt. Ihr fragt: Was besagt denn hier eine solche Staubwolke? Ich sage euch: Eben nicht gar zuviel; ihr werdet auf der Erde oft von den sogenannten 'Dunstmachern' etwas gehört haben und seht, das ist ein entsprechendes Bild davon. Wie und auf welche Art werdet ihr euch in der Nähe dieses Phänomens bald überzeugen; daher nur noch einige Schritte, und wir sind bei dem Phänomen.


02] Nun seht, hier sind wir schon; was erblickt ihr? Ihr sagt: Wir erblicken nun keine Staubwolke mehr, aber dafür eine reichzählige Gesellschaft zwerghaft verkümmerter Menschen beiderlei Geschlechts. Diese Zwergmenschen blähen sich gegeneinander auf, stellen sich auf die Zehenspitzen, es will ein jeder größer sein denn der andere. Die Kleinsten nehmen sogar Sand in die Hand, werfen ihn über sich in die Höhe und scheinen dadurch den anderen anzudeuten, was für Riesen sie sind. Ihr habt recht bemerkt, denn also kommt ihre Sinnesart zur Erscheinlichkeit.

03] Jetzt treten wir völlig zu ihnen hin, und es wird sich diese ganze Gesellschaft gleich wieder anders gestalten: Nun seht, wir sind ihnen vollkommen auf der Ferse; was bemerkt ihr jetzt? Ihr sagt: Jetzt kommen sie uns etwas größer vor, blicken sich gegenseitig überaus zuvorkommend und freundlich an, tun gegenseitig also, wie da tun die koketten Frauenspersonen in einer Gesellschaft. Ihr habt wieder recht bemerkt; aber ihr fragt nun, worin das liege, daß man eine solche Gesellschaft von den verschiedenen Standpunkten auch allzeit verschieden erschaut. Dies kommt daher, weil es auf der Welt auch also ist. In der vollkommenen Nähe getraut sich einem Mächtigen niemand die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, selbst die Mächtigen untereinander scheuen solches; daher macht sich alles gegenseitig den Hof.

04] Wenn eine solche Gesellschaft auseinandergeht, so erhebt sich ein jeder bei sich selbst über den andern und weiß eine Menge zu bemängeln, und so will demnach ein jeder sich über den andern erheben; aber gar zu laut getraut sich noch niemand etwas Bestimmtes auszusprechen, sondern stellt nur ganz bescheiden Vergleichungen an. Nur bei sich selbst weiß er alles gewisserart vom höchsten Standpunkte aus zu beurteilen: Solches bezeichnet das 'Sand über sich werfen', oder, mit andern Worten, seinen Verstand über alle andern erheben. In weiter Entfernung von solcher Gesellschaft wird alles mit den schärfsten Augen betrachtet; die ganze Gesellschaft wird als ein Unsinn erklärt und all ihre Gespräche und an ihr Tun und Lassen für nichts als ein leerer Dunst oder für eine leere Prahlerei angesehen.


05] Wenn ihr nun diese zwei gegebenen Verhältnisse einander gegenüberhaltet, so werdet ihr daraus folgenden Schluß ziehen können: In der Ferne stellt sich der wahre Prospekt einer Sache dar; in der größeren Nähe geht der Totalprospekt schon mehr und mehr verloren, dafür aber stellt sich mehr die Sonderlichkeit dar. In der vollen Nähe ist von dem Hauptprospekte nicht das geringste mehr zu entdecken; dafür aber tritt die Einzelheit desto bestimmter vor die Augen.

06] Wer solches nicht wohl fassen möchte, den mache ich auf eine naturmäßige Erscheinung in der materiellen Welt aufmerksam. Wenn er sich beispielsweise ungefähr zehn Stunden von einem namhaften Gebirge entfernt befindet, so überschaut er dasselbe, und es liegt dann als ein bestimmtes Bild vor ihm. Nähert er sich dem Gebirge dann auf eine Stunde, so wird dasselbe gewisserart in seinen Verzweigungen auseinandergehen, und er wird nun eine Menge Vorberge und Gräben entdecken, welche in der Ferne mit einem Hauptberge nur eine Fläche auszumachen schienen. Steigt er aber nun völlig auf den Berg selbst, so geht es ihm wie einem, der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht; denn da ist von der ersten Ansicht nahe keine Spur mehr zu entdecken. Ich meine, durch eine nur einigermaßen aufmerksame Betrachtung dieses Beispieles werden uns die drei verschiedenen Ansichten unserer Gesellschaft vollkommen klar werden. Aber nun fragt ihr und sagt: Solches alles ist ja richtig; aber was hat es denn mit dieser Gesellschaft noch für eine oder die andere Bewandtnis? Wessen Geistes Kind ist sie? Wir können solches nicht aus dem Benehmen dieser Wesen herausbringen; denn ihr ganzes Tun und ihre Sprache gleichen mehr einer Pantomime als irgendeiner Konversation, aus verständlichen Worten bestehend.


07] Ich sage euch: Das ist ja eben klar. Ihr müßtet wirklich noch sehr blind sein, wenn ihr solches nicht erraten solltet, wie das ist, woher und wohin. Seht, das ist eine Gesellschaft aus lauter großen, weltsüchtigen und eigennützigen sogenannten Staatsbeamten, die ihr Amt nur zum eigenen Besten, aber nicht zum Besten des ganzen Staates und dessen Bürger verwalteten.

08] Diese Menschen taten auf der Welt überaus höflich und freundschaftlich miteinander; es wußte aber dessen ungeachtet ein jeder auf eine ganz feine Weise sich vor dem andern geltend zu machen. Keiner aber traute dem andern und fand daher notwendig, ihn durch allerlei Schleichwege so zu halten, daß der andere nicht viel Geheimnis haben konnte vor seinem Nachbar. Was ist aber solch eine eigennützige Freundschaft und ein solch fein beabsichtigtes Hofmachen anderes als eine freche Koketterie, welche an und für sich nichts anderes als eine Wurzel oder ein Same zur eigentlichen Hurerei ist. Denn also wirft auch eine habsüchtige und wollüstige Hure einem Manne freundliche und viel versprechende Blicke zu, um ihn in ihr Netz zu locken und dann von ihm etwas zu bekommen. So trägt auch ein Geier eine Schildkröte in die Höhe, um dann durch ihren Fall eine gute Freßbeute zu gewinnen.

09] Solche Menschen nützen dann dem Allgemeinen gar wenig, und sie selbst sind dabei durch eine überwiegende List der andern auch eben nicht am vorteilhaftesten daran. Ja, solche Menschen gleichen noch den Spielern, die sich abends freundlich und brüderlich besuchen und gegeneinander voll Artigkeit sind. So sie sich aber zum Spieltische setzen, da möchte sich keiner auch nur das Allergeringste daraus machen, wenn sein Mitspieler Haus und Hof an ihn verspielen würde.

10] Ihr sagt hier: Aber liebster Freund, das sind ja doch offenbar böse Menschen; wie kommen denn diese daher, da sie nicht verloren sind? Ich sage euch: Ihr urteilt hier zu grell; möchtet ihr denn nicht einen Unterschied machen zwischen den gewalttätigen Dieben und den sogenannten armen Gelegenheitsdieben? Seht, das ist auch unsere Gesellschaft. Ihre Stellung in der Welt hat ihnen gewisserart ein staatlich politisches Recht eingeräumt, also zu handeln, und sie sind auch überzeugt, daß sie vollkommen ihrem Berufe gemäß gehandelt haben.

11] Hier im Reiche der Geister aber wird dem Menschen niemals eine Handlung als verdammlich angerechnet, so er dieselbe mit einem sein Gewissen nicht beunruhigenden Rechtsgefühle vollzogen hat, und dieses war auch bei diesen Menschen der Fall. Bei ihnen ist nichts eine volle Wirklichkeit, weder das Gute noch das Arge, sondern alles ist gewisserart nur eine politische, mehr oder weniger pfiffige Komödie. Aus diesem Grunde sind sie auch hier, damit in ihnen all das Nichtige und Falsche verzehrt werde. Wenn solches, freilich wohl mit äußerst langsamem Fortschritte, bewerkstelligt wird, dann erst werden sie aus dieser Gegend ausgeboren und kommen in die Täler rechts im Hintergrunde, wo wir unseren Stoiker haben kennengelernt.

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