Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 112. Kapitel: Jesus über den Zweck von Krankheiten.

01] (Jesus:) »Betrachte du abermals einen Menschen auf dieser Welt, der eine ganz kernfeste Leibesgesundheit besitzt! Weil der Mensch aber eben gar so gesund ist, so mißbraucht er diese durch allerlei seine Sinne ergötzende unmäßige Genüsse und unnötige Kraftanstrengungen.

02] Es kommen wohl recht erfahrene Menschen zu ihm und sagen: "Freund, Freund, mißbrauche nicht so sehr deine Gesundheit, - denn die ist durch eine solche unnatürliche und unvernünftige Lebensweise bald und leicht dahin; und ist sie einmal dahin, so bringt sie dir kein Arzt und keine Arznei völlig wieder, und du bleibst dann ein siecher und sehr leidender Mensch dein Leben lang!" - Der gesunde Mensch aber kehrt sich nicht danach, sondern tut nach wie zuvor.

03] Nach etlichen Jahren aber verfällt er in eine recht arge Leibeskrankheit und wird anfangs ganz toll über diese ihm über alles lästige Krankheit. Er läßt Ärzte kommen, und diesen gelingt es, ihn wieder zu heilen, wenn auch nicht vollkommen, so doch ganz erträglich. Die Ärzte sagen ihm aber nach der Heilung ganz ernstlich: "Freund, sei nun vernünftig, und verfalle nicht in deine alte Lebensweise, ansonst verfällst du abermals in eine noch um vieles ärgere Krankheit, denn diese jetzt war, aus der wir dich mit genauester Not gerettet haben, und es wird dir dann schwerer zu helfen sein denn diesmal!"

04] Der Geheilte beachtet diesen Rat wohl eine Zeitlang: aber dann wandelt ihn wieder von neuem die Begierde an. Er fängt wieder an, unordentlich zu leben; und ob er auch schon ganz bedeutende Mahnungen zum abermaligen starken Krankwerden verspürt, so kehrt er sich dennoch nicht daran und sündigt fort gegen seine schon ohnehin sehr geschwächte Natur.

05] Er verfällt denn auch notwendig in eine noch ärgere Krankheit und bekommt unsägliche Schmerzen. Die Ärzte kommen abermals und versuchen, ihn zu heilen. Aber diesmal will es ihnen nicht so bald gelingen, und sie ermahnen ihn zur Geduld; denn da er ihren Rat nicht befolgt hatte, so muß er es sich nun selbst zuschreiben, daß er durch seinen alten Leichtsinn in ein viel ärgeres und länger währendes Übel verfallen ist.

06] Dieser Mensch muß nun über ein Jahr hindurch leiden und wird ganz schwach und voll Zagens; aber nach einem Jahre wird es wiederum etwas besser mit ihm, und er schwört nun bei allem, was ihm heilig ist, den Rat der Ärzte und auch anderer kluger und erfahrener Menschen niemals mehr in den Wind zu schlagen.

07] Ja, diese zweite, sehr bittere Erfahrung hat den Menschen schon um ein bedeutendes klüger und behutsamer gemacht, und er kommt wieder zu Kräften. Wie er aber wieder sich ganz wohl fühlt, so denkt er bei sich: "Ei, wenn ich ein einziges Mal nur mir eine alte Freude gönne, so wird mir das doch sicher nichts machen!" Er tut das wohl nur einmal und kommt dabei wohl noch mit heiler Haut davon. Aber weil er diesmal mit heiler Haut davongekommen ist, so denkt er sich abermals: "Nun, weil mir das nichts gemacht hat, so wird es mir ein zweites und drittes Mal auch sicher nichts machen!" Und er sündigt ein zweites, drittes und auch viertes mal.

08] Und siehe, die alte Krankheit wirft ihn abermals auf etliche Jahre derart ins Bett, daß ihm kein Arzt mehr so wie das erste und zweite Mal zu helfen vermag.

09] Nach vier langen Jahren bittersten Leidens wird es ihm mehr durch die Angewöhnung ans Leiden denn durch die Arzneien leichter, und er sieht es erst jetzt ein, daß all sein großes Leiden eine Gnade Gottes war, durch die er von all seinem Leichtsinn ist insoweit geheilt worden, daß er dadurch doch seine Seele reiner und Gott wohlgefälliger hat zeihen (heranbilden, erziehen) können; denn durch die Leiden des Leibes wird die Seele des Menschen demütiger, geduldiger und ernster und gewinnt an der Kraft, um der Sinne des Fleisches Meister zu werden.«



Home  |    Index Band 10  |   Werke Lorbers