Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 62. Kapitel: Lärm vor dem Judenhaus.

01] Als wir alle noch am Tische saßen, da entstand draußen auf der Straße ein Lärm. Mehrere Arbeiter kehrten von ihrem Tagewerk nach Hause, sahen - was sonst bei diesen armen Juden nahe wohl niemals der Fall war - eben ihr Haus wohl erleuchtet und wollten nachsehen, was es in dieser Ruine gäbe, und riefen darum die ihnen bekannten Juden, daß sie zu ihnen herauskommen sollten und ihnen sagen, was da vorgefallen sei, darum die schlechten Gemächer gar so hell und festlich erleuchtet seien.

02] Ich aber sagte zum Hauptmann: »Gehe du nun hinaus zu diesen Lärmmachern! Sie werden dich alsbald erkennen und werden daraus auch sogleich innewerden, warum dies Haus nun also erleuchtet ist; und sie werden sich darauf auch gleich ganz ruhig verhalten, sich nach Hause begeben und nicht mehr fragen, warum dies Judenhaus nun so beleuchtet ist.«

03] Der Hauptmann tat das in Begleitung eines seiner Unterdiener.

04] Als er zu den Lärmern kam, sagte er ganz laut und voll Ernstes zu ihnen: »Was wollt ihr von den armen Juden, so ich mit ihnen zu tun habe und noch ein viel größerer Machthaber? Soll ich mir euretwegen in dieser Nachtzeit das Innere dieses Hauses etwa nicht erleuchten lassen?!«

05] Als die Arbeiter, die den Hauptmann sogleich erkannt hatten, solches vernommen hatten, da entschuldigten sie sich, daß sie das nicht gewußt hätten, baten ihn um Vergebung und gingen darauf ganz ruhig nach Hause. Doch ihren Leuten erzählten sie sogleich, was sie gesehen und erfahren hatten, und es entstand darauf viel Denkens und gegenseitigen Fragens und Vermutens, was etwa doch das zu bedeuten habe, daß der Hauptmann mit noch einem höheren Machthaber in dem elendsten Hause der Juden eingekehrt sei. Aber es getraute sich doch niemand aus der Stadt zum Hause der Juden hinzukommen, um nachzusehen, was es darin gäbe, und wir hatten Ruhe die ganze Nacht hindurch.

06] Als der Hauptmann mit seinem Unterdiener wieder zu uns kam, da erzählte er, wie er es gemacht hatte, und daß das gut gewirkt habe; nur fürchte er, schon am frühen Morgen von den sehr klagesüchtigen Griechen überlaufen zu werden, und wünsche, daß auch dies soviel als möglich verhütet werden möchte.

07] Sagte Ich: »Des sei du unbesorgt! Es wird sich auch morgen ein Mittel finden lassen, um die Neugierigen von diesem Hause fernhalten zu können. Da es nun aber schon ziemlich spät in der Nacht geworden ist, so wollen wir uns zur Ruhe begeben! Ich aber bleibe hier am Tische ruhen; wer aber ein Bett wünscht, der gehe in die vielen Ruhegemächer, und er wird dort der Ruhebetten in einer großen Anzahl antreffen!«

08] Alle aber, die an Meinem Tische sich befanden, zogen es vor, Mir gleich am Tische zu verbleiben bis zum Morgen; nur die Juden blieben nicht an ihrem Tische, sondern begaben sich in ihre alten Zimmer, die aber nun auch ganz umgestaltet waren. Wir ließen die Lampen die ganze Nacht fort brennen und die Gemächer beleuchten, auf daß sich irgendwelche Neugierige zu fürchten anfingen ("zu fürchten anfingen" ist im Manuskript Lorbers von fremder Hand ergänzt), die es doch ganz leise gewagt hatten, sich in der Nacht dem Hause der Juden zu nähern, um etwa so nur aus einer gewissen Ferne zu erlauschen, was in dem Hause vor sich gehen möge. Aber als sie der Lichter gewahr wurden, da getrauten sie sich nicht dem Hause zu nahen, aus Furcht, entweder vom Hauptmann selbst oder von einem seiner Diener entdeckt und darauf bestraft zu werden.



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