Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 11. Kapitel: Bedenken des römischen Hauptmanns gegen die Göttlichkeit Jesu.

01] Hier setzte sich der Hauptmann wieder auf seinen Stuhl und fragte in römischer Zunge seine beiden Unterdiener, was denn sie nach allem dem, was sie vernommen hätten, über Mich für einer Meinung wären.

02] Sagte einer: »Da ist für uns schwer, ein Urteil zu fällen! Von der sonderbaren Macht seines Willens haben wir da oben in der Luft die Erfahrung gemacht, und wir bedürfen keines andern Beweises, daß in diesem Manne eine göttliche Kraft wohnen muß, ansonst er uns sicher nicht ohne alle sichtbaren Mittel hätte in die Luft erheben und dann in derselben halten können. Wir sind aber alle schon zu sehr von dem Glauben an ein allmächtiges Gottwesen abgekommen, da es sich mit unsern Göttern als eine nur zu handgreifliche Nullität vor jedes denkenden Menschen Sinnen und Verstand erweist; und nun sind wir auf einmal an einen reellen Gott in der Gestalt eines Menschen gestoßen und wissen nun nicht, was wir von ihm halten sollen. Ich aber meine: Das läßt sich nicht so mit einem Schlag begreifen.

03] Wir aber haben von diesem Manne schon in Bethlehem und auch um Jerusalem vieles vernommen und haben uns gedacht, daß er entweder selbst ein Gott sein könne oder ein selten großer Magier, wie solche etwa aus der Schule der Essäer hervorgehen. Aber das, was wir hier nun selbst erfahren haben, geht sehr weit über unsere früheren Mutmaßungen. Da hört alle Magie auf, und eine ersichtlich göttliche Kraft und Allmacht tritt da unaufhaltsam an ihre Stelle!

04] Dazu kommt erstens die treue Erzählung seiner Mutter über seinen leiblichen Eintritt in diese Welt und sein Leben, und daß er nie in irgendeiner Schule etwas zu erlernen nötig hatte, da er schon mit der höchsten Weisheit ausgerüstet in diese Welt gekommen sei, und zweitens, was er nun von sich selbst aussagte, - und ich für mich kann nun wahrlich nicht umhin, ihn im vollen Ernste für das zu halten, als was er sich selbst vor uns, wennschon in einer für uns Römer nicht verständlichen Weise, darstellte, und was auch jener Mann, mit dem du ehedem sprachst, von ihm aussagte. Das ist so meine Meinung, und ich glaube, daß ich mich nicht werde geirrt haben.«

05] Sagte der Hauptmann: »Ich will dir im ganzen nicht völlig unrecht geben; aber einige gewichtige Bedenken habe ich dagegen doch im Hintergrunde; löst der Mann mir diese, dann will ich auch deiner Meinung werden und bleiben.«

06] Hierauf wandte sich der Hauptmann wieder an Mich und sagte: »Großer Herr und Meister, ich bin nun beinahe daran, Dich für das anzunehmen, als was Dich alle diese Deinen angenommen haben; aber es liegen dagegen dennoch einige bedeutende Bedenken in mir. Sind diese gelöst, so bin auch ich gewonnen.

07] Diese meine Bedenken aber bestehen darin: In Dir wohnt also im Ernste die Fülle eines allein wahren Gottes!? Wenn also, - warum ließest Du denn die zahllos vielen Menschen so lange auf Dich warten?

08] Du sagst, daß nur die gewissen Deinen, die an Dich glauben, Dich lieben und Deine Gebote halten, das ewige Leben in Deinem Gottesreiche überkommen werden. Wenn also, und wenn durch die Macht Deines ewigen Wortes das alles, was da ist, erschaffen wurde und sicher auch alle Menschen, die jemals leider lebten, ohne Dich zu kennen - was nicht ihre Schuld sein konnte -, was wird dann mit jenen Menschen sein, die Dich nie haben erkennen können? Wie wird es mit ihrem ewigen Seelenleben in Deinem Gottesreiche aussehen? Denn sie konnten an Dich nicht glauben, Dich nicht lieben und auch Deine Gebote nicht halten, weil sie von Dir keine Kunde haben erhalten können.

09] Siehe, das sind meine wohlbegründeten Bedenken! Wolle sie mir lösen, und ich will dann auch fest an Dich glauben, Dich lieben mehr denn einer der Deinen und Deine Gebote halten; denn ich bin ein echter Römer und kein Grieche, dessen Treue keine Haltbarkeit hat! Aber ich bin auch ein Mensch, der nicht so leicht etwas annimmt und glaubt, das nicht als eine diamantfeste Wahrheit mir durch unumstößliche Beweise erwiesen wird. Löse mir sonach meine Zweifel!«



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