Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 76


Jesus über die Ursachen des Verfalles der Menschen. Theokratie und Königtum. Endzeit und Gericht.

01] Sagte Ich: ”Denke nach, was Ich darüber schon gesagt habe; vor allem aber sind der Hochmut, die Trägheit, die Selbstliebe und die daraus erwachsene Herrschsucht die Ursachen solch eines Verfalles der Menschen.

02] Schon zu den Zeiten Samuels sind die Menschen träger und arbeitsscheuer geworden. Sie fingen an, sich vor gewissen Arbeiten zu schämen und ließen solche nur von gewissen gedungenen Knechten und Mägden verrichten. Die reichen Besitzer legten ihre Hände in den Schoß und ließen die anderen für sich arbeiten. Wer für sie am meisten gearbeitet hatte, der bekam auch den bessern Lohn, was denn auch recht war; aber bei dieser Gelegenheit haben sich nach und nach aus den Besitzern eine Art kleiner Herrscher gebildet, die durchaus keine noch so kleine knechtliche Arbeit in ihre Hände nehmen wollten, sondern sie befahlen nur den Knechten und Dienstmägden eine Arbeit, selbst rührten sie diese aber auch nicht mit einem Finger an.

03] Wie die Eltern waren, so wurden auch ihre Kinder, nämlich träge, selbst- und herrschsüchtig. Sie lernten befehlen über die Dienenden, aber ihre zarten Hände wollten sie nimmerdar besudeln mit einer knechtlichen, gemeinen Arbeit. Diese Unart wuchs bei den Menschen von Jahr zu Jahr und erreichte nur zu bald jene Stufe, auf der der ohnehin schon so wohlgenährte Hochmut keine hinreichende Sättigung mehr fand. Er, der Jude, blickte wehmütig auf den Glanz und auf die großen und hohen Würdenträger der heidnischen Völker, und unter einem Könige sah er eine der allerhöchsten Menschenehren und höchsten Würden. Kurz er wollte auch einen weltlichen König haben und war nicht mehr zufrieden mit der reinsten Herrschaft Gottes durch Seher und Richter!

04] Als das Volk, gegen alle guten Ermahnungen der Seher sich sträubend, von Samuel dennoch einen König verlangte, da trug der fromme Diener Gott das Begehren des törichten Volkes vor, da er aus sich nicht wußte, was er tun sollte.

05] Da sprach Jehova zu ihm: "Sieh, zu allen Sünden, die dieses Volk schon vor Meinem Angesichte begangen hat, begeht es nun auch diese größte: daß es einen König verlangt! Gehe hin und salbe den größten Mann aus dem Volke! Dieser wird es züchtigen für seinen an Mir begangenen Frevel."

06] Siehe, das sind, ganz kurz zusammengedrängt, die Worte Jehovas auf das arge Begehren des Volkes! Die Folgen des dadurch stets mehr und mehr genährten Hochmuts des Volkes kannst du zum Teile lesen in dem Buche der Könige und in der Chronik, allwo in Kürze die schönen Geschichten aufgezeichnet sind, - zum größten Teile aber hast du sie nun eben vor deinen Augen.

07] Freund, nur in der wahren Demut liegt der Weg zum inneren Leben der Seele! Wer aber besitzt nun diese? Siehe, nicht einmal ein Diener seines Herrn; denn er bemißt sich den Dienern der andern Herren gegenüber nach der Ehre und nach dem Ansehen seines Herrn! Ist diese irgend um einen Grad höher denn die eines andern Dieners Herrn, so wird des geringern Herrn Diener schon gleich mit Verachtung angesehen, und es werden zwischen beiden wenig Worte gewechselt.

08] Ich sage es dir: Solange nicht die wahre, reine Liebe und die ihr entsprechende Demut die Völker ordnen und leiten wird, so lange auch wird es im allgemeinen finster sein auf der Erde. Daß es immer einzelne geben wird, die im Lichte sein werden, das ist sicher und gewiß, aber deren wird es stets nur wenige geben. Denn solange es weltgroße und über alle Maßen stolze und ruhmsüchtige Herrscher in der Welt geben wird, so lange auch wird in allen Schichten der Menschheit der Same des Hochmuts und der Mitherrschgier fortwuchern, und es werden Nacht, Finsternis, Selbstsucht, Neid, Geiz, Verfolgung und Verrat als die wahren Elemente der Hölle vom Boden der Erde nicht weichen bis zu einer Zeit des großen Gerichts, in der Ich die Erde von neuem durchs Feuer reinigen werde. Nach solcher Zeit wird kein König mehr herrschen über ein Volk der Erde, sondern allein das Licht Gottes. Im Fleische werdet ihr jene Zeit nicht erleben, wohl aber hell und überklar im Geiste in Meinem Reiche.“

09] Sagte der Wirt: ”Herr, wann nach der Anzahl der Jahre wird jene glückliche Zeit kommen?“

10] Sagte Ich: ”Darum weiß allein der Vater, und nach Ihm weiß es nur der, dem es der Vater wird offenbaren wollen. Mir hat es bis jetzt Mein Vater noch nicht geoffenbart, außer das, daß solches geschehen wird. Das aber könnt ihr alle als völlig wahr annehmen, daß nämlich b nahe alle zweitausend Jahre auf der Erde eine große Veränderung vor sich geht. Und so wird es auch, von jetzt an gerechnet, werden. - Doch nun von dem nichts mehr weiter!“ (a Markus.13,32; jl.ev04.252,01-04; jl.him2.066,05 ff.; jl.gso1.051,21 f. ***;  jl.ev06.144,14 jl.ev06.242,13jl.gso1.074,14-17 jl.ev06.242,13 Lukas.21,33; Apostelgeschichte.01,07; jl.ev08.049,06; b jl.ev06.174,07-08; jl.ev08.162,04-06)

11] Sagte der Wirt: ”Herr, wenn es Dir genehm wäre, so dürfte nun das Morgenmahl wohl schon ganz bereitet sein!“

12] Sagte Ich: ”Nun, so gehen wir denn hin und nehmen es ein!“

13] Darauf gingen wir heim, allwo das Morgenmahl schon unser harrte. Die zurückgebliebenen Jünger fragten uns, wo wir denn gewesen wären, daß sie uns nicht hätten finden können.

14] Ich aber sagte: ”Wir waren gerade dort, wo wir waren, und ihr suchtet uns aber dort, wo wir nicht waren, und darin liegt der ganz einfache Grund, demzufolge ihr uns nicht gefunden habt. Nun aber essen und trinken wir!“

15] Es ward darauf das Morgenmahl eingenommen, und während des Essens bemerkte ein Judgrieche, daß Meine Antwort auf ihre Frage denn doch etwas sonderbar geklungen hätte, und sie wüßten nicht, wie sie dieselbe deuten sollten.

16] Da sagte Ich zu ihnen: ”Gerade also, wie Ich sie euch gegeben habe! Wenn ihr tiefer darüber nachdenken wollt, so werdet ihr auch eine große geistige Wahrheit darin finden.“

17] Sagten die Jünger: ”Das wird etwas schwer sein; denn das scheint nichts als eine ganz gute Wortstrafe für unser vorwitziges Fragen zu sein!“

18] Sagte Ich: ”Oh, mitnichten! Ich will es euch aber sagen, was darin liegt, und was Ich damit habe sagen wollen. Und so hört Mich denn an!

19] Wahrlich, die Mich nicht dort suchen, wo Ich bin, die finden Mich nicht und werden Mich auch nicht finden. Es werden Mich mit der Zeit noch gar viele suchen und nicht finden! Es werden Zeiten kommen, in denen gar viele falsche Propheten und Messiasse aufstehen und zu euch sagen werden: "Siehe, hier ist der Gesalbte!" oder "Dort ist er!" Aber all denen glaubt es nicht, denn wo sie angeben werden, daß Ich zu finden sei, da werde Ich gerade am allerwenigsten und schon eigentlich gar nicht und nimmer zu finden sein. Wer Mich suchen wird in irgend etwas, das nur im geringsten nach einer Welttümlichkeit riecht, der wird Mich nicht finden, sondern nur der, welcher Mich in der wahren Liebe, Demut und Selbstverleugnung suchen wird, der wird Mich auch sicher allzeit und allenthalben finden.

20] Ihr aber seid darum ein wenig ärgerlichen Gemütes hinausgegangen, Mich zu suchen, dieweil Ich euch zuvor nicht angezeigt habe, wohin Ich Mich heute morgen vor dem Mahle begehen werde. Und seht, das war fürs erste nicht der rechte Ort, geistig in eurem Gemüte Mich zu suchen daselbst, und es konnte darum fürs zweite auch der rechte Ort äußerlich nicht gefunden werden, allwo Ich Mich befand!

21] Es hat aber das nun keinen Bezug auf euch gegen Mich, sondern Ich zeigte euch das nur in einem Bilde, wie die Sache dereinst werden wird. Daher soll, Mir gleich, denn auch ein jeder rechte Lehrer bei jeder Gelegenheit seine Worte also stellen, auch bei den geringfügigsten Sachen, daß sie als eine Grundlage zu einer neuen, wichtigen Lehre dienen mögen. Denn wahrlich sage Ich euch: Im Reiche der Geister, die da rein sind vor Gott, werdet ihr auch für jedes eitel leere Wort Rechnung legen müssen und vor dem reinen Lichte der Wahrheit aus Gott zuschanden werden!“

22] Diese Worte mundeten den Jüngern gerade nicht sehr angenehm; aber sie zeichneten solche dennoch ganz tief in ihr Gemüt.



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