Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 48


Mathaels Rede über Gesetz und Liebe.

01] Sagt Mathael: ”Oh, noch etwas, und dieses Etwas ist von ziemlicher Bedeutung!

02] Kostet es euch einen Zwang und tut ihr es gewisserart nicht absonderlich aus Liebe, dann lasst es fein bleiben und tut unterdessen, was ihr aus Liebe wollt; denn was ein Mensch nicht ganz aus Liebe tut, das hat für sein eben wenig Wert, denn die Liebe ist ja das eigentliche Element des Lebens, sie ist das Urgrundleben selbst.

03] Was demnach die Liebe ergreift, das ist vom Leben ergriffen und geht ins Leben über; was aber von der Liebe unberührt bleibt, und was der Mensch bloß darum tut, weil er entweder eine üble Folge befürchtet, oder weil sein bißchen Hochmut es haben will, um bei den andern Menschen als Weiser zu gelten, das geht nicht ins Leben über, sondern in den Tod nur, weil es statt vom Lebenselemente nur von dem Element des Todes ergriffen worden war!

04] Ich sage es dir: Jedes noch so weise Gesetz gebiert nicht das Leben, sondern den Tod, wenn der Mensch es nicht aus seiner Liebe heraus beachtet; und der weiseste Rat gleicht einem Samenkorn, das statt in das gute Erdreich auf einen Felsen fiel, wo es verdorrt und am Ende unmöglich eine Frucht bringt.

05] Ich sage es euch, weil ich es sehe, dass es also ist: Alles im Menschen ist tot bis auf die Liebe! Darum lasst eure Liebe walten in der Fülle über euer ganzes Wesen und fühlt Liebe in jeder Fiber eures Wesens, so habt ihr den Sieg über den Tod in euch, und was in euch tot war, ist durch eure Liebe in derselben ins unverwüstliche Leben übergegangen; denn die Liebe, die sich selbst fühlt und aus solchem Gefühle heraus auch erkennt, ist das Leben selbst, und was in sie übergeht, das geht auch ins Leben über!

06] Die noch so genaue Befolgung meines Rates würde euch wenig nützen, so ihr ihn nur des Gewichtes seiner Wahrheit wegen beachten würdet, und weil ihr aus der Nichtbeachtung irgendeine schlimme Folge befürchten müßtet; aber solch eine Beachtung würde für eure Seelen dennoch von gar keinem Nutzen sein. Ah, ganz etwas anderes ist es, so sich Liebe und Wahrheit ergreifen und dann zusammenwirken; da schafft die Liebe aus dem Lichte und im Lichte der Wahrheit stets ein neueres und vollkommeneres Leben in und aus sich bis zur vollen Gottähnlichkeit hinüber!

07] Die Liebe oder der Geist Gottes im Menschen ist wohl schon vom Anfange her ein Ebenmaß Gottes; aber zur vollen tätig-lebendigen Ähnlichkeit Gottes muß sie sich erst erheben auf dem Wege, den ich euch nun gezeigt habe. - Versteht ihr solches?“

08] Sagt Suetal, nun ganz heiteren Aussehens: ”Bei Gott, dem Allmächtigen! Du bist wahrlich einer der größten Propheten; denn so wahr, so verständig und so weise hat noch kein Prophet zu seinem Volke geredet! Das Leben hast du wahrlich im kleinsten Finger um vieles vollkommener denn wir alle zusammen im ganzen Leibe oder eigentlich in unseren Seelen zusammengenommen. Ja, ja, es ist also, Brüder! Aus Mathael spricht wahrhaft ein göttlicher Odem, und wir können Gott nie zur Genüge danken, dass Er uns so wunderbar, könnte man sagen, zusammengeführt hat! Oh, wenn aber schon deine Weisheit gar so entschieden größer ist denn die unsrige, wie groß muß erst jene des uns noch unbekannten Heilandes aus Nazareth sein?!“

09] Sagt Mathael: ”Was leuchtet wohl so wunderhell aus einem an einer Grasspitze hängenden Tautropfen?

jl.ev03.048.10] Seht, es ist das Bild der Sonne, das aus dem klaren Tropfen so wundersam hell schimmert! Aber das Bild der Sonne schimmert nicht nur, es wirkt auch! Im Zentrum des Tropfens verdichtet sich das Licht des Sonnenbildes, der Tropfen geht in seinem Zentrum in eine große Lebenswärme über, löst sich in dieser Lebenswärme selbst am Ende ganz in das Element des Lebens auf und belebt also das mit dem Tode ringende Pflänzchen; aber darum ist das Bild im Tropfen noch lange nicht die Sonne selbst, sondern nur ein Ebenbild derselben, versehen mit einem Teilchen derselben Kraft und Wirkung, welche in der wirklichen, großen Sonne selbst zu Hause ist!

11] Und siehe, solch ein Unterschied ist denn auch zwischen mir und dem Heiland aus Nazareth! Er ist die Lebenssonne selbst, und in mir als einem Tautröpfchen waltet nur wundersam hell das kleine Abbildchen jener ewigwahren, großen Sonne, aus der zahllose Myriaden solcher Tröpfchen, wie wir, ihre heilige Lebensnahrung saugen. - Verstehst du solches?“

12] Spricht Suetal: ”O Gott, ist das eine heilig-große Sprache! Freund, du bist schon mehr denn ein Tropfen, du bist ein ganzes Meer! Oh, so weit werden wir alle es nie bringen; es ist zu ergreifend groß, heilig und erhaben! Aber bei solchen Umständen und zu sehr göttlichen Verhältnissen getrauen wir als noch gar zu grobe Sünder uns nicht, hier zu verweilen; denn dieser Ort fängt an, stets heiliger und heiliger zu werden!“

13] Auch die andern elf fangen darauf an, eine sehr demütige Sprache zu führen, und wollen sich auch irgend weiter von da wegziehen; aber Julius läßt solches nicht geschehen.

14] Suetal aber sagt: ”Herr, als einst Moses auf dem Berge zum flammenden Dornbusche ging, um zu erfahren, was das sei, da sprach eine helle Stimme aus der Flamme: 'Moses, ziehe aus deine Schuhe; denn der Ort, da du stehest, ist heilig!' Hier ist nach der handgreiflich klaren Aussage das, was Moses auf dem Berge antraf; also ist auch dieser Ort heilig, und wir Sünder sind nicht wert, ihn zu betreten!“



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