Kurt Eggenstein: 'Der Prophet Jakob Lorber verkündet bevorstehende Katastrophen und das wahre Christentum', II. Teil
Zusammenfassung: War Jesus lediglich ein Prophet, Zauberer, Essener, Sozialrevolutionär, Aufstandsführer? Existierte er evtl. gar nicht? Fehlschlüsse der historisch-kritischen Bibelforschung. Vergleiche der Offenbarungen durch Prophet Jakob Lorber (1800-64) damit. Aussagen von Zahrnt, A. Schweitzer, G. Bornkamm, F. Overbeck
Die Modernisten-Enzyklika Pius' X. (1907) hatte bis Mitte unseres Jahrhunderts bei Strafe der Exkommunikation jede freie historische Bibelkritik
durch katholische Gelehrte unmöglich gemacht. Die diesbezüglichen Veröffentlichungen trugen ausschließlich apologetischen Charakter.
Die unabhängigen Forscher betreiben demgegenüber seit fast 200 Jahren
die historische kritische Bibelforschung. Es wurde viel Geistesschärfe aufgewendet, um die Lehre Jesu gedanklich durchsichtig zu machen und die
nachträglich im Evangelium vorgenommenen willkürlichen Veränderungen
des Textes herauszufinden.
Vielen Autoren kann der gute Wille zur Wahrheitsfindung nicht abgesprochen werden. In andern Fällen ist jedoch der tendenziöse und oft polemische Charakter der Erörterungen unverkennbar.
Die
Wissenschaftler haben zwar richtig erkannt, daß das Evangelium nachträglich
verändert worden ist, aber sie sind bei der Ausmerzung der unechten Stellen
weit über das Ziel hinausgeschossen. Mit dem Unkraut haben sie viel gute
Frucht mit herausgerissen.
Die ins Extrem getriebene historische Kritik hat ihre Grenzen nicht erkannt,
so daß sie sich immer wieder selbst korrigieren mußte. Wenn Zahrnt darauf
hinweist, daß es schwierig sei, "mit Sicherheit zu entscheiden, was aus dem
nachösterlichen Glauben der Gemeinde stammt und was auf Jesus selbst
zurückgeht" 43, so ist ihm beizupflichten. Nicht folgen können wir ihm, wenn er
meint, daß "nur radikale Kritik zum Ziel führt" 44, und daß man auf diese Weise
"ein kritisch gesichertes Minimum erhält" 45
Was nämlich übriggeblieben ist bei dieser Methode, ist ein Trümmerhaufen
gesprengter Fundamente des christlichen Glaubens. Der Begriff "Christentum" ist umfunktioniert worden in etwas, was mit der Lehre Jesu und seiner Person nur noch wenig gemein hat.
Die Menschheit kann offenbar nur in
Extremen leben. Einerseits herrschte bis vor kurzem in der Kirche ein strenger
und enger Biblizismus, der die Unstimmigkeiten und Verfälschungen nicht
ruchbar werden lassen wollte, andererseits ist bei liberalen Forschern oft eine
geradezu herostratische Zerstörungslust festzustellen, die alles wie mit Säure
zerfrißt, so daß schließlich das ganze Evangelium in einen Mythos aufgelöst
wird.
Es wird nicht begriffen, daß man es beim Evangelium mit einem "neuen
literarischen Genus" zu tun hat, und daß man bei Jesus nicht die gleiche
analytische Methode anwenden kann wie bei einer Biographie historisch
bekannter Gestalten, wie Alexander d. Gr. oder Napoleon.
Aus den Texten des Evangeliums kann man alles und nichts beweisen, wenn
man sie einseitig auswählt und alle Stellen, die der aufgestellten Hypothese
widersprechen, als unechte Interpolation erklärt.
Diese willkürliche Art der
Exegese wurde von einigen Autoren - wie in einem späteren Kapitel zu zeigen
sein wird - in geradezu frevelhafter Weise praktiziert.
In vielen Aussagen der
Heiligen Schrift sah man nur Aberglauben, weil die Forscher für die
metaphysische Tiefe der Heilsbotschaft blind waren. Zudem versuchten
Fanatiker, sämtliche WunderJesu auf natürliche Weise zu erklären, weil nicht
wahr sein konnte, was nicht wahr sein durfte.
Der Standpunkt der extremen
Kritiker des 19. Jahrhunderts, daß Jesus überhaupt nicht existiert hat, wird
heute von fast keinem Gelehrten mehr geteilt.
Im Laufe der Zeit wurde ein Konglomerat von Hypothesen aufgestellt, so
daß es - wie Albert Schweitzer sagt - so viele Meinungen wie Professoren
gibt.
Jesus wurde zum Propheten, guten Menschen, religiösen Lehrer, zum sittlichen Vorbild, zum Essäer, Gammler, Narren, Sozialrevolutionär und zum
Aufstandsführer gegen die römische Besatzungsmacht gemacht. Nur das, was
er wirklich war, der Gottessohn und Erlöser, wird nicht zugegeben.
Am 30. Oktober 1842 wurde Lorber hierzu gesagt: "Was alles haben die
Menschen schon aus Mir gemacht! Wie oft wurde Ich (bereits zu Lebzeiten,
d. Vf.) ein Betrüger, Volksaufwiegler, Faulenzer, Vagabund, Sonderling, Narr,
Zauberer, ja sogar ein Diener Beelzebubs genannt. Selbst in dieser Zeit ( 19. Jh.
und später, d. Vf.) geht es Mir auf Erden um kein Haar besser." (Hi II S. 1337)
Zwar wurden durch die Forschungen neue Erkenntnisse gewonnen, aber
ebensooft verfiel man neuen Irrtümern. Heute stimmen die Wissenschaftler in
der Meinung überein, daß die historisch-kritische Forschung kein brauchbares
Resultat erbracht hat. Günther Bornkamm - und er nicht allein - zieht das
Resumee: "Am Ende dieser Leben-Jesu-Forschung steht die Erkenntnis ihres
eigenen Scheiterns." 46
Die Kritiker haben nicht beachtet, daß "alles, was tief ist, die Maske liebt" 47,
und daß das Evangelium sowohl offenbart als auch verhüllt. "Die Wahrheit",
betont die NO",wird den Menschen dieser Erde nur verdeckt gegeben werden."
(Gr VI 204, 3)
Deshalb erklärte Franz Overbeck, die Schriften des Neuen
Testaments seien "besonders schutzbedürftig gegen Attentate ungewaschener
Subjektivität ihrer Auslger." 48
Der Text der Heiligen Schrift läßt sich nicht in der Weise sezieren, wie es die
liberalen Kritiker während langer Zeit getan haben. In der NO finden wir zu
diesem Problem eine sehr bemerkenswerte Kundgabe: "Wer durch pure Beobachtungen und nach den Urteilen seines Weltverstandes zur inneren, wahren
Weisheit des Geistes aus Gott gelangen will, der irrt groß, gerät auf Abwege, die
voller Abgründe sind, in die er in der Nacht seines Geistes nur zu bald und
leicht fallen und sich gänzlich zugrunde richten kann." (Gr IX 100, 11)
Wenn
man an manche Vertreter der "Neuen Theologie" denkt, die sich als wahre
"Partisanen des Atheismus" (Kahl) betätigen, dann erkennt man in dieser
erschreckenden Entwicklung die Bestätigung der Richtigkeit der Aussage der
Neuoffenbarung.
Nicht verschwiegen werden kann, daß auch bereits katholische Theologen von dem Ungeist der Zersetzung infiziert sind.
Eines dürfte unbestritten feststehen: Die wissenschaftliche Bibelkritik
festigte nicht den Glauben, sondern zerstörte ihn; zumindest wurden unzählige
Christen im Laufe langer Zeitläufe in zunehmendem Maße verunsichert.
Albert Schweitzer läßt keinen Zweifel offen über den Mißerfolg der liberalen
Bibelforschung, wenn er feststellt: "Diejenigen, welche gern von negativer
Theologie reden, haben es im Hinblick auf den Ertrag der Leben-Jesu-Forschung nicht schwer. Er ist negativ." 49
Diese sich seit zweihundert Jahren vollziehende Entwicklung ist für die
heutige Situation der Entchristlichung der Welt von eminenter Bedeutung, so
daß wir uns in einem späteren Kapitel mit den verschiedenen Theorien, die
zum Teil durch die Massenmedien verbreitet wurden und viel Unruhe und
Zweifel in die Herzen christlicher Menschen getragen haben, im einzelnen
eingehender befassen werden.
[Anm. d. Hg.: Ausführlicheres zum Thema:
Bibelkritische Forschungsergebnisse im Lichte der Neuoffenbarung