voriges Kapitel Jakob Lorber: 'Der Saturn' nächstes Kapitel


Kapitelinhalt 6. Kapitel: Kräuter und Nutzpflanzen des Saturn. Das Maiskorn, das rinnende Faß und der wandelnde Flaschenkürbis.

Originaltext 1. Auflage 1855 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text, Verseinteilung und Überschriften nach 4. Auflage 1969 Lorber-Verlag

01] Was also von den Gesträuchen bemerkenswerth war, haben wir hauptsächlich schon vernommen, und wollen daher jetzt uns zu den Kräutern und Pflanzen dieses Landes wenden.

02] Dieses Land gehört zu den gebirgigsten Ländern dieses Planeten, und somit hat es auch die größte Anzahl von den nützlichsten und heilsamsten Pflanzen und Kräntern aller erdenklichen Arten.

03] Dergleichen Pflanzen, wie zum Beispiel eure Feldfrüchte, als Korn, Weizen, Gerste u. s. w. sind, wachsen allhier nicht, aber dafür giebt es eine andere und viel edlere Getreidegattung, die beinahe also aussieht, als wie bei euch das Maiskorn, nur mit dem Unterschiede, daß die Pflanze um's 20- bis 30fache höher wächst, denn bei euch; und sind deren Blätter auch oft bei 2 bis 3 ½ Klafter lang, und gut bei 2 bis 3 ½ Ellen breit, haben eine vollkommen himmelblaue Farbe, an den Rändern eine Spanne weit mit hellem Carminroth verbrämt, und sieht die Mittelzeile, die ebenfalls eine Spanne, und so bis gegen die Spitze auf ein Zoll abnehmend breit - grünlich golden aus. Der Stengel, welcher unterhalb so dick wird, wie bei euch oft eine ausgewachsene Eiche, sieht zu unterst aus, als wie dunkel matt polirtes Gold, und je höher hinauf, desto heller wird auch seine Farbe; die Blüthenkrone, welche nicht selten Aeste von 1 bis 1 ½ Klafter Ausbreitung hat, sieht gerade also aus, als bei euch ein Luster aus dem schönsten brillant geschliffenen Krystallglase, und das darum, weil alldort Alles im vergrößerten Maßstabe vorkommt. So ihr aber bei euch eine Maisblüthe durch ein gutes Mikroskop beschauen möchtet, dürftet ihr beinahe dasselbe Brillantspiel des sonst weißlicht anssehenden Blüthenstaubes bemerken.

04] Was aber die Frucht dieser Pflanze betrifft, so gleicht sie zwar wohl der Form im vergrößerten Maßstabe der eurigen, aber nicht also dem Gebrauche und dem Geschmacke nach; denn alldort giebt diese Frucht den allerwohlschmeckendsten Leckerbissen, und gleicht in dieser Hinsicht mehr eurer sogenannten Ananas; nur mit dem Unterschiede, daß dort die einzelnen Körner sich gar wohl auslösen lassen, wenn die Frucht zur Reife gekommen ist, und dann auch alsogleich genoßen werden können, und sind nicht mehlig, sondern saftig, als wie bei euch eine Weinbeere. Eine von diesen Beeren hat nach eurem Gewichte berechnet nicht selten 2 bis 3 Pfund Schwere. Wenn auf einem solchen sogenannten Stritzel dann oft zu 3, 4 bis 500 solche Beeren sitzen, und eine einzige Staude aber oft alldort 20 bis 30 solche Stritzel zum Vorscheine bringt, so könnet ihr euch schon einen Begriff machen, wie reichlich oft eine solche Ernte aussieht;

05] aber wohin legen denn die Bewohner solche Ernte? Ihr habt schon die guten Gefäße beim Trichterbaum kennen gelernet; alldarin werden diese Beeren aufbehalten, ein Theil davon in Beeren selbst, und ein Theil als ausgepreßter Saft. Diese Frucht wächst viermal in einem Jahre, ist äußerst gesund und stärkend, und erquickt ihr Saft das Herz des Saturnusbewohners also und noch mehr, denn euch die Traube und ihr stärkender Saft.

06] Nach Abnahme der Frucht lassen die Bewohner das Stroh auf dem Felde so lange stehen, bis es ganz dürre geworden ist; alsdann lassen sie ihre großen Zug- und Lastthiere auf dem Acker, allda diese Pflanze dürre steht; diese Thiere fressen da das Laub, und die Stengel aber lassen sie unbeschadet stehen, welche dann von den Bewohnern mit einer eigenen Säge umgesäget werden, und werden dann kreuz und quer auf dem Acker Haufen gebildet, und hernach angezündet, durch welchen Akt dann der Acker auf das Allerbeste für eine fernere Fruchttragung gedünget wird.

07] Dieser Acker braucht einen feuchten Boden, wenn die Frucht gut gedeihen soll. Da es aber hier in diesem Lande, wie auch fast auf diesem ganzen gemäßigten Landstriche dieses Planeten nie oder nur höchst selten regnet oder thauet, und auch die Quellen auf dem Lande nicht eben zu häufig vorkommen, was thun da die Einwohner, und wie bewässern sie einen solchen Acker, der nach eurem Maße nicht selten eine Ausdehnung von 30 bis 40 Quadratmeilen hat? - Sehet, allda habe Ich schon wieder mit einer anderen merkwürdigen Pflanze dafür gesorgt, welche allda das mühselige Geschäft der Bewässerung gar vortrefflich besorget, welche Pflanze denn auch fleißig mitunter angebaut wird.

08] Diese Pflanze wird alldort das rinnende Faß genannt, und hat eine große Aehnlichkeit mit euren Feldkürbissen; nur mit dem Unterschiede, daß diese Kürbisse nicht selten eine solche Größe erreichen, daß ein Saturnus-Mensch zu thun hat, darüber hinweg zu sehen. Die Pflanze selbst wächst oft mehrere tausend Klafter weit auf der Erde klafterdick im Umfange fort. Und läuft von ihrer Wurzel in vielen hundert Armen nach allen möglichen Richtungen aus. Ihre Blätter sehen denen eurer Kürbisstaude völlig ähnlich, nur, daß sie um's Hundertfache größer sind, und ihre Farbe nicht grün, sondern ganz violetblau aussieht, und ist übersäet mit lauter silberweißen Sternen. Der Stiel ist 2 bis 3 Klafter lang, rund und im Durchmesser nicht selten mehrere Klafter betragend, und ist inwendig hohl; in den Wänden aber laufen viele tausend Röhrchen hinauf, welche für's erste das Blatt nähren mit einem süßlichten Safte, und zum Theile aber auch durch die vielfachen Poren der unterblattigen Spitzen als tropfbare Flüssigkeit hinaustreten, und dadurch unter sich das Erdreich, wie durch einen immerwährenden leichten Regen befeuchten; jedoch, was die Hauptbewässerung dieser Pflanze betrifft, so wird sie eigentlich von der Frucht bewerkstelliget, denn wenn diese zu ihrer halben Reife nur gekommen ist, so öffnet sie gerade in der Nachtzeit an ihrer Oberfläche befindliche Poren und über der Oberfläche eigens dazu gebildete Röhrchen, durch welche dann eine süßliche klare Flüssigkeit wie aus einen Springbrunnen weit und breit hinausgetrieben wird, wodurch dann das Erdreich jede Nacht eine regelmäßige und hinreichende Bewässerung empfängt.

09] Ihr werdet euch fragen: Aber woher nimmt denn diese Frucht dieses so reichliche Wasser? Da sage Ich euch, daß diese Frucht ein wahrer artesischer Brunnenbohrer ist; denn sie treibt ihre Wurzeln so weit und so tief hinab, bis sie zu irgend einem unterirdischen Wasserbehälter gekommen ist; allda saugt sie dann mit der größten Emsigkeit das sich selbst zusagende Wasser, und treibt und führt dasselbe als die bessere Wasserleitung, als wohlgeläutert nach allen möglichen Richtungen ihres äußeren schnell fortwachsenden Gebietes.

10] Hat denn aber diese Frucht bei der Bewässerung keinen andern Gebrauchszweck, als nur den der Bewässerung allein? Die Bewohner brauchen diesen Kürbis auch noch zu etwas Anderem. Wenn nun die Frucht zur Vollreife gediehen ist, alsdann wird sie von ihrem Stiele abgesägt und daheim gebracht; allda wird sie dann der Länge nach in der Mitte auseinander geschnitten, Same und das Fleisch wird dann aus ihr genommen, und der Same natürlich zur ferneren Ansaat, und das Fleisch zur Fütterung der dortigen Kühe, Schafe und Ziegen; die Schale aber, welche bei einer Klafter dick ist, wird dann getrocknet, dadurch sie eine große Festigkeit bekommt; wenn sie vollkommen getrocknet ist, so wird dann der untere Theil gewöhnlich zu einer Art Wasserfahrzeugen verwendet; der obere Theil, der da sehr röhrig und porös ist, aber wird als Wagen verwendet, und zwar auf eine höchst einfache Art.

11] es wird in der Mitte auf beiden Seiten ein Loch durchgebohrt, durch welches Loch dann dort eine wohlzubereitete verhältnißmäßig dicke und starke Räderspindel durchgesteckt wird, an deren äußeren beiden Seiten dann zwei verhältnißmäßige Räder angesteckt werden. Ebenso wird noch ein zweites Loch von vorne durchgebohrt, durch welches dann eine Zugstange bis zur Spindel, daran die Räder stecken, gesteckt wird; diese Zugstange wird dann mit einem Nagel mit der Radspindel befestigt, und vorne mit einem verhältnißmäßig langen und starken Querbalken versehen; und auf diese Weise ist dann der Wagen auch schon fertig, und das um so geschwinder, wenn ihr dazu noch annehmet, daß die Räder alldort nicht durch die Kunst der Menschenhände, sondern auch durch die Kunst der Natur hervorgebracht werden, und das zwar von einer und derselben Pflanze; denn dazu braucht es nichts mehr, als den vollkommen runden Stiel, eben dieses Kürbisses, so oft man will abzusägen, so hat man auch schon allzeit ein vollkommen festes und fertiges Rad in einem Durchmesser von 3 bis 4, oft auch 5 bis 6 Klaftern.

12] Wenn hernach an den Querbalken ein Ochs, oder für eine schnellere Fahrt ein dortiger Zughund oder Zughirsch angebunden wird, so ist ein ganzes Fuhrwerk so gut wie vollkommen fertig, und können dann in einem solchen Wagen sehr bequem vier Saturnusmenschen fahren, wohin sie nur immer wollen.

13] Diese Art Wägen wird allda freilich nur für leichteres Fuhrwerk gebraucht; denn auch sie haben noch viel größere und schwerere Wägen, welche sie künstlich aus dem Holze bauen, und so wie ihr die eurigen, auch sie die ihrigen fleißig mit einem sehr geschmeidigen und festen Metalle beschlagen, welches eurem Eisen nicht unähnlich ist; nur ist es viel gediegener und haltbarer, und rostet nicht also, wie das eurige, sondern behält immerwährend seine glänzende Oberfläche gleich dem Golde, und hat eine Farbe, wie bei euch das sogenannte Platina, welches Metall ist auch bei euch ein Gemisch von gediegenem Golde und gediegenem Eisen, welche Mischung also auf dem chemischen Wege freilich wohl schwerlich je ein Chemiker zu Wege bringen wird.

14] Und, nachdem wir jetzt diese zwei Pflanzen haben kennen gelernt, so gehen wir zu einer anderen alldort überaus lustigen und zugleich auch sehr nützlichen Pflanze über.

15] Diese Pflanze ist für euch so gut, als unerhört; denn auf der Erde giebt es durchaus nichts Aehnliches; denn das sogenannte wandelnde Blatt, welches im südlichen Amerika vorkommt, ist eigentlich keine Pflanze, sondern ist nur ein Thier. Die Pflanze auf diesem Planeten, die wir so eben betrachten wollen, aber ist in allem Ernste eine wandelnde, die da gleich einem Thiere sich von einem Orte zu dem andern bewegt. Die bewegende Kraft liegt in ihrer Wurzel, die da das Aussehen hat als ungefähr ein sehr unförmlich gebildeter Menschfuß, nur daß sie natürlicher Weise nicht etwa förmliche Zehen und irgend eine Ferse und so weiter zum Fuße Gehöriges besitzt; sondern das Ganze ist ein in einem rechten Winkel begonnener bei 10 Klafter langer Strunk, aus welchem nach allen Seiten eine Menge Fang- und Saugwurzeln auslaufen, welche sich fast also, wie die Krempen einer Weinrebe überall anfassen, nur mit dem Unterschiede, daß diese Wurzeln nur so lange auf einem Punkte der Erde alldort sich festhalten, so lange sie hinreichende Nahrung finden; haben sie auf einem Orte alle Feuchtigkeit aufgezehret, dann entwinden sie sich wieder aus der Erde, strecken sich weiter nach vorne aus, und das soweit auf der Erde hin, bis sie wieder auf einen feuchten Ort gekommen sind; allda bohren sie sich wieder fleißig in das Erdreich ein, umwinden die feuchten Erdschichten und andere Kräuter und Gräser, und ziehen durch dieses Umwinden die ganze Pflanze nach sich, durch welche Thätigkeit der Fußwurzeln dann eine solche Pflanze im Verlaufe von einem Jahre nicht selten eine Reise von mehreren Meilen nach eurer Rechnung und eurem Maße macht.

16] Wie sieht denn aber eigentlich die Pflanze selbst aus. Die Pflanze selbst hat einen 4 bis 5 Klafter hohen Stamm, der schon eine Klafter hoch Zweige und Aeste treibt, wovon einige Zweige nach allen Richtungen hinab zur Erde langen, und auf diese Art die ganze Pflanze vor dem möglichen Umfalle schützen. Diese Zweige sind gewöhnlich nackt und ohne Blätter; nur diejenigen, die dann aufwärts treiben, und in mannigfaltigen Krümmungen vom Stamme auslaufen, tragen Blätter, Blüthe und Früchte, welches alles so ziemlich eurer Weinpflanze ähnlich ist; nur ist das Laub viel größer und von hellblauer Farbe, deren untere Seite mit rothen Wärzchen übersäet ist. Die Frucht aber gleicht vollkommen derjenigen Gattung eurer Trauben, die ihr mit dem Namen: „die Gaisdutte" benennet habt; nur ist ihre Farbe nicht blau, sondern also gelb wie eine Orange; aber halbdurchsichtig, also wie bei euch die weißen Traubenbeeren. Der Unterschied liegt vorzüglich auch nur in der Größe, da eine Beere nicht selten nach eurem Maße eine Maß reinen Saftes und eine Traube nicht selten 50 bis 100 Beeren enthält, wie manche Pflanze oft zu 10 bis 20 solcher Trauben. Der Geschmack dieser Frucht aber kommt derjenigen Traube bei euch gleich, die ihr die Muscat-Traube nennt; nur muß diese bei euch zur vollsten Reife gelangen.

17] Sehet, das ist also diese merkwürdige Pflanze dieses Planeten, und hat dadurch einen großen Vorzug, weil sie durchaus keine Bearbeitung benöthigt, sondern sich selbst bestens bearbeitet und gedeihlichst versorgt. Damit aber bei den Einwohnern dieses Planeten keine Eigentumsstreitigkeiten hinsichtlich dieser sehr beliebten Pflanze dadurch entstehen, wenn diese ebenfalls ihren Marsch auf den Grund des Nachbars richten möchte (denn auch hier wird das Eigentumsrecht streng beobachtet), so pflanzen die Einwohner dieselbe meistens entweder in der Mitte ihrer Gründe, oder setzen sie um ihre Regenbäume herum, da sie dann ruhig stehen bleiben, und keine weiteren Bewegungen machen, so ihre Wurzeln mit Nahrung versehen sind; und wenn sie schon allenfalls dann und wann zu wandern genöthiget werden, sie dann nicht sogleich auf den nachbarlichen Grund überlaufen können, denn von der Mitte eines solchen Grundes dürfte es ihnen wohl ein wenig schwer werden, die weiten Grenzen desselben zu überschreiten, da, wie schon bemerkt wurde, ein solcher Saturnus-Bauerngrund nicht selten in der Ausdehnung die doppelte Größe eures Kaiserstaates übersteigt.

18] Den Saft verwenden die Einwohner gerade auch dazu, als ihr den Saft eurer Traube verwendet. Dieser Saft ist viel kräftiger noch, als derjenige, dessen schon früher erwähnt wurde, und wird auch nicht in den früher erwähnten Gefäßen aufbewahrt, sondern für die Aufbewahrung dieses Saftes wächst alldort eine eigene Flaschenfrucht, die nicht unähnlich ist derjenigen bei euch, welche euch ebenfalls brauchbare Gefäße als Frucht hervorbringt, dergleichen da vorzugsweise eure sogenannten Flaschenkürbisse sind; nur mit dem Unterschiede, daß diese Flaschenkürbisse daselbst euer Heidelberger Faß sicher zu Schanden machen würden, denn ein solcher Flaschenkürbiß, wenn er alldort vollkommen ausgewachsen ist, möchte wohl ganz bequem 1000 eurer Eimer in sich aufnehmen. Diese Flaschenkürbisse sind auch alldort außerordentlich fest, und hat ihre Wand einen Durchmesser bei einer guten halben, und zu unterst auch einer ganzen Klafter; wenn sie dann gehörig ausgeräumt sind, welche Arbeit alldort durch ein gewisses Thier verrichtet wird, so ist das Gefäß auch fertig.

19] Was die Fortsetzung von den merkwürdigsten noch ferneren Pflanzen und Kräutern betrifft, sei aufbewahrt für die nächste Mittheilung; und daher für heute Amen.

01] Was also von den Gesträuchen bemerkenswert war, haben wir in der Hauptsache schon vernommen. Wir wollen uns daher jetzt zu den Kräutern und (Nutz-)Pflanzen dieses Landes wenden.

02] Dieses Land gehört zu den gebirgigsten dieses Planeten, und somit hat es auch die größte Anzahl der nützlichen und heilsamen Pflanzen und Kräuter aller erdenklichen Arten.

03] Pflanzen wie zum Beispiel eure Feldfrüchte, als da sind: Korn, Weizen, Gerste usw., wachsen hier nicht; aber dafür gibt es eine andere und viel edlere Getreidegattung, die beinahe so aussieht wie bei euch das Maiskorn, nur daß die Pflanze ums zwanzig- bis dreißigfache höher wächst als bei euch. Die Blätter dieses Maiskorns sind oft zwei bis dreieinhalb Klafter lang und gut zwei bis dreieinhalb Ellen (Früher gebräuchliches Längenmaß von verschiedener Größe. In Österreich war eine Elle = 74,92 cm) breit, haben eine vollkommen himmelblaue Farbe, an den Rändern eine Spanne weit mit hellem Karminrot verbrämt, und die Mittelzeile, die ebenfalls eine Spanne breit ist und bis gegen die Spitze auf einen Zoll abnimmt, sieht grünlichgolden aus. Der Stengel, welcher unterhalb so dick wird wie bei euch oft eine ausgewachsene Eiche, sieht zuunterst aus wie dunkel mattpoliertes Gold, und je höher hinauf, desto heller wird seine Farbe. Die Blütenkrone, welche nicht selten Äste von ein bis eineinhalb Klafter Ausbreitung hat, sieht gerade so aus wie bei euch ein Lüster aus dem schönsten brillant-geschliffenen Kristallglas, und das darum, weil dort alles im vergrößerten Maßstab vorkommt. So ihr aber bei euch eine Maisblüte durch ein gutes Mikroskop beschauen möchtet, dürftet ihr beinahe dasselbe Brillantspiel des sonst weißlich aussehenden Blütenstaubes bemerken!

04] Was aber die Frucht dieser Pflanze betrifft, so gleicht sie zwar wohl der Form nach im vergrößerten Maßstab der eurigen, aber nicht ebenso dem Gebrauch und dem Geschmack nach. Denn dort gibt diese Frucht den allerwohlschmeckendsten Leckerbissen und gleicht in dieser Hinsicht mehr eurer sogenannten Ananas; nur daß dort die einzelnen Körner sich gar wohl auslösen lassen wenn die Frucht zur Reife gekommen ist, und dann sogleich genossen werden können, auch nicht mehlig sind, sondern saftig wie bei euch eine Weinbeere. Eine von diesen Beeren ist, nach eurem Gewicht berechnet, nicht selten zwei bis drei Pfund schwer. Wenn auf einem solchen sogenannten Kolben dann oft drei-, vier- bis fünfhundert solche Beeren sitzen und eine einzige Staude oft zwanzig bis dreißig solche Kolben zum Vorschein bringt, so könnt ihr euch schon einen Begriff machen, wie reichlich oft eine solche Ernte aussieht.

05] Aber wohin legen denn die Bewohner solche Ernte? - Ihr habt schon die guten Gefäße beim Trichterbaum kennen gelernt. Darin werden diese Früchte aufbewahrt, ein Teil davon in Beeren selbst und ein Teil als ausgepreßter Saft. Diese Frucht wächst viermal in einem Jahr und ist äußerst gesund und stärkend. Und es erquickt ihr Saft das Herz des Saturnbewohners ebenso und noch mehr als euch die Traube und ihr stärkender Saft.

06] Nach Abnahme der Frucht lassen die Bewohner das Stroh auf dem Felde so lange stehen, bis es ganz dürr geworden ist, dann bringen sie ihre großen Zug- und Lasttiere auf den Acker, wo diese dürre Pflanze steht. Diese Tiere fressen dann das Laub. Die Stengel aber lassen sie unbeschädigt stehen. Diese werden von den Bewohnern mit einer besonderen Säge umgesägt. Dann werden kreuz und quer auf dem Acker Haufen gebildet und hernach angezündet, durch welchen Akt der Acker auf das allerbeste für eine fernere Fruchttragung gedüngt wird.

07] Dieser Acker braucht einen feuchten Boden, wenn die Frucht gut gedeihen soll. Da es aber hier in diesem Land, wie auch fast auf dem ganzen gemäßigten Landstrich dieses Planeten, nie oder nur höchst selten regnet oder taut und auch die Quellen auf dem Land nicht eben zu häufig vorkommen - was tun da die Einwohner und wie bewässern sie einen solchen Acker, der nach eurem Maß nicht selten eine Ausdehnung von dreißig bis vierzig Quadratmeilen hat? - Sehet, allda habe Ich schon wieder mit einer anderen merkwürdigen Pflanze dafür gesorgt, welche das mühselige Geschäft der Bewässerung gar vortrefflich besorgt und welche Pflanze denn auch fleißig mitten unter den Nutzgewächsen angebaut wird.

08] Diese Pflanze wird dort »das rinnende Faß« genannt und hat eine große Ähnlichkeit mit euren Feldkürbissen, nur mit dem Unterschied, daß diese Kürbisse nicht selten eine solche Größe erreichen, - daß ein Saturn-Mensch Mühe hat, darüber hinwegzusehen. - Die Pflanze selbst wächst oft mehrere tausend Klafter weit auf der Erde klafterdick im Umfang fort und läuft von ihrer Wurzel in vielen hundert Armen nach allen möglichen Richtungen aus. Ihre Blätter sehen denen eurer Kürbisstaude völlig ähnlich, nur daß sie ums Hundertfache größer sind und ihre Farbe nicht grün, sondern ganz violettblau aussieht und übersät ist mit lauter silberweißen Sternen. Der Stiel ist zwei bis drei Klafter lang, rund und im Durchmesser nicht selten mehrere Klafter betragend. Er ist inwendig hohl; in den Wänden aber laufen viele tausend Röhrchen hinauf, welche das Blatt nähren mit einem süßlichen Saft und zum Teil aber auch durch die vielfachen Poren der unterblattigen Spitzen als tropfbare Flüssigkeit hinaustreten und dadurch unter sich das Erdreich wie durch einen immerwährenden leichten Regen befeuchten. Jedoch was die Hauptbewässerung durch diese Pflanze angeht, so wird sie eigentlich von der Frucht bewerkstelligt. Denn wenn diese zu ihrer halben Reife gekommen ist, öffnet sie in der Nachtzeit an ihrer Oberfläche befindliche Poren und über der Oberfläche eigens dazu gebildete Röhrchen, durch welche dann eine süßliche, klare Flüssigkeit wie aus einem Springbrunnen weit und breit hinausgetrieben wird, wodurch das Erdreich jede Nacht eine regelmäßige und hinreichende Bewässerung empfängt.

09] Ihr werdet euch fragen: Aber woher nimmt denn die Frucht dieses so reichliche Wasser? - Da sage Ich euch, daß die Frucht ein wahrer artesischer Brunnenbohrer ist; denn sie treibt ihre Wurzeln so weit und so tief hinab, bis sie zu irgendeinem unterirdischen Wasserbehälter gekommen ist. Da saugt sie mit der größten Emsigkeit das von ihr aufgespürte Wasser und treibt und führt dasselbe als die beste Wasserleitung wohlgeläutert nach allen möglichen Richtungen ihres äußeren, schnell fortwachsenden Gebietes.

10] Hat denn aber diese Frucht bei den Bewohnern keinen andern Gebrauchszweck als nur den der Bewässerung allein? - Die Bewohner gebrauchen diesen Kürbis auch noch zu etwas anderem! - Wenn die Frucht zur Vollreife gediehen ist, wird sie der Länge nach in der Mitte auseinandergeschnitten. Der Same und das Fleisch werden aus ihr genommen, der Same zur ferneren Ansaat und das Fleisch zur Fütterung der dortigen Kühe, Schafe und Ziegen verwendet. Die Schale aber, welche bei einem Klafter dick ist, wird getrocknet, wodurch sie eine große Festigkeit bekommt. Wenn sie vollkommen getrocknet ist, wird der untere Teil gewöhnlich zu einer Art Wasserfahrzeug verwendet. Der obere Teil aber, der sehr röhrig und porös ist, wird als Wagen verwendet, und zwar auf eine höchst einfache Art.

11] Es wird in der Mitte bei der Seitenborde ein Loch durchgebohrt, durch welches eine wohlbereitete, verhältnismäßig dicke und starke Räderspindel geführt wird, auf deren beiden Enden sodann zwei Räder aufgesteckt werden. Ebenso wird noch ein drittes Loch von vorne durchgebohrt, durch welches eine Zugstange bis zur Radspindel gesteckt wird. Diese Zugstange wird dann mit einem Nagel an der Radspindel befestigt und vorne mit einem verhältnismäßig langen und starken Querbalken versehen. Auf diese Weise ist dann der Wagen auch schon fertig, und das um so geschwinder, wenn ihr dazu noch annehmet, daß die Räder dort nicht durch die Kunst der Menschenhände, sondern durch die Kunst der Natur hervorgebracht werden, und das von einer und derselben Pflanze. Denn dazu braucht es nichts mehr, als den vollkommen runden Stiel eben dieses Kürbisses so oft man will abzusägen, so hat man auch schon allzeit ein vollkommen festes und fertiges Rad in einem Durchmesser von drei bis vier, oft auch fünf bis sechs Klaftern.

12] Wenn hernach an den Querbalken ein Ochse oder für eine schnellere Fahrt ein dortiger Zughund oder Zughirsch angebunden wird, so ist ein ganzes Fuhrwerk so gut wie vollkommen fertig. Und es können dann in einem solchen Wagen sehr bequem vier Saturnmenschen fahren, wohin sie nur immer wollen.

13] Diese Art Wagen wird freilich nur als leichteres Fuhrwerk gebraucht; denn die Saturnbewohner haben auch noch viel größere und schwerere Wagen, welche sie kunstvoll aus Holz bauen und, so wie ihr die eurigen, fleißig mit einem sehr geschmeidigen und festen Metall beschlagen. Dieses Metall ist eurem Eisen nicht unähnlich, nur ist es viel gediegener und haltbarer und rostet nicht wie das eurige, sondern behält immerwährend seine glänzende, dem Golde gleichende Oberfläche. Es hat eine Farbe wie bei euch das sogenannte Platin, das ein Gemisch von gediegenem Gold und gediegenem Eisen ist, welche Mischung auf dem chemischen Weg freilich wohl schwerlich je ein Chemiker zuwege bringen wird.

14] Nachdem wir jetzt diese zwei Pflanzen kennengelernt haben, gehen wir zu einer anderen dort lebenden, überaus lustigen und zugleich auch sehr nützlichen Pflanze über.

15] Diese Pflanze ist für euch so gut wie unerhört. Auf der Erde gibt es durchaus nichts Ähnliches. Denn das sogenannte »wandelnde Blatt«, welches im südlichen Amerika vorkommt, ist eigentlich keine Pflanze, sondern ein Tier. - Die Pflanze auf diesem Planeten aber, die wir betrachten wollen, ist in allem Ernst eine wandelnde, da sie gleich einem Tier sich von einem Ort zum andern bewegt. Die bewegende Kraft liegt in ihrer Wurzel, die das Aussehen hat wie ungefähr ein sehr unförmig gebildeter Menschenfuß, nur daß sie natürlicherweise nicht etwa geformte Zehen und irgendeine Ferse und sonst zum Fuße Gehöriges besitzt; sondern das Ganze ist ein in einem rechten Winkel gebogener, bei zehn Klafter langer Strunk, aus welchem nach allen Seiten eine Menge Fang- und Saugwurzeln auslaufen. Diese klammern sich wie die Ranken einer Weinrebe fast überall an, nur mit dem Unterschied, daß diese Wurzeln nur so lange auf einem Punkt der Erde sich, festhalten, solange sie dort hinreichende Nahrung finden. Haben sie auf einem Ort alle Feuchtigkeit aufgesaugt, dann entwinden sie sich wieder aus der Erde, strecken sich weiter nach vorne aus, und das so weit auf der Erde hin, bis sie endlich an einen feuchten Ort gekommen sind. Da bohren sie sich wieder fleißig in das Erdreich ein, umwinden die feuchten Erdschichten und andere Kräuter und Gräser und ziehen durch dieses Umwinden die ganze Pflanze nach sich - durch welche Tätigkeit der Fußwurzeln dann eine solche Pflanze im Verlaufe von einem Jahr nicht selten eine Reise von mehreren Meilen (nach eurer Rechnung und eurem Maße) macht.

16] Wie sieht denn aber eigentlich die Pflanze selbst aus? - Die Pflanze hat einen vier bis fünf Klafter hohen Stamm, der schon eine Klafter hoch Äste und Zweige treibt, wovon einige Zweige nach allen Richtungen hinab zur Erde langen und auf diese Art die hohe Pflanze vor dem möglichen Umfallen schützen. Diese Zweige sich gewöhnlich nackt und ohne Blätter, nur diejenigen, die dann aufwärts treiben und in mannigfaltigen Krümmungen vom Stamm auslaufen, tragen Blätter, Blüten und Früchte, welche alle so ziemlich eurer Weinpflanze ähnlich sind. Das Laub ist viel größer und von hellblauer Farbe und seine untere Seite mit roten Wärzchen übersät. Die Frucht aber gleicht vollkommen derjenigen Sorte eurer Trauben, die ihr mit dem Namen »die Gaisdutte benennt; nur ist ihre Farbe nicht blau, sondern so gelb wie eine Orange, oder halb durchsichtig, wie bei euch die weißen Traubenbeeren. Der Unterschied liegt vor allem auch nur in der Größe, da eine Beere nicht selten (nach eurem Maß) ein Liter reinen Saftes, eine Traube nicht selten fünfzig bis hundert Beeren enthält, und manche Pflanze reift oft zehn bis zwanzig solcher Trauben. Der Geschmack dieser Frucht kommt derjenigen Traube bei euch gleich, die ihr die Muskat-Traube nennet( nur muß diese bei euch zur vollsten Reife gelangt sein!).

17] Das ist also die merkwürdige Pflanze dieses Planeten! Sie hat dadurch einen großen Vorzug, daß sie überhaupt keine Bearbeitung benötigt, sondern sich selbst bestens bearbeitet und gedeihlichst versorgt. Damit aber bei den Einwohnern dieses Planeten keine Eigentumsstreitigkeiten hinsichtlich dieser sehr beliebten Pflanze entstehen, wenn diese allenfalls ihren Marsch auf den Grund des Nachbarn richten möchte (denn auch hier wird das Eigentumsrecht streng beobachtet) - so pflanzen die Einwohner dieselbe meistens entweder in der Mitte ihrer Gründe oder setzen sie um ihre Regenbäume herum, da sie dann ruhig stehen bleiben und keine weiteren Bewegungen machen, so ihre Wurzeln mit Nahrung hinreichend versehen sind. Und wenn sie schon allenfalls dann und wann zu wandern genötigt werden, können sie dann nicht sogleich auf den nachbarlichen Grund überlaufen. Denn von der Mitte eines solchen Grundes dürfte es ihnen wohl ein wenig schwer werden, die weiten Grenzen zu überschreiten, da, wie schon bemerkt wurde, ein solcher Saturn-Bauerngrund nicht selten in der Ausdehnung die doppelte Größe eures Staates übersteigt.

18] Den Saft verwenden die Einwohner gerade auch dazu, wozu ihr den Saft eurer Traube verwendet. Er ist noch viel kräftiger als der schon früher erwähnte und wird auch nicht in den früher erwähnten Gefäßen aufbewahrt; sondern für die Aufbewahrung dieses Saftes wächst dort eine eigene Flaschenfrucht, die nicht unähnlich ist euren Flaschenkürbissen - nur mit dem Unterschied, daß diese Flaschenkürbisse euer Heidelberger Faß sicher weit an Größe übertreffen würden. Ein solcher Flaschenkürbis, wenn er vollkommen ausgewachsen ist, möchte wohl ganz bequem eintausend eurer Eimer in sich aufnehmen. Diese Flaschenkürbisse sind auch außerordentlich fest. Ihre Wand hat einen Durchmesser von einer guten halben und zuunterst auch einer ganzen Klafter. Wenn Sie gehörig ausgeräumt sind, welche Arbeit dort durch ein Saturntier verrichtet wird, ist das Gefäß auch schon fertig.

19] Die Schilderung der ferneren merkwürdigsten Pflanzen und Kräuter sei für die nächste Mitteilung aufbewahrt! Und daher für heute Amen.

voriges Kapitel Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers nächstes Kapitel