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Kapitelinhalt 132. Kapitel: Ankunft einer Schar Hingerichteter und Verzweifelter. Der Führer gibt ihre traurige Geschichte kund. Philosophie der Gott- und Lieblosigkeit. (Am 18. Okt. 1849)

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag

Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Als Thomas noch kaum solche seine Belehrung an die große Schaar beendet hatte, wird von draußen her schon ein mächtiges Schreien und Heulen vernommen. Thomas ermahnt die Schaar zur Aufmerksamkeit, und sagt: „Wie ihr es nun vernehmet, so gehet das schon in die Erfüllung, was ich euch soeben durch die Gnade des Herrn verkündiget habe; eine schrecklich zerstörte Schaar naht sich diesem Hause; wir vernehmen nun ein mächtiges Schreien und Heulen; die da kommen, müssen sehr bedrängt und im höchsten Grade beleidigt worden sein. Es sind Seelen unbarmherzigst Hingerichteter; sie kommen näher und näher. Daher heißt es nun sehr aufpassen, daß wir ihre Worte nicht überhören! Nun stille, Freunde, sie eilen schon durch die große Gartenstraße herein. Ein Mann ganz düstern Ansehens, in eine schwarze Sammtblouse gehüllt, das Haupt mit einem blauen mit Gold gestickten Käppchen geschmückt, schreitet nahe wie ein Betrunkener voran, und etliche 30 folgen ihm. Hinter ihnen bemerke ich wie Flammen. O daß sieht ganz entsetzlich aus! Aber nun stille!

02] Der düstere Führer macht Halt, wendet sich um, und mustert seine Gesellschaft, und spricht nun zu ihr: „Da sind wir nun voll des höchsten Elends, voll des höchsten Jammers. O meine arme Gattin! Dein Schatten in Gestalt rachesprühender Flammen eilt vergeblich dem schändlichst gemordeten Gatten nach. Es hat sich die ganze Hölle wider ihn verschworen, und ihn in ihre ewig todbringende Tatze gefaßt, um ihn ewig nimmer auszulassen. O ihr meine lieben Freunde! - Ihr schreiet und heulet umsonst in dieser finstern Qualwelt. Eine übergeraume Zeit flohen, schrieen und heulten wir schon; aber von keiner Seite her kommt uns irgend eine Hülfe, oder irgend ein Trost entgegen. Es giebt keinen Gott, und keine Vergeltung, ihr schreiet umsonst um Rache gegen unsere Mörder. Denn gäbe es einen allgerechten Gott, so könnte Er ja doch unmöglich es je zulassen, daß auf der von mir aus für ewig verfluchten Satanserde solche Gräuel von elendsten Menschen wieder gegen Elende verübt werden!

03] Was thaten wir denn, das da des Todes würdig wäre? Wir wollten nur, was uns unser Kaiser und König versprach, und auch wirklich gab. Und weil wir das wollten, und das Gegebene von Heute auf Morgen doch nicht gleich feigen und fratzisch dummen Buben auf ein kaiserliches Obverlangen das Empfangene konnten so mir und dir nichts fahren lassen, ohne zur Kenntniß gelangen zu dürfen, warum?! so fragten wir, und wurden durch die Frage zu Rebellen und Hochverräthern. Wir wehrten uns gegen eine solche Zumuthung zuerst moralisch, und darauf auch physisch. Da zog man gegen uns zu Felde mit der Macht zweier Kaiser, und hätte uns nicht besiegt, wenn man nicht alle erdenklichen Mittel aufgeboten hätte. Wir ergaben uns nicht aus Gnade und Ungnade, sondern gegen von Seiten Rußlands garantirte Amnestie, und da - als Staatsverbrecher Hingeschlachtete haben wir sie nun!

04] O du verfluchte Erde mit all deinen Menschen und Herrlichkeiten! Wer auf diesem Satansboden reich genug, mächtig genug, und grausam genug sein kann, der hat auch das volle Recht für sich, und kann Alle als Verbrecher hinmorden lassen, die sein Gewaltrecht nicht als wirkliches die Menschheit wahrhaft beglückendes Recht annehmen wollen. Recht haben sie, daß sie uns gemordet haben. Sie wußten, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um auf demselben sich eine Glückseligkeit zu schaffen, auf Kosten von Millionen von armen Grasfressern; hätten wir das schon lange gethan, so wären wir im selben Rechte, das wir zu unserem Besten uns selbst geschaffen hätten. Aber so sind sie uns zuvorgekommen, und haben nun auch alles Recht für sich, und wer wird ihnen, die nun mächtig sind, Unrecht geben? So es einen Gott gäbe, der könnte es thun. Da es aber ewig keinen Gott giebt, so sind sie frei, und können thun was sie wollen.

05] Jede Grausamkeit ist recht, weil sie dieselbe, dieweil sie Macht haben, als recht bestimmen, und von Niemanden zur Verantwortung gezogen werden können. Kurz, das alte Potiori jus! gilt für alle Zeiten. Nur der Reiche und zugleich Mächtige hat allein das Recht, zu leben und alles zu besitzen, wessen immer er sich durch seine überwiegende Macht bemächtigen kann. Nur der arme Teufel kann sündigen, Unrecht thun und dafür gezüchtigt werden, weil er ohnmächtig ist, und das, was er für sein Bedürfniß als Recht ansieht, nicht durch eine überwiegende Macht zur Geltung bringen kann. Glaubet ihr nun etwa noch an einen Gott, und an eine Vergeltung?"

06] Schreien alle Andern: „Nein, nein, wir glauben es nimmer! du hast recht geredet, so ist es! Eine Hölle ja giebt es, und zwar auf der Welt; aber einen guten und gerechten Gott giebt es ewig nimmer! Denn gäbe es irgend Einen, so müßte Er die verfluchte Erde ja schon lange zu allen Teufeln gerichtet haben. Aber, da es keinen Gott giebt und geben kann, so ist und bleibt die Erde gleichfort ein Thron der Hölle! so ist es, so ist es, und so bleibt es!"

07] Spricht ein Anderer aus dieser ganz neu angekommenen Gesellschaft: „Herr Graf, Sie haben recht; ich bin ganz Ihrer Meinung bis auf das, daß es keinen Gott gebe; aber daß dieser Gott, oder das schaffende Prinzip, sich um den Staub der Erde ebensowenig kümmert, als wie wir uns je gekümmert und gesorget haben um ein verdorrtes Schweißtröpfchen, das etwa im tiefsten Schlafe einer Pore des kleinen Fußzehens entquoll, das können wir mit Sicherheit annehmen. Eine Rauferei, oder ein Krieg unter den Menschen auf der Erde ist vor den Augen der wahren Gottheit beiweitem etwas viel geringeres, als für den Kaiser von China der Infusionsthierchenkrieg in einem Thautropfen, oder der Monaden und Atome in einem leeren blos mit Luft gefüllten Medizinfläschchen aus Porzellan. Daher haben der Herr Graf auch vollkommen recht, so Sie sagen: - Recht haben sie gehabt, daß sie uns gemordet haben! - Denn sie wußten es, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um auf demselben sich eine Glückseligkeit bereiten zu können. O da haben der Herr Graf ein großes weises Wort gesprochen.

08] Wahrlich, Diebe, Straßenräuber und Mörder sind eigentlich die gescheidtesten Menschen auf der Erde; diese wissen den Werth der Dinge, der Menschen und ihres Lebens am besten zu taxiren, weil sie es eben wissen, daß eine Trillion Menschen vor Gott gerade so viel als nichts sind. Gott liegt nichts am Leben von Milliarden mal Milliarden Menschen; ob sie sich alle zusammen todtschlagen, oder ob noch hie und da einige übrig bleiben, das ist bei Gott eine Leberwurst; daher dürfen wir aber auch fürder nicht so dumm sein, als wie wir bis jetzt waren. Wir schließen einen Bund, und was uns nur unterkommt, muß ohne Rücksicht niedergemacht werden!"

09] Spricht ein Dritter: „Ich meine, ein bischen etwas von einer Rücksicht sollen wir denn doch gegen gewisse uns irgend aufstoßende Individuen nehmen, wie z. B. gegen unsere Eltern, Weiber, Brüder, Schwestern und Kinder, und noch gegen einen sonstigen gar guten Freund."

10] Spricht der Zweite: „Was da Rücksicht! was Eltern, was Weib, Kinder und Brüder, Schwestern und sonstige Freunde! Die Rücksicht ist nichts als eine entweder geflissentliche, oder wirkliche Feigheit gegen Andere, die man wie gesagt ehrenhalber, oder bessern Gewinnes halber noch etwas länger leben läßt, oder man hält sie in der sich eigen bewußten Schwäche für bedeutend mächtiger, als sich selbst; das ist also eine Rücksicht? Eltern?! Hohngelächter der Hölle! Das sind die ersten Tirannen der Kinder, daher keine Rücksicht mit derlei lästigen Häschern. Das Weib!? no, so es noch jung und sehr üppig ist, das kann man schonen; aber wird es einmal alt und häßlich, dann keine Schonung, da es dann doch Niemanden mehr zu einem Vergnügen dienen kann. Kinder als recht artige Spielpuppen, so sie schön gerathen, lasse ich mir auch gefallen, obschon ich diejenigen Völker der Erde für weiser halte, die ihre schönsten und üppigsten Kinder schlachten und dann fressen, weil sie ein besseres Fleisch haben, denn die magern und häßlichen. Sind sie aber einmal groß, dann auch mit diesen ersten Blutegeln ihrer Eltern keine Rücksicht mehr; und hier, wo man wahrscheinlich zu keinen Kindern mehr kommt, außer zu denen auf der Erde gezeugten, wird gegen gar kein Kind eine Rücksicht genommen! Brüder und Schwestern und sonstige Freunde sind schon auf Erden die lästigsten Nebenmenschen und werden es hier um so mehr sein, daher schon gar keine Rücksicht mit ihnen. Hätten die Menschen auf der dummen Erde die Einsicht, wie ich sie nun hier habe, so würde der Erstgeborne, so er zum Selbstbewußtsein gelangt, und zur gehörigen Kraft, sich dieser lästigen gleichberechtigt sein wollenden Nebenbuhler schon zu entledigen gewußt haben. Aber, was auf der dummen Erde Mensch heißt, ist bis auf wenige raffinirte Spitzbuben rein Vieh, und dummer noch, und so kommt es dann auch nothwendig, daß ein Vieh dem andern zur Last leben bleibt, bis es nicht erschlagen wird, von einem Pfiffigeren, oder bis es nicht am alten Gift der Luft krepirt. Daher keine Schonung und Rücksicht mehr mit jemanden!"

01] Als Thomas noch kaum seine Belehrung an die große Schar beendet hatte, wird von draußen her schon ein mächtiges Schreien und Heulen vernommen. Thomas ermahnt die Schar zur Aufmerksamkeit und sagt: "Wie ihr nun vernehmet, so geht schon in die Erfüllung, das ich euch soeben durch die Gnade des Herrn verkündigt habe! Eine schrecklich zerstörte Schar naht sich diesem Hause. Wir vernehmen nun ein mächtiges Schreien und Heulen. Die da kommen, müssen sehr bedrängt und im höchsten Grade beleidigt worden sein. Es sind Seelen unbarmherzigst Hingerichteter; sie kommen näher und näher. Daher heißt es nun sehr aufpassen, daß wir ihre Worte nicht überhören! - Nun stille, Freunde! Sie eilen schon durch die große Gartenstraße herein! Ein Mann, ganz düstern Aussehens, in eine schwarze Samtbluse gehüllt, das Haupt mit einem blauen goldgestickten Käppchen geschmückt, schreitet beinahe wie ein Betrunkener voran, und etliche dreißig folgen ihm. Hinter ihnen bemerke ich etwas wie Flammen! O das sieht ganz entsetzlich aus! - Aber nun stille!"

02] Der düstere Führer macht halt, wendet sich um, mustert seine Gesellschaft und spricht zu ihr: "Da sind wir nun voll des höchsten Elends, voll des höchsten Jammers! O meine arme Gattin! Dein Schatten in Gestalt rachesprühender Flammen eilt vergeblich dem schändlichst gemordeten Gatten nach! Es hat sich die ganze Hölle wider ihn verschworen und ihre totbringende Tatze ihn gefaßt, um ihn ewig nimmer auszulassen. - O ihr meine lieben Freunde! Ihr schreiet und heulet umsonst in dieser finsteren Qualwelt! Eine übergeraume Zeit flohen, schrien und heulten wir schon; aber von keiner Seite her kommt uns irgendeine Hilfe oder irgendein Trost entgegen! Es gibt keinen Gott und keine Vergeltung! Ihr schreiet umsonst um Rache gegen unsere Mörder! Denn gäbe es einen allgerechten Gott, so könnte Er ja doch unmöglich es je zulassen, daß auf der von mir aus für ewig verfluchten Satanserde von elendsten Menschen gegen andere Elende solche Greuel verübt werden!

03] Was taten wir denn, das des Todes würdig wäre!? - Wir wollten nur, was uns unser Kaiser und König versprach und auch wirklich gab. Und weil wir das wollten und das Gegebene von heute auf morgen doch nicht gleich feigen und fratzisch-dummen Buben auf ein kaiserliches Abverlangen so mir und dir nichts fahren lassen konnten (ohne zur Kenntnis gelangen zu dürfen, warum?) - so fragten wir und wurden durch die Frage zu Rebellen und Hochverrätern. Wir wehrten uns gegen eine solche Zumutung zuerst moralisch und darauf auch physisch. Da zog man gegen uns zu Felde mit der Macht zweier Kaiser und hätte uns nicht besiegt, wenn man nicht alle erdenklichen Mittel aufgeboten hätte. Wir ergaben uns nicht aus Gnade und Ungnade, sondern gegen eine von Rußland garantierte Amnestie. Und da - als Staatsverbrecher Hingeschlachtete haben wir sie nun!


04] O du verfluchte Erde mit all deinen Menschen und Herrlichkeiten! Wer auf diesem Satansboden reich genug, mächtig genug und grausam genug sein kann, der hat auch das volle Recht für sich und kann alle als Verbrecher hinmorden lassen, die sein Gewaltrecht nicht als wirkliches, die Menschheit wahrhaft beglückendes Recht annehmen wollen. Recht haben sie, daß sie uns gemordet haben! Sie wußten, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um aus demselben sich eine Glückseligkeit zu schaffen auf Kosten von Millionen von armen Grasfressern. Hätten wir das schon lange getan, so wären wir im selben Rechte, das wir uns selbst zu unserem Besten geschaffen hätten. Aber so sind sie uns zuvorgekommen und haben nun auch alles Recht für sich, und wer wird ihnen, die nun mächtig sind, Unrecht geben?! So es einen Gott gäbe, der könnte es tun. Da es aber ewig keinen Gott gibt, so sind sie frei und können tun was sie wollen!

05] Jede Grausamkeit ist recht, weil sie dieselbe, dieweil sie Macht haben, als Recht bestimmen und von niemanden zur Verantwortung gezogen werden können. Kurz, das alte »Potiori jus!« (der Stärkste hat Recht!) gilt für alle Zeiten. Nur der Reiche und zugleich Mächtige hat allein das Recht, zu leben und alles zu besitzen, wessen immer er sich durch seine überwiegende Macht bemächtigen kann. Nur der arme Teufel kann sündigen, Unrecht tun und dafür gezüchtigt werden, weil er ohnmächtig ist und das, was er für sein Bedürfnis als Recht ansieht, nicht durch eine überwiegende Macht zur Geltung bringen kann. Glaubet ihr nun etwa noch an einen Gott und an eine Vergeltung?"

06] Schreien alle anderen: "Nein, nein, wir glauben es nimmer! Du hast recht geredet, so ist es! Ja, eine Hölle gibt es, und zwar auf der Welt! Aber einen guten und gerechten Gott gibt es ewig nimmer! Denn gäbe es irgendeinen, so müßte er die verfluchte Erde ja schon lange zu allen Teufeln gerichtet haben. Aber da es keinen Gott gibt und geben kann, so ist und bleibt die Erde gleichfort ein Thron der Hölle! So ist es, so ist es! Und so bleibt es!"

07] Spricht ein anderer aus dieser ganz neu angekommenen Gesellschaft: "Herr Graf, Sie haben recht! Ich bin ganz Ihrer Meinung bis aus das, daß es keinen Gott gebe! Aber daß dieser Gott oder das schaffende Prinzip sich um den Staub der Erde ebensowenig kümmert, als wie wir uns je gekümmert und gesorgt haben um ein verdorrtes Schweißtröpfchen, das im tiefsten Schlafe etwa einer Pore der kleinen Fußzehe entquoll, das können wir mit Sicherheit annehmen. Eine Rauferei oder ein Krieg unter den Menschen auf der Erde ist vor den Augen der wahren Gottheit bei weitem etwas viel geringeres als für den Kaiser von China der Infsusionstierchen-Krieg in einem Tautropfen oder der Monaden und Atome in einem leeren bloß mit Luft gefüllten Medizinfläschchen aus Porzellan! Daher haben der Herr Graf auch vollkommen recht, so Sie sagen: »Recht haben sie gehabt, daß sie uns gemordet haben! Denn sie wußten es, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um aus demselben sich eine Glückseligkeit bereiten zu können!« - Oh, da haben der, Herr Graf ein großes, weises Wort gesprochen!


08] Wahrlich, Diebe, Straßenräuber und Mörder sind eigentlich die gescheitesten Menschen auf der Erde! Diese wissen den Wert der Dinge, der Menschen und ihres Lebens am besten zu taxieren, weil sie es eben wissen, daß eine Trillion Menschen vor Gott geradesoviel als nichts sind. Gott liegt nichts am Leben von Milliarden mal Milliarden Menschen. Ob sie sich alle zusammen totschlagen, oder ob hie und da noch einige übrigbleiben, das ist bei Gott eine Leberwurst. Daher dürfen wir aber auch fürder nicht so dumm sein, wie wir bis jetzt waren! Wir schließen einen Bund, und was uns nur unterkommt, muß ohne Rücksicht niedergemacht werden!"


09] Spricht ein dritter: "Ich meine, ein bißchen etwas von einer Rücksicht sollten wir gegen gewisse uns irgend ausstoßende Individuen denn doch nehmen wie z.B. gegen unsere Eltern, Weiber, Brüder, Schwestern und Kinder und noch gegen einen sonstigen gar guten Freund."

10] Spricht der zweite: "Was da Rücksicht!? Was Eltern, was Weib, Kinder und Brüder, Schwestern und sonstige Freunde!? Die Rücksicht ist nichts als eine entweder geflissentliche oder wirkliche Feigheit gegen andere, die man, wie gesagt, ehrenhalber oder bessern Gewinnes halber noch etwas länger leben läßt; oder man hält sie in der eigen-bewußten Schwäche für bedeutend mächtiger als sich selbst. Das ist also eine Rücksicht! Eltern? Hohngelächter der Hölle! Das sind die ersten Tyrannen der Kinder. Daher keine Rücksicht mit derlei lästigen Herrschern! - Das Weib!? Nun, so es noch jung und sehr üppig ist, das kann man schonen! Aber wird es einmal alt und häßlich, dann keine Schonung mehr, da es dann doch niemanden mehr zu einem Vergnügen dienen kann! - Kinder, als recht artige Spielpuppen, so sie schön geraten, lasse ich mir auch gefallen, obschon ich diejenigen Völker der Erde für weiser halte, die Ihre schönsten und üppigsten Kinder schlachten und dann fressen, weil sie ein besseres Fleisch haben als die mageren und häßlichen. Sind sie aber einmal groß, dann auch mit diesen ersten Blutegeln ihrer Eltern keine Rücksicht mehr! Und hier, wo man wahrscheinlich zu keinen Kindern mehr kommt, außer zu denen auf der Erde gezeugten, wird gegen gar kein Kind eine Rücksicht genommen! - Brüder und Schwestern und sonstige Freunde sind schon auf Erden die lästigsten Nebenmenschen und werden es hier um so mehr sein! Daher schon gar keine Rücksicht mit ihnen! Hätten die Menschen auf der dummen Erde die Einsicht, wie ich sie nun hier habe, so würde der Erstgeborene, so er zum Selbstbewußtsein und zur gehörigen Kraft gelangt, sich dieser lästigen gleichberechtigt sein wollenden Nebenbuhler schon zu entledigen gewußt haben. Aber was auf der dummen Erde Mensch heißt, ist bis auf wenige raffinierte Spitzbuben rein Vieh und dummer noch, und so kommt es dann auch notwendig, daß ein Vieh dem andern zur Last leben bleibt, bis es erschlagen wird von einem Pfiffigeren, oder bis es am alten Gift der Luft krepiert! - Daher keine Schonung und Rücksicht mehr mit jemandem!"

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