Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


265. Kapitel: Des Kornelius Frage, ob Cyrenius von der Abreise Josephs wisse. Josephs gute Antwort. Kornelius erklärt Joseph die römische Geheimschreiben. (29.07.1844)

01] Nachdem aber fragte Kornelius auch den Joseph, ob davon Cyrenius wohl Kenntnis habe, daß nämlich Joseph Ägypten verlassen habe.

02] Und falls er keine Kenntnis hätte, ob man ihn davon aus staatlichen Rücksichten nicht sogleich sollte in die vollste Kenntnis setzen.

03] Und Joseph sprach: »Freund, tue gegen deinen Bruder, was du willst;

04] aber um das bitte ich dich wohl, daß du ihm sagen möchtest, er solle ja nicht zu bald zu mir kommen!

05] Und wann er aber schon kommen möchte, da solle er ja bei Nacht und Nebel kommen, auf daß sein Erscheinen bei mir ja niemand bemerke,

06] und mein Haus dadurch nicht eine sehr widrige Aufmerksamkeit auf sich ziehe, die mir und dem Kinde schädlich wäre und für die göttliche Ruhe meines Hauses störend sein möchte!«

07] Als Kornelius solches von Joseph vernommen hatte, da sprach er:

08] »O du mein erhabenster Freund, des sei ruhig! Denn was das ,streng inkognito' (unerkannt) zu jemanden kommen betrifft, da sind wir Römer Meister;

09] und so wird, wie (sobald) ich morgen nach Jerusalem kommen werde, das mein erstes Geschäft sein, daß ich in aller Stille meinen Bruder durch ein Geheimschreiben benachrichtigen werde, daß du hier bist.

10] Mit solch einem Schreiben will ich Archelaus selbst, wenn es darauf ankäme, zu meinem Bruder senden, und er wird nicht wissen, was darauf steht, wenn das Schreiben auch unversiegelt sich in seinen Händen befände!«

11] Joseph aber fragte den Kornelius, wie da wohl ein solches Geheimschreiben möglich wäre.

12] Und Kornelius sprach: »O erhabenster Freund! Nichts leichter als das.

13] Siehe, man nimmt einen langen, etwa einen Finger breiten Streifen.

14] Diesen Streifen windet man schneckengewindeartig ganz genau um einen runden Stab, so daß die Ränder genau aneinanderstoßen.

15] Ist also der Streifen aufgewunden über den runden Stab, da schreibt man dann nach der Länge des Stabes über alle Gewinde des Pergamentstreifens sein Geheimnis.

16] Nun hat aber Cyrenius einen genau gleich so dicken Stab, wie da der meinige ist.

17] Habe ich das Schreiben beendet, so wird es dann vom Stabe abgerollt und sicher ganz offen an meinen Bruder durch wen immer übersendet, -

18] und kein Mensch ist dann ohne einen gleichen Stab imstande, den Inhalt eines solchen Schreibens nur von ferne her zu entziffern;

19] denn er entdeckt auf dem Streifen nichts als zumeist einzelne Buchstaben oder höchstens Silben, aus denen er gewiß in Ewigkeit nicht klug wird, was da auf dem Streifen steht! - Joseph, hast du mich verstanden?«

20] Und Joseph sprach: »Ganz vollkommen, liebster Bruder!

21] Also magst du immerhin deinem Bruder schreiben; denn also wird das Geheimnis wohl niemand entziffern!«

22] Darauf wandte sich Kornelius an Eudokia und besprach sich über verschiedenes mit ihr.



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