Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


219. Kapitel: Jonathas Sündertränen und die heilige Liebe zum Herrn. Der Sünde Sold. Vom Wert und vom Zuge der reinen Liebe. (31.05.1844)

01] Bei dieser Rede des Kindleins aber fiel Jonatha, von seinem heißen Liebegefühle gedrungen, vor dem Kindlein nieder und weinte aus zu großer Freude und Dankbarkeit.

02] Das Kindlein aber sprach zu den anderen: »Seht ihr, wie mächtig da ist des Jonatha Liebe zu Mir?

03] Wahrlich sage Ich euch: Aus einer jeden Träne, die nun seinen Augen entstürzt, soll einst eine Welt für ihn in Meinem Reiche werden!

04] Ich habe euch zwar schon den Wert und den Unterschied der Tränen gezeigt; aber hier sage Ich euch noch einmal:

05] »Keine Träne ist größer vor Mir als die allein, die der Träne des Jonatha gleicht!«

06] Bei diesen Worten des Kindleins ermannte sich der große Jonatha und sprach:

07] »O Du allmächtiger Herr meines Lebens! Wie bin ich, ein großer Sünder, wohl solcher endlosen Gnade und Erbarmung von Dir würdig?«

08] Das Kindlein aber sagte: »Jonatha, frage dich, wie du Mich denn wohl so mächtig lieben kannst in deinem Herzen, so du ein so große Sünder bist?!

09] Ist die Liebe zu Mir nicht heilig in sich, wie Ich Selbst in Meinen Göttlichen es bin?!

10] Wie wohl magst du als ein großer Sünder solch heilige Liebe ertragen in deinem Herzen?!

11] Wird denn nicht ein jede Mensch geheiligt und ganz neu geboren durch die Liebe zu Gott in seinem Herzen?!

12] So du aber voll von dieser Liebe bist, sage, was ist demnach in dir, das du ,Sünde' nennst?

13] Siehe, eines jeden Menschen Fleisch ist wohl eine Sünde in sich; darum muß auch eines jeden Menschen Fleisch sterben.

14] Ja, Ich sage dir: Sogar dieses Fleisch Meines Leibes ist unter der Sünde Sold und wird darum auch gleich dem deinigen absterben müssen.

15] Aber diese Sünde ist ja keine freiwillige, sondern nur eine gerichtete und steht für deinen freien Geist in keiner Rechnung.

16] Darum wird dein Wert nicht nach deinem Fleische, sondern lediglich nur nach deiner freien Liebe bestimmt.

17] Und es wird dereinst nicht heißen: ,Wie war dein Leib?', sondern: ,Wie war deine Liebe?'

18] Siehe, so du einen Stein wirfst in die Höhe, da bleibt er dennoch nicht in der Höhe, sondern er fällt bald wieder herab zur Erde.

19] Warum denn? Weil die Materie der Erde ihn als eine gerichtete Liebe, von der er selbst voll ist, anzieht.

20] Warum aber fallen die Wolken und die Sterne nicht vom Himmel? - Siehe, darum, weil sie des Himmels Liebe anzieht!

21] Nun, so dein Herz aber voll Liebe ist zu Gott, dem ewig Lebendigen, wohin wohl wird dich diese allein freie, selbst lebendige Liebe ziehen?«

22] Diese letzte Frage erfüllte alle Anwesenden mit der größten Wonne, und sie wußten nun alle, wie sie daran waren.



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