Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


159. Kapitel: Eudokias Verwunderung und Unruhe ob des plötzlichen Verschwindens der herrlichen Jünglinge. Marias beruhigende Worte. Die Nachtruhe. Eudokias Heimweh nach Gabriel, dessen plötzliches Erscheinen und sein Rat.(06.03.1844)

01] Als die Jünglinge verschwunden waren, da fragte Eudokia die Maria wer denn so ganz eigentlich diese Jünglinge gewesen wären.

02] Denn Eudokia war noch eine Heidin und wußte nichts von den außerordentlichen Geheimnissen des Himmels.

03] Daß aber bei dieser Gelegenheit die Heiden die Engel sahen, rührte daher, weil für diese Zeit hindurch ihr inneres Auge erschlossen gehalten ward;

04] und das Verschwinden der Engel war sonach nichts anderes als das Sich-wieder-Schließen der geistigen inneren Sehe,-

05] aus dem Grunde es auch nach dem Verschwinden der Engel der Eudokia vorkam, als wäre sie aus einem tiefen Traume erwacht.

06] Sie fühlte sich nun wieder ganz naturmäßig, und alles, was sie den ganzen Tag hindurch gesehen, gehört und getan hatte, kam ihr wie ein sehr lebhafter Traum vor.

07] Darum denn auch ist die obige Frage von Seite der Eudokia an die Maria verzeihlich;

08] denn sie war nun wieder ganz im Außenzustande, und dieser war heidnisch.

09] Und Maria aber antwortete und sprach: »Eudokia, wir werden noch länger beisammenbleiben, und dir wird alles klar werden, was dir jetzt noch dunkel ist!

10] Für heute aber wollen wir uns zur Ruhe begeben; denn ich bin sehr müde!«

11] Eudokia begnügte sich wohl äußerlich mit dieser Vertröstung; aber in ihrem Herzen stieg die Begierde.

12] Joseph aber sagte: »Meine Kinder, es ist Nacht geworden; schließet die Tore und begebet euch zur Ruhe!

13] Denn morgen ist ja ohnehin noch der Nachsabbat, an dem wir nicht arbeiten; da werden wir uns über so manches noch besprechen können!

14] Für heute aber lobt den Herrn und tut, wie ich es euch anbefohlen habe!

15] Du, Jakob, aber bereite die Wiege und bringe das Kindlein zur Ruhe, und stelle die Wiege ans Lager der Mutter!

16] Und du, Eudokia, begib dich auch in dein Schlafgemach und stärke deine Glieder mit einem süßen Schlafe im Namen des Herrn!«

17] Und Eudokia ging sogleich in ihr bestimmtes Gemach und legte sich auf ihr Lager; aber ferne blieb der Schlaf.

18] Denn zu erregt war ihr feurig Gemüt ob des Verschwindens der Jünglinge;

19] denn sie hatte sich in den Gabriel verliebt und wußte sich nun nicht zu raten und nicht zu helfen, da der Gegenstand ihres Herzens so plötzlich vor ihren Augen verschwand.

20] Als aber alles ruhte und schlief da erhob sich Eudokia und öffnete ein Fenster und blickte hinaus.

21] Da stand plötzlich Gabriel vor ihr und sprach: Du mußt dein Herz zur Ruhe bringen!

22] Denn siehe, ich bin nicht ein Mensch gleich dir, sondern bin nur ein Geist und bin ein Bote Gottes!

23] Das Kindlein aber bete an denn dieses ist der Herr! Der wird beruhigen dein Herz!« Darauf verschwand der Engel wieder, und Eudokia bekam Ruhe.



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