Jesus Christus: 'Himmelsgaben', Band 3, S. 226


Kapitelinhalt Die Perle (31.01.1847)

01] In des Meeres tiefem Grunde, da wo die mächtige Woge erregt von grauser Windesbraut nimmer wühlt im tiefgelegnen Meeressande und wohl leicht nicht trübt den kargen Schimmer, der, ein Strahl der Sonne, noch die feuchte Meereswand durchwirrt und des Lichtes letzte Spitzen taucht in Haies Falkenauge, - da ruht ganz still in festgeschlossner Mutter eine hehre Frucht, die edelste der Tiefe, die, herauf ans Sonnenlicht gebracht, der Sonne wird zum Spiegel - und glänzt und pranget gleich mit ihr als Edelste mit der Edelsten! - Da schmückt mit ihr der König seinen Herrscherthron, die Fürstin ihren Arm, Haupt und Hals. Der großen Perle großen Wert weiß selbst ein Salomo genug zu schätzen nicht. - Die Edelsteine müssen erst geschliffen werden, sonst zieren sie die Kronen nicht; doch keines Schliffes bedarf die Perle mehr; wie sie der dunkle tiefe Meeresgrund gegeben, so ist sie schon die herrlichste Juwele! -

02] O Menschen! In euch auch ist ein Meer, in seinen Friedenstiefen bergend solchen Schmuck, damit der Himmel Fürsten reichlichst schmücken ihre Stirnen, Brust und Lenden! -

03] Kennt ihr Menschen ihn, kennt ihr die Perle, die der Armut Herz im armen Bruder birgt, und die herrlicher und größer sich gestaltet in des Gebers liebendwarmem Herzen, das da allzeit Gutes übt im stillen Meeresgrunde seines Liebefriedens - und edler wird und hehrer als der Sonne lichterfüllte Sphären? - O seht, das ist des Himmels Werden und sein Lichtgestalten in dem tiefen Lebensgrunde; Mein Gotteswort mit Fleisch bedeckt zwar noch, doch himmlisch wirkend, weil selbst Himmel über alle Himmel, also Himmel zeugend, schaffend, Licht gebärend in der Mutter, die da ist die Liebe - Gottesliebe, Bruderliebe, allumfassend, all's ergreifend, an sich ziehend und in ihrem Adel selbst das Allertiefstgesunkne noch bemühet in ihr Edles zu verkehren, -gleichwie die Perle des tiefen Meeres Schlamm in ihren hohen Adel zieht und ihn verkehrt in ihr edles Wesen.

04] Nicht richtet die Perle den Schlamm, den sie verkehrt in ihr Wesen durch ihr stilles Wirken, das die Welt nicht sieht und nicht bemerkt, wo doch so viel Edles wird gezeugt, daß die Welt den großen Wert nicht einmal kennt und ihn nicht zu schätzen weiß, - und es wird da das Edelste und Köstlichste im engsten stillen Raum gezeugt.

5] Also auch soll spiegeln sich ein wahrer Mensch in der Perle eignem Schimmer, der da lieblicher wohl ist als des Orions Feuerpracht, dann wird in sich er finden, was seines Lebens Meerestiefe birgt.



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