Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 2


12] Wenn süße Tön' das Ohr umflossen,

die Hand gedrückt des Freundes Hand,
wenn meine Arm' ein Glück umschlossen
und selbst die Lippe Lieb' empfand.

13] Doch nun bist du allein geblieben.

So sink' denn auch allein zur Gruft!
Ich hab' ja alles schöner drüben,
dort in der Himmel reinster Luft!

14] Nur eins stört meinen sel'gen Frieden

und macht mir ein wehmütig Herz:
Die, welche ich beließ hienieden,
ergeben sich zu sehr dem Schmerz!

15] Ich hör' sie mächtig um mich weinen,

der süße Schlaf erquickt sie nicht!
Wie gern doch möcht' ich euch erscheinen,
umstrahlt vom hellsten, klarsten Licht!

16] Wie gerne möcht' ich euch entdecken,

welch eine Wonne mich umfleußt!
Doch würdet ihr gar sehr erschrecken.
Ihr scheut ja den verklärten Geist!

17] So will ich harren an der Schwelle

und nur ganz heimlich nach euch sehn.
Und fließt um euch des Schlafes Welle,
mit leisem Tritte zu euch gehn.

18] Da will zu eurem Haupt ich treten,

umwehen es mit sanftem Hauch,
euch segnen, liebend für euch beten
- denn solches ist der Sel'gen Brauch.«

19] Dies Liedchen ist gut und wahr, daher soll es wohl recht beherzigt werden! Es gibt zwar schon ähnliche Lieder in guten Reimen, aber es klebt ihnen noch so manches Irdische an, darum sie auch minder zu beachten sind.

20] Dieses aber ist geistig wahr und rein! Darum soll es denn auch beachtet sein von jedermann! Denn es stellt wirklich eine Abschiedsszene eines guten Geistes von seinem irdischen Leibe dar!



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