Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 2


07] Was aber ist denn das für eine »Zeit«? - Meint ihr etwa, diese »Zeit« sei das Jüngste Gericht? - O Meine Lieben, solches ist hier mitnichten der Fall! Denn unter der hier besprochenen »nahen Zeit« wird nicht eine Zeit des Unterganges, wohl aber eine Zeit der Auferstehung verstanden. Und somit gilt diese Zeit nur dem, der das Wort in sich aufnimmt und danach lebt - aber nicht auch für den, der das Wort gar nicht kennt und es auch gar nicht erkennen will.

08] Wer aber das Wort nicht werktätig in sich hat auf die schon bekanntgegebene Weise, der ist ja ein Toter. Was aber haben die Toten mit der Zeit zu tun? Oder wann ist für einen abgestorbenen, toten Baumklotz Morgen, wann Mittag, wann Abend, wann Mitternacht? Wann ist ihm die Zeit nahe, wann ferne? Daraus werdet ihr doch sicher deutlich ersehen, daß die besprochene »nahe Zeit« keine Zeit der Toten, sondern eine Zeit der Lebendigen ist.

09] Wenn ihr nun das bereits Gegebene nur ein wenig aufmerksam durchgeht, so werdet ihr doch auch bald mit Mir wie im Johannes Evangelium ausrufen können: »Wir kennen Ihn!« - nämlich im Worte. Denn solches kommt von Ihm und ist das heilige Ich in jedem lebendigen Menschen und ist gesandt vom Vater als ein wahres Wort des Lebens!

10] Wer demnach dieses »Wort des Lebens« in sich hat, welches ist das lebendige Wort aus Mir, der ist auch gleich einem lebendigen »Ölberge«, auf welchen Jesus oder die ewige Liebe des Vaters überging.

11] Denn ein jeder Mensch gleicht einem Berge der Erde und ist demnach entweder ein Gletscher oder ein kahler, schroffer Steinberg oder eine mit sparsamen Moosen bewachsene Alpe oder ein tüchtiger Waldberg oder ein niederer Erzberg oder ein Weinberg oder endlich - freilich wohl seltener - ein Ölberg.

12] Wie aber ein Mensch zu einem Ölberge werden kann, das sagt eben der erste Vers dieser Aufgabe: »Selig, wer da liest und Gehör gibt dieser Weissagung und bewahrt, was in ihr geschrieben steht; denn die Zeit des Ölberges ist nahe zu ihm gekommen«. - Und selig und überselig wird jedes Menschen innerer Ölberg des Lebens sein, so Jesus kommen und denselben hinangehen wird!

13] Seht nun, Meine lieben Kindlein, also hätten wir diese vier verschiedenen Verse schon glücklich unter ein Dach gebracht! Bis auf den Ölberg in euch ist euch alles ziemlich klar. Ich aber will euch nichts vorenthalten, und so wisst denn, daß der »Ölberg« die wahre Demut, Sanftmut und die allerwilligste Gelassenheit und gänzliche Selbstverleugnung bezeichnet, welches alles ist das »Öl des Lebens«, davon der Berg den Namen führt und endlich gleichbedeutend wird mit seiner Frucht selbst.



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