Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


12] Ich sage dir, antworte lieber nicht! Denn jede deiner Antworten würde dich verdammen! - Und sagtest du Mir: »Ich habe noch nicht die Rechte gefunden, die da wäre ohne Fehler!« - so sage Ich: O du falscher Richter! Warum spähtest du so sorgfältig nach den Splittern in den Augen der Mädchen und mochtest nicht gewahr werden deines Balkens, ja vieler Balken in deinen Augen!? - Da du dich fürchtetest, von ihnen betrogen zu werden. Warum fürchtetest du dich denn nicht, daß sie vielmehr von dir betrogen und unglücklich wurden!? - Darum weiche von Mir, du eigenliebiger Selbstler! Denn es sind alle Mädchen so gut wie du hervorgegangen aus Meiner Liebe! - Warum wären sie dir denn nicht recht? - Ich sage, weil sie in ihrer Schwachheit besser wären, sämtlich, als du!

13] Darum antworte nicht, sondern schweige in aller reuigen Demut, damit dich deine Antwort nicht verdamme! - Und möchtest du sagen: »Mein Einkommen war zu gering, als daß ich vermöge desselben imstande gewesen wäre, mir ein Weib zu nehmen und sie zu erhalten!« - Da würde Ich dir darauf die Antwort geben: Höre! Da du dein Einkommen bemessen hast und hast es für zu gering befunden - warum hast du denn nicht auch zugleich bemessen deine geringen Fähigkeiten und deine großen Ansprüche - und warum nicht auch bemessen das Übermaß deiner sinnlichen Begierden, da du wohl sahst mit sehnsüchtigen Augen das üppige Glück der Großen und Reichen der Welt und mochtest gleich sein denen, die da haben, danach du begehrtest - aber so es nicht also gehen mochte, lieber kein Weib, sondern jewaige freie Unzucht haben wolltest!?

14] O siehe, es gibt noch arme und brave Mädchen in die Menge, davon du mehrere recht wohl kennst - warum ehelichtest du denn nicht? - Du würdest sagen: »Der beiderseitigen geringen Mittel halber nicht!« - Ich setze aber, du wärest reicht! - Ja, dann würdest du auf eine Prinzessin ebenso mitleidig und sinnlich zugleich herabschauen wie jetzt auf eine geringe Magd, die doch auch meine Tochter ist.

15] Damit du aber erkennest, daß sich dieses gerade also verhält, so mache Ich dich auf deine geheimen Gedankenphantasien aufmerksam, in welchen du dich durch allerlei großartige, romantische Träumereien zu den verschiedensten glänzendsten Verhältnissen des irdischen Lebens befördertest; und wenn du dann irgendeinen Gipfelpunkt erreicht hattest - wie schnapptest du dann gleich einem Sultane nach den schönsten und reizendsten Mädchen herum! Ja du verbargst oft deine erträumte Höhe und schlichst, wie ihr zu sagen pflegt, »inkognito« zu irgendeiner Jungfrau, die dir irgendwann einen Korb so recht derb gegeben hatte, und hieltest um ihre Hand an. Da sie dir aber, in deinem Traume, die Hand abermals verweigerte, so enthülltest du vor der Spröden deine phantastische sultanische Kaiserwürde und verschmähtest die nun durch solche Enthüllung in sich gegangene und gedemütigte Schöne und hattest große Freude, so du sie weinen und zu dir, nun einem großen Kaiser, die Hände ringen sahst.



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