Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


07] Nun seht, aus diesem kleinen Gleichnisse werdet ihr ersehen, wie schwer es ist, der blinden Welt zu predigen, und umgekehrt, wie schwer es auch der blinden Welt ist, die gepredigte Wahrheit als solche zu erfassen und zu begreifen.

08] Seht, so seid auch ihr allesamt noch blinde Gläubige - und Ich allein bin der Sehende! Wenn Ich euch daher Dinge eröffne und euch zeige die Fehlschüsse der Weltschützen, so glaubt, daß Ich euch gewiß allezeit die reinste Wahrheit sage und euch auch noch dazu in jeder Meiner Offenbarungen eine ganz tüchtige Portion Augensalbe mitspende, mittelst welcher ihr auch das Augenlicht wiedererhalten werdet, vorausgesetzt, daß ihr die Salbe fleißig gebraucht und euch mehr zur Ebbe als zur Flut haltet.

09] Denn es ist die Flut ein Sinnbild des Hochmuts - die Ebbe aber der Demut! Oder mit anderen Worten: Es ist die Flut ein Sinnbild des Überflusses, des Reichtumes und der damit verbundenen Unruhe - die Ebbe aber der Zurückgezogenheit, der Dürftigkeit und der stillen Ruhe.

10] Dem Schiffer ist oft freilich die Flut erwünschter als die Ebbe, wenn irgendein Sturmwind ihn auf eine Sandbank festgesetzt hat. Allein, diese Nützlichkeit ist nicht eine wahre Nützlichkeit. Denn das Schiff wird zwar von der Flut gehoben und dann weiterbefördert - aber sind nicht noch wohlbekannterweise vor oder nach den Sandbänken auch Klippen vorhanden? Seht, wäre nun das Schiff durch die Ebbe nicht in den Stand der Ruhe gesetzt worden auf der weichen Sandbank, so hätte der Sturm das Schiff auf eine Klippe geschleudert, wodurch dann alles zugrunde gegangen wäre. - Daher sollt auch ihr euch mehr die Ebbe als die Flut zum Spiegel eures Lebens wählen.

11] Nach dieser kleinen, nicht unrichtigen Vorbetrachtung will Ich, als der einzige sehende Schütze, den Bogen ergreifen und den Pfeil in die Ebbe und Flut senden; und wir wollen sehen, ob auch Ich einen Baum statt der Zielscheibe getroffen habe.

12] So ihr aber einen Maschinisten fragen würdet: »Sage mir, warum ist dieser Stift da in deinem Uhrwerke?« - wird es der Maschinenmeister nicht alsogleich wissen, warum dieser Stift da oder dort angebracht ist? - Ja, sage Ich, er wird und muß es wissen, da er sonst kein Meister wäre und das Werk nicht ein Werk seiner Hände. So Ich aber der große Meister bin in allen Dingen ewig und unendlich, so glaubt es Mir, daß Mir Ebbe und Flut recht wohl bekannt ist.



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