Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 3


Kapitelinhalt 65. Kapitel: Gleichnis vom Tautröpfchen. Vom Entwicklungsverlauf der Seele. (26.06.1843)

01] Auf die Frage aber, ob er solches verstünde, erwiderte der Lamech: »O Herr, wie sollte ich es nicht verstehen, da Du als das Licht alles Lichtes, die Sonne aller Sonnen mich durchleuchtest wie die Morgensonne einen bebenden Tautropfen, der sich da an der Spitze eines Grasblättchens von einem erheiternden Morgenhauche sanft schaukeln läßt?!

02] Das Tröpfchen ist gleich mir wohl ein unbedeutendes flüchtiges Ding in Deiner endlos großen Schöpfungen Reihe; aber wenn es da ist, so - nimmt es doch die Sonne so gut in sich auf als mein Auge und strahlt in seinem engen Kreise um sich herum wie eine kleine Sonne und erquickt mit seinem Lichte seine kleine Umgebung, seine kleine Welt, wie da erquickt ein weiser Mensch seine noch minder weisen Brüder.

03] Und so glaube denn auch ich hier gleich einem solchen Tautröpfchen zu sein. Ich bin von Deinem Lichte durchleuchtet und habe Dich insoweit erfaßt, als es mir zufolge meiner geschöpflichen Geringheit vor Dir, großer, allmächtiger Schöpfer, möglich ist und insoweit solches mir Dein allmächtiger heiliger Wille gestattet; und ich meine nun auch in diesem Deinem Lichte in mir, daß ich mit dieser Gnade meine Umgebung vielfach werde erquicken können.

04] Aber so ich dadurch sagen möchte: 'Herr, ich habe Deine strahlenden Worte ganz begriffen!', da müßte ich doch wohl noch für einen bei weitem größeren Toren gehalten werden, als so ich im Ernste behaupten möchte, ein Tautröpfchen hätte die ganze wirkliche Sonne in sich aufgenommen, weil es mit ihrem Lichte buntschimmernd widerstrahlt.

05] Du, o Herr, aber wirst am besten wissen, wieviel mir zu einem völligeren Erfassen Deiner heiligen Worte mangelt; darum bitte ich Dich: erleuchte mich nach meinem Bedürfnisse!«

06] Und der Herr belobte den Lamech ob seiner schönen Antwort und der guten Rede wegen, in der viel Weisheit zugrunde läge, und richtete nach solcher Belobung folgende Worte an ihn:

07] »Das Tröpfchen aber, mit dem du dich verglichest, ist so unbedeutend nicht und nicht also vergänglich, wie es dir vorkommt.

08] Siehe, das Tautröpfchen lebt, gibt Leben seiner kleinen Welt und wird in eben dieser Lebensspende selbst als ein sich selbst vervollkommnendes Leben von einem schon höher stehenden Lebensgrade aufgenommen, in dem es dann zur stets mächtiger wirkenden Seele wird, welche Seele dann nimmer stirbt, sondern stets wachsend und stille fortschreitend sich durch die Wesenreihe bewegt, bis sie ans Ziel gelangt ist, aufzunehmen höhere Strahlen aus der Sonne, die dich jetzt heißliebend bestrahlt!

09] Du hast gehört noch aus der Weisheit Faraks: Als aber Gott den ersten Menschen gebildet hatte aus dem Lehm der Erde, da hauchte Er ihm dann eine lebendige Seele in seine Nüstern, und da ward der Mensch eine lebendige Seele vor Gott, seinem Schöpfer.

10] Siehe, dieser Hauch weht noch fortwährend über und durch die ganze Erde hin welche samt und sämtlich sich im Adam verjüngt darstellt, und erweckt allzeit zahllose lebendige Seelen für künftige Menschen!

11] Und siehe, diese Menschen sind das Ziel des Tautröpfchens; in ihnen erst wird es befähigt, höhere Strahlen gerade auf die Weise, wie es nun bei dir der Fall ist, aufzunehmen aus der Sonne des ewigen Lebens, welches von keiner anderen Wesenreihe mehr eingesogen wird.

12] Also ist denn auch die ganze Erde wie ein Mensch, und ihr Bestand sind die Seelen, die einst schon, mit Meinem Geiste gebunden, da waren. Aber sie hielten die Probe noch nicht; darum werden sie nun neu im großen Mutterleibe der Erde ausgezeitigt und sodann erweckt zum neuen Leben durch Meinen Hauch.

13] Solches wirst du wohl kaum verstehen; aber es ist solches auch zum Leben nicht vonnöten.

14] Willst du aber Näheres darüber zu deinem Frommen, da hast du das Recht zu fragen. Und so frage denn was du willst, und Ich will dich erleuchten in allen Winkeln deines Lebens! So du aber fragst, da mache nicht viele Worte! Amen.«



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