Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 3


Kapitelinhalt 46. Kapitel: Rede des weisen Hauptredners über die innere Geistsprache und die äußere Mundsprache. (24.05.1843)

01] Nach einer Weile aber stand dennoch einer von den Kritikern auf und richtete folgende Worte an den Redner und sagte: »Höre, lieber Freund und Bruder! Daß du offenbar weiser bist als wir alle bei diesem Tische, das habe ich und sicher wir alle nun aus deinen Worten entnommen. Und so bin ich auch schon im voraus überzeugt, daß du uns allen meine folgende Hauptfrage lösen wirst; und so denn ersuche ich dich darum, daß du mich anhören möchtest

02] Der Hauptredner aber sagte zu diesem, der ihn fragen wollte; »Höre, die wahre Weisheit aus dem Herrn Gott Zebaoth sollte weder fragen, noch gefragt werden! Denn dem wahrhaft Weisen sagt sein inneres lebendiges Wort den Grund aller Wahrheit. Und der gefragte wahrhaftige Weise hat ebenfalls nicht vonnöten, gefragt zu werden; denn der Geist tut ihm kund das Bedürfnis seines Bruders.

03] Wenn du Mich aber fragen möchtest, sage, wie ist dann bestellt deine Mir ehedem von dir selbst als scharfem Kritiker angerühmte Weisheit?

04] Siehe, so du aber ein rechter Weiser bist, da solltest du im Lichte deiner Weisheit ja alsbald erschauen, daß Mir als einem Weisen ohne deine naturmäßig menschliche Frage bekannt sein muß, was dich drückt!

05] Du aber willst Mich fragen; bist du demnach ein Weiser, und hältst du Mich wohl für einen Weisen in der Tat und im Grunde deines Lebens?

06] Meinst du, die hohen Gäste wissen etwa solches nicht? Oh, gehe nur hin zu ihnen, und sie werden es dir sagen, was Ich dir nun gesagt habe!«

07] Hier ward der Kritiker sehr verlegen und wußte nicht, was er machen sollte; denn er entnahm den Worten des Hauptredners genau, daß dieser es gemerkt haben mußte, daß er ihm in dieser seiner aufstellen wollenden Frage habe eine kleine Fangschlinge legen wollen.

08] Da er aber dabei auch alsbald gewahrte, daß es sich mit diesem Hauptredner nicht so leicht werde abfertigen lassen, so fing er nach und nach ganz andere Saiten in seinem Herzen aufzuziehen an.

09] Und da der Hauptredner solches merkte, da richtete er alsbald folgende Worte an den Kritiker und sagte:

10] »Höre, Ich will dir auf deine Frage, die du, um Mich zu fangen, Mir ehedem geben wolltest, eine rechte Antwort geben, darum du in deinem Herzen nun einen andern Geist hast aufsteigen lassen; das aber sei die Antwort:

11] Du meintest, daß der Mensch ohne Wort sich nicht verständlich vor seinen Menschenbrüdern ausdrücken könnte, und so sei das Mundwort die Vollendung des stummen Gedankenwortes im Herzen, weil der Mensch dadurch sich erst als Mensch manifestiert vor allen andern Geschöpfen der Erde; und so müßte man Gott den Herrn ja nur allzeit mit den vollendeten Worten, aber nicht mit den inneren den Geist nur sättigenden Gedanken oder Gefühlsworten anbeten und danken und loben und preisen.

12] Siehe, das ist gerade der ganz verkehrte Weg! Eben dadurch, daß der Mensch ein Sinnen- und Weltdiener geworden ist und sich nach außen gekehrt hat, ist er auch in die äußere Mundsprache gekommen und kann nun seinen Bruder nicht anders verstehen denn durch das Wort des Mundes, welches an und für sich nichts ist als bloß nur die allerauswendigste Rinde eines Baumes.

13] Er hat aber dadurch unberechenbar viel verloren durch diesen scheinbaren Gewinn; denn wäre der Mensch bei seiner inneren Geistsprache geblieben, so stünde die ganze Schöpfung für ihn sprachfähig da, und er könnte verstehen die Dinge in ihrem Grunde. So aber ist er ein stummer Betrachter geworden und hat in sich verdorben alle seine Sinne durch seine Nachaußenkehrung, daß er darob taub, blind und gefühllos ward gleich der Rinde des Baumes und nichts vom Grunde der Dinge versteht; ja nicht einmal sich selbst kennt er und nicht das klagende Herz seines Bruders!

14] Möchtest du nun nicht noch auch dazu die Anerkennung und Anbetung Gottes, der doch das allerinwendigste Leben im Menschen Selbst ist, ganz nach außen richten, damit du dadurch auch Gott verlieren könntest und werden zu einem Heiden oder gar zu einem völligen Gottesleugner?!«

15] Hier ward es allen ganz sonderbar zumute am Tische des Redners sowohl als - bis auf den Henoch, den oberen Lamech und Hored - auch den am Haupttische Sitzenden.

16] Und der untere Lamech fing an, sich gar gewaltig hinter den Ohren zu kratzen, und hätte gern wieder eine Bemerkung gemacht, - aber der Redner war noch nicht zu Ende; darum harrte er auch geduldig auf den Ausgang dieser Sache.



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