Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 200. Kapitel: Entlarvung der falschen Naeme.

01] Der Kisehel aber, der gar wohl unterrichtet war, in was diese erste Versuchung bestehen werde, sah den Lamech und den Thubalkain fest an und sagte endlich zu beiden:

02] »Glaubet ihr es, daß sich die Sache also verhält, wie es euch diese Naeme verkündigt hat?«

03] Und der Lamech fiel ihm sogleich etwas heftig ins Wort: »Meinst du denn, ich kenne meine Tochter nicht?! Welchen Nutzen hätte sie wohl mit einer Lüge an mir beabsichtigen können! Sie ist meine herrliche Tochter, und als solche hat sie mir noch allzeit die Wahrheit gesprochen! Was willst du sonach mit deiner Frage?«

04] Und der Kisehel sagte darauf zum Lamech, wie auch zum Thubalkain: ,Gut, so ihr sie für die rechte Naeme haltet, so bleibt bei eurem Glauben!

05] Die Berge aber werden dann wieder abgesperrt werden, und keiner von euch wird je die wahre Naeme zu sehen bekommen; der Tempelbau wird unterbleiben, und jene überheilige Tafel dort wird sogleich von mir selbst aus diesem eurem Hause geschafft und mitgenommen werden auf die Höhe!

06] Glaubt nun entweder uns - oder dieser Naeme! Wie ihr aber glaubt, also wird es euch auch geschehen! Nun stehen euch die Pforten des Lebens und des Todes in gleichem Maße offen: Bleiben wir bei euch, so bleibt das Leben auch bei euch; bleibt aber diese Naeme bei euch, so ist der ewige Tod euer unausbleiblicher Teil!

07] Also möget ihr nun wählen zwischen den nun ausgesprochenen beiden Extremen; euer Wille nun! Amen.«

08] Hier ergriff der Lamech den Thubalkain bei der Hand, führte ihn etwas seitwärts und sagte zu ihm: »Höre du, lieber Sohn! Wahrlich, mir kommt diese Naeme etwas sonderbar vor! Denn sie hat bis jetzt weder mich, noch dich angeschaut; sondern wie sie herein zur Türe gestürzt ist und ist vor uns niedergefallen auf ihr Angesicht, also kauert sie noch am Boden wimmernd!

09] Ich bin der Meinung, bevor wir ihretwegen unsere gute Sache völlig mit den sieben mächtigen Freunden brechen wollen, so wird es sehr nötig sein, aus dem tüchtigsten Grunde eben dieser sonderbaren Naeme etwas näher auf den Zahn zu fühlen!

10] Und dazu wird nichts besser sein, als daß ich ihr gebiete, daß sie sogleich erstehe und jene bedeutungsvolle Tafel vom Throne nehme und somit mir und ihr wieder den Herrscherstuhl einräume. Wird sie das tun, so wollen wir ihren Worten glauben; mag sie aber solches nicht zuwege bringen, da wissen wir denn auch, daß diese Naeme nichts als eine Truggestalt ist, um uns zu versuchen, und wir wollen ihr dann auch den gehörigen Abschied geben!«

11] Und der Thubalkain willigte in diesen Vorschlag ein und sagte: »Vater, solches heiße ich einen Plan weise fassen; also gehen wir hin nach deinem Willen und nach deinem weisen Rate!«

12] Und beide bewegten sich wieder zur Naeme hin. Als sie bei ihr anlangten, da bog sich der Lamech auf den Boden zur Naeme, rührte sie mit seinen Fingern an und sagte zu ihr:

13] »Naeme, so du wahrhaft meine Tochter bist, da erhebe dich vom Boden, und zeige mir dein Gesicht! Sodann gehe hin zum Throne, und hole mir die leuchtende Tafel; übergib sie mir, - und alle Macht der Gebirgszauberer ist gebrochen!

14] Ich bin dann wieder der alte, mächtige, unüberwindliche König und du meine rechte Hand.

15] Denn in und auf dieser geheimnisvollen Tafel ist die ganze Macht der Gebirgszauberer verborgen!

16] Bist du wahrhaft meine Tochter Naeme, so wirst du solches wohl tun, so es sich einzig dadurch um meine Rettung handelt!«

17] Hier fing die Naeme an, sich zu krümmen, und gebärdete sich gar jämmerlich, tat gar kläglich und machte also, als ob sie vor lauter Schwäche nicht erstehen könnte.

18] Der Lamech aber ergrimmte über solches Gebaren und sagte: »Naeme! Du kennst den Lamech! - Warum zauderst du, das zu tun, was ich will?

19] Bist du schwach und ohnmächtig, da rede; denn ich bin dir ja ein Vater und besitze noch so viel, um dir die nötige Stärkung zu verschaffen! Denn wer sich noch so gewaltig zu winden und zu krümmen vermag und kann also jammern wie du, der hat sicher auch noch so viel Kraft und kann kundgeben, was ihm fehlt, und warum er etwas also Leichtes nicht alsbald vollziehen kann, oder will!

20] Also erstehe, oder mein schrecklichster Fluch soll dich treffen!«

21] Hier erhob sich die Naeme, und als die beiden ihres Antlitzes ansichtig wurden, erschraken sie gewaltigst; denn es hatte mit der Naeme nicht die leiseste Ähnlichkeit.

22] Dennoch aber sagte der Lamech zu ihr: »Aus deinem Gesichte erkenne ich dich nicht; gehe aber hin zum Throne, tue das Anbefohlene, und ich will dich aus deinem Willen erkennen!«

23] Hier fing die Naeme an zu zittern, sank bald zusammen und ward unsichtbar! - Hier fragte der Kisehel alsbald den Lamech: »Nun, Bruder Lamech, wie gefällt dir diese Naeme?«

24] Und der Lamech und der Thubalkain fielen vor dem Kisehel nieder und beweinten ihre Blindheit; denn sie hatten nun erst vollends erkannt, welch eine Bewandtnis es mit dieser Naeme hatte, und wessen Geistes Kind sie so ganz eigentlich war.



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