Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 166. Kapitel: Der Unterschied zwischen Verstandesklugheit und Herzensweisheit.

01] Und der Abba sagte darauf zum Redner und also auch zu dessen Brüdern: »Ich sage dir, du hast Mir eine ganz richtige Antwort gegeben, und es ist also, wie du es nun beleuchtet hast!

02] Aber alles dieses ist aus deinem Denken durch den Verstand und durch deine Weltklugheit hervorgegangen, demzufolge du auch bist ein vollkommen rechtlicher Mann.

03] Da du aber alles das auf dem Wege reifen Denkens und Klügelns gefunden, so hast du dadurch auf eine Zeitlang wohl belebt die Sinne deiner Seele; aber dein Geist ist dennoch völlig ungeweckt, ja nahezu wie tot dabei geblieben! Daß solches sich aber also verhält, sollt ihr alle aus einigen kleinen Gleichnissen klärlichst erschauen!

04] Die Seele und ihre Sinne sind des Geistes Blüte. Wenn du aber eine Lilie, die noch nicht völlig sich entfaltet hat, vom Stocke brichst und steckst sie dann ins Wasser, so wird sie sich da wohl auch entfalten, und ihre äußere Gestalt und ihr Geruch wird dann völlig gleichen derjenigen, welche sich entfaltet hat am Stocke. Wenn es sich aber hernach ums Reifwerden des lebendigen Samens handelt, siehe, da wird derselbe zugrunde gehen samt der abgedorrten und zum Teile verfaulten Blüte; denn des Samens Leben entstammt nicht der Blüte, welche nur die Bestimmung hat, desselben Formen zu entwickeln oder was da ist des Samens Leib, sondern der Wurzel nur, welche da steckt in der mit dem Leben gesättigten Erde!

05] Nun siehe, gerade also auch verhält es sich mit dem Menschen, wenn er nur nach der puren Weisheit hascht; denn die Weisheit für sich ist dann nichts als eine leere Entfaltung der Blüte irgendeiner Pflanze, welche vom Wurzelstocke genommen oder getrennt wurde, und kann kein Leben bewirken, weil sie keine Wurzel hat und keine Erde, sondern nur ein pures Wasser, welches für sich kein Leben hat, sondern nur das Vermögen, das Leben der Erde zu entbinden und die Wurzel aufnahmefähig fürs Leben aus der Erde zu erhalten.

06] Die Liebe aber ist die Wurzel des Lebensbaumes, und das Herz oder das Gemüt, welches sich im Gefühle ausspricht, das Erdreich. Wer demnach Früchte des Lebens ernten will, der muß das Erdreich düngen und der Wurzel Nahrung verschaffen; sodann wird am Stocke, der da an der gesunden Wurzel lebt, schon ohnehin die Blüte und mit derselben auch zugleich der lebendige Same gar überaus gut gedeihen.

07] Du hast den Abedam und den Henoch der Wahrheit also vollkommen getreu aufgefaßt, wie völlig ähnlich da ist die vom Stocke getrennte und dann im Wasser entfaltete Lilienblume derjenigen, die sich am Stocke entfaltet; so du aber wirst den Samen zu suchen anfangen, wahrlich, da wirst du keinen finden, weil keine Wurzel und kein Erdreich (vorhanden sind)! Verstehst du solches?

08] Höre aber noch ein Gleichnis! Siehe, im warmen Sommer prangen gar viele Pflanzen über dem Boden der Erde; wenn aber dann der Winter als der starke Lebensprüfer kommt, so richtet er alle Schöpfungen des Lichtes zugrunde, - nur die Wurzel und den vollends reif gewordenen Samen vermag er nicht zu töten!

09] Siehe, also ist auch die Sache der Erkenntnisse über Abedam und Henoch! Der Verstand wird den Abedam und den Henoch so lange halten, solange diese für ihn tastbar da sind und wird auch über sie so lange nachdenken, als er nicht zu einem ihm genügenden Endresultate gekommen ist; hat er aber solches gefunden, dann ist für ihn auch die Sonne untergegangen, und der Winter hat seinen Anfang genommen.

10] Die Erkenntnisse werden abzusterben anfangen und überzugehen in den Tod, der da ist pur Falsches und Arges und gleicht den Schimmelgewächsen und den Schwämmen, die da keine Wurzel und keinen Samen haben.

11] Ist aber Abedam und der Henoch aufgenommen von der Liebe im Herzen, so wird er zu einem Baume werden, unter dessen Zweigen sich selbst die Geister der Himmel bergen werden.

12] Denn da wird der Abedam sein die Wurzel, und Sein Wort das Erdreich, aus dem dann allenthalben ein Henoch voll des lebendig reifen Samens hervorgehen wird; und die Blüte dieses Stammes wird gerecht sein und wird geben dem Samen selbst die rechte Gestalt und ein rechtes, festes Kleid, in dem sich das Leben wird ewig halten können! - Verstehst du solches?

13] Ja, du verstehst es jetzt also, als da die Wasserblume gleicht einer vollkommenen Blüte; aber so du nur bleiben wirst im Wasser deines Verstandes, so wird dir aus diesem Verständnisse auch kein lebendiger Same erwachsen, wie da aus der Wasserblume keiner entwächst!

14] Ich sage dir aber: Umfasse deinen von der Wurzel getrennten Blütestamm mit guter, lebendiger Erde deines Herzens, und begieße dann denselben unablässig mit diesem lebendigen Wasser, das da nun geflossen ist aus Meinem Munde, so kannst du noch wenigstens den Samen zur Reife bringen, denselben dann neu säen in dein Erdreich, damit dir dann auch eine neue Wurzel des Lebens werde, der kein Winter mehr wird zu schaden vermögen; denn ohne Wurzel ist kein Leben möglich!

15] Du wunderst dich jetzt wohl über Meine Weisheit; Ich sage dir aber: Suche, daß dich ehestens Meiner Liebe wundernehmen wird, sodann wird dich der Weisheit nicht mehr so sehr wundern, sondern des ewigen Lebens, welches ist die Liebe und der Urgrund aller Weisheit!

16] So dir jemand eine schöne Blume spendet, die du noch nie gesehen hast, dann hast du eine große Freude; Ich aber gebe dir das ganze Gewächs! Setze es ins Erdreich, und du wirst da die Wurzel, die Blüten und endlich sogar den Samen des Lebens ernten!

17] Verstehe solches! Ist dir aber etwas fremd, - siehe, hier bin Ich und dort der Henoch; frage, und wir wollen dir und jedem antworten aus der Wurzel! Amen.«



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