Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 61. Kapitel: Fehltritt des Sehel. Abedams großes Zeugnis über Sehel.

01] Mit diesen Worten ward der Sehel erfüllt, und die Worte waren Kraft, Geist und Leben aus Gott, und Gott war jedes Wort aus dem Munde des heiligen Vaters darum, da Gott die Kraft ist in der Liebe, die da heißt der Vater, also wie die Liebe ist die endlose Stärke, Macht und Gewalt in aller Kraft Gottes.

02] Also mit diesen Worten erfüllt, welche da sind die Kraft des Geistes Gottes, blieb der Sehel beim Abedam und machte nicht Platz einem andern, der da auch gerufen wurde.

03] Es war aber beim Sehel nicht etwa Ranglust die Ursache seines Bleibens, noch irgendeine Ehrliebe, sondern allein die kindliche Liebe hielt ihn also unausweichbar fest an Mich gebunden und so sagte Ich als der Abedam auch nur allein des äußeren Platzes wegen noch zu ihm:

04] »Sehel, siehe, es müssen die andern ja auch noch zu Mir kommen, also, wie du zu Mir kamst, als Ich dich zu Mir gerufen habe! Daher magst und kannst du schon hier ein wenig zur Seite gehen; denn du kannst nun ohne Sorge sein, Mich je wieder verlieren zu können.

05] Da du bis hierher kamst - des sei überfroh! -, kamst du aus eigener Kraft oder nach deinem Willen; so weit somit du gehen konntest, gingst du auch allein.

06] Als du aber in Meine Nähe kamst, da eilte Ich dir und euch allen entgegen.

07] Nun aber bist du schon völlig bei Mir und magst fürder jedes eigenen Schrittes rathalten (entbehren), sondern dafür in aller Ruhe bei Mir verbleiben oder Mir tätig nachfolgen, dahin Ich ziehe.

08] Aber alles dieses Gesagte betrifft nur allein das Herz und den Geist im selben und dessen Beziehungen, aber durchaus nicht den Leib. Daher kannst du dich wo immer leiblicherweise befinden; ist aber dein Herz in aller Liebe deines Geistes bei Mir, so bist du Mir überall gleich nahe.

09] Möchtest du Mir dem Leibe nach aber auf dem Rücken sitzen, dein Herz aber wäre entweder in der Tiefe des Meeres beschäftigt, oder dein Geist wühlte unter den Sternen herum oder irgendwo in einer fernen Gegend der Erde, wahrlich, da wärest du Mir auch geradeso ferne, wie ferne Mir dein Herz sonst wäre und die Liebe deines Geistes.

10] Daher also, du Mein geliebter Sehel, kannst du dich nun schon auch dem Leibe nach von Mir etwas ferner halten, also, daß auch deine Brüder Mir fürs erste dem Leibe nach sich werden aus dem Grunde nahen können, aus welchem Grunde du fürs erste dich Mir also dem Leibe nach genaht hast! Verstehst du solches, geliebter Sehel?«

11] Und der Sehel bejahte die Frage in seinem Herzen, und der Abedam erwiderte ihm darauf: »Also tue danach! Amen.«

12] Und der Sehel ward überfröhlich in seinem Herzen, lobte und pries den Vater im Abedam, gab Gott alle Ehre seines Geistes und trat beiseits.

13] Bei diesem Rücktreten aber wandte er kein Auge ab vom Abedam und ging daher rücklings; da er aber demnach nicht sah, wohin er trat, so geschah es, daß er dem Garbiel mit der Ferse auf den Fuß trat.

14] Der Garbiel aber wurde darüber etwas ungehalten und gab dem Sehel einen Verweis, sagend nämlich:

15] »Aber sage mir doch einmal: Warum wandelst denn du nicht, wie dir die Füße zum Wandeln gegeben wurden?

16] Wozu denn rücklings - und die Füße der Brüder nicht achtend, als wären sie Gassen- und Straßensteine, so deine Knie doch vorwärts, aber nicht rückwärts sich beugen?

17] Und überhaupt kommst du, wohin du dich nur immer kehrst, schon nimmerdar vom Flecke! Glaubst denn du, vor dem Herrn kann man auch so langweilig stehen bleiben wie oft ärgerlichermaßen genug vor unsereinem?!

18] Siehe, Sehel, wie dumm du schon wieder warst! Ich habe es dem Abedam, der da ist heilig, heilig, überheilig und unser aller liebevollster Vater ist, von weitem angesehen, daß du Ihm mit deiner Dummheit schon lästig warst, - was Er dir durch Seine letzten Worte doch deutlich genug zu verstehen hat gegeben!

19] Aber du merktest es nicht und gebärdest dich jetzt auch noch, als wären deine Sinne nicht ganz in der Ordnung, - darum du auch so recht tölpelhaft rückwärts gingst, ohne nur im geringsten zu bedenken, Wer da vor uns ist, und auf was du mit deinen ziemlich plumpen Füßen trittst!

20] Ich bitte dich, Bruder Sehel, nimm dich doch einmal zusammen, und werde wenigstens vor Gott ein anderer Mensch, so du es schon vor uns, deinen Brüdern, nicht der Mühe wert finden solltest, also zu sein, daß wir an dir ein Wohlgefallen haben könnten! Wahrhaft, ich schäme mich an deiner Stelle!«

21] Und der arme Sehel wußte sich nun aus lauter Verlegenheit nicht zu helfen; denn er wußte in diesem Augenblicke nicht, wen er zuerst um Vergebung bitten sollte.

22] Und so er auch reden wollte, da versagte ihm die Zunge ihren Dienst; als er sich aber nach einigen Augenblicken doch wieder gesammelt hatte, soviel es ihm nur immer möglich war da stürzte er alsbald hin zum Abedam und bat Ihn flehentlichst um Vergebung, darum daß er früher so wenig beachtet habe, vor Wem er war, und Wem er durch seine Langweiligkeit sicher zur Last gefallen ist. Und er bat den Abedam noch, daß Er ja doch wieder dem Bruder Garbiel den Fuß heilen möchte, so er durch seinen ungeschickten Tritt sollte in einen schmerzlichen Zustand versetzt worden sein.

23] Der Abedam aber beugte sich nieder zur Erde und erhob alsbald den armen Sehel von der Erde, drückte ihn dann an Seine Brust und sagte zu ihm, wie zu allen:

24] »Sehel, Ich sage dir, du bist kein Mensch mehr, sondern ein reiner und großer Engel des allererhabensten Himmels!

25] Ja, Ich sage dir: Was du jetzt bist, das warst du schon im Mutterleibe: ein unsterblicher Urabstämmling aus dem allerhöchsten der Himmel, allda niemand wohnt denn allein die allerunschuldigste Liebe der kleinsten Geister, welche aber eben darum die allermächtigsten sind und die allerweisesten, da sie in der allerinnersten, heiligsten Tiefe Meines Herzens wohnen!

26] O Sehel, du Mein großer Liebling, erkennst du Mich jetzt, wie du Mich schon vor Ewigkeiten erkannt hast, daß Ich dein lieber, heiliger Vater bin?!

27] Erinnerst du dich, wie du an Meiner Seite schwebtest den endlosen noch gänzlich leeren Raum entlang, und Ich zu dir sagte: ,Getreuer Bruder Meiner Liebe! Siehe, also ist uns ein Bruder gefallen hinab in die endlose Tiefe, die da endlos und ewig erfüllt ist mit dem Feuer Meiner allerunendlichsten und ewigsten Gottheit!

28] Hier lasse uns aus dieser Träne in Meinem Auge eine erste Sonne gründen!' - und du darauf sagtest: ,Heiligster Vater! Dein heiliger Wille geschehe!'

29] Und da du Mir solches sagtest, erinnerst du dich nun wieder, wie da auch deinen Augen eine Träne entfiel und Ich dann diese deine Träne segnete und sagte: ,Lieber Bruder Meiner ewigen, unendlichen Liebe, siehe, durch diese deine Träne soll diese Sonne, diese erste und größte, befruchtet sein, damit da aus ihr erfüllt werden soll dereinst der ganze endlose Raum mit zahllosen Kindern ihresgleichen bis dahin, daselbst das ewige Feuer Meiner Gottheit den ewigen Anfang nimmt!'?!

30] Doch, lieber Bruder Sehel, nun nichts mehr weiter! Daher aber sei nun auch ohne Sorge; denn unsere Bekanntschaft und Liebe ist schon eine gar alte! Jetzt wird dir auch sicher klar sein, warum du ehedem rücklings gingst und konntest deine Augen nicht abwenden von Mir!

31] Sehel, das war aber deine letzte Prüfung bis auf eine noch dereinst auf kurze Zeit, und dann noch eine, die allerletzte, da Ich dich vor Mir her senden werde! Für jetzt aber behalte den Leib, so lange du ihn willst; aber Mein Antlitz sollst du nimmerdar missen!

32] Also sollst auch du dein Gesicht verstehen, wie jedes andere; aber behalte es bei dir!

33] Darum (weil) du aber dem Garbiel auf den Fuß tratest, soll er ein Lehrer der Zeichen werden, und du sein Meister; das aber soll ihm eine große Demütigung sein, wie allen, daß er jetzt erfahren hat, daß der, den er für einen Tölpel hielt, ein gar alter Bruder ist Meiner ewigen Liebe und eher war denn alle Sterne, Sonne, Mond und Erde! Doch, lieber Bruder, jetzt lasse uns noch die anderen Brüder vernehmen, was alles sie gesehen haben in ihren Herzen! Amen.«



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