Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 57. Kapitel: Henochs Rede über die Zungenfertigkeit Garbiels. Garbiels innere Beschauung.

01] Es trat aber auch alsbald der Garbiel zum Henoch hin und wollte mehr aus Zungenlust denn aus einem wahren, inneren Bedürfnisse mit dem Henoch einige Worte zu tauschen anfangen.

02] Der Henoch aber kam ihm zuvor und sagte zu ihm: »Garbiel, höre, der Herr und unser aller liebevollster Vater läßt dir sagen, daß du nun schweigen sollest, so auch du geweckt werden willst!

03] Oder habe ich wohl früher durch die heilige Weisung Dessen, der da wandelt unter uns, auch die lustige Beweglichkeit der Zunge als ein Weckmittel euch anempfohlen?!

04] Ich sage dir: achte dessen, was da ist gesagt worden, so wirst du den Weg in dein eigenes Herz finden, - aber nimmer durch die Fertigkeit deiner Zunge, welche dir eher den Weg ins ewige Leben zu versperren, als ihn zu eröffnen vermöchte!

05] Siehe, bis jetzt warst du der Erste oder dünkest dir vielmehr, ein Hauptmann unter deinen Brüdern zu sein; allein solches hat vor dem Herrn aller Heiligkeit, Liebe, Sanftmut und Geduld nicht den allergeringsten Wert, sondern allein ein liebevolles, reumütiges, zerknirschtes Herz.

06] Denn alles, was sich da hervortut auf der Welt, das steht bei Gott im Hintergrunde; so aber jemand hier ein ganz unbeachteter, letzter Bewohner dieser Erde ist, der aber ist dafür der Allerangesehenste bei Gott.

07] Es hüte sich aber dennoch ein jeder, etwa des Eigennutzes wegen der Letze zu sein, sondern allein darum, daß er darob den liebevollsten Vater desto mehr in solch stiller Abgezogenheit lieben könnte und desto mehr sehnsüchtigsten Herzens werden möchte, zurückzukehren in die ewige Heimat, allda der überheilige Vater beständig wohnt als Gott aller Macht, Kraft, Gewalt und Stärke!

08] Falls du, lieber Bruder Garbiel, solches nicht solltest gewußt haben, so merke es dir jetzt, damit auch du an der baldigen Erweckung werdest einen Teil haben können!

09] Denn du wirst dich dem allerheiligsten und allerliebevollsten Vater nicht eher nähern können, als bis du dich werdest völlig beschaut haben in deinem Herzen.

10] Du weißt es aber so gut wie ich, welcher Unterschied da ist zwischen einer wohlreifen und einer notgezeitigten Frucht; sehet aber alle zu, daß ihr etwa nicht zu den notzeitigen Früchten gerechnet werdet!

11] Es ist zwar heilig wahr, daß der große, heilige Zeitigmacher unter uns wohnt, lehrt und führt, - aber der da zu Ihm kommt mit einem unreifen Herzen, den wird Er belassen bis zur Vollreife des Herzens; ist aber diese einmal erfolgt, dann wird auch die Zeitigung des Geistes nicht ferne mehr sein.

12] Es ist aber nicht genug, daß da jemand geweckt würde nur für ein Jahr, Tag und Stunde; sondern wer da geweckt wird, der wird geweckt für die ganze Ewigkeit.

13] Doch in der Zunge wohnt der Geist nicht, sondern allein im Herzen. Wer aber da hat eine geweckte Zunge, der hat darum noch nicht einen geweckten Geist im Herzen; denn die Zunge ist ein Teil des Kopfes und ist dessen Fuß und Arm.

14] Wenn aber der Geist erweckt ist, dann hat die Zunge des Kopfes lieber Ruhe denn eine zwecklose Bewegung; denn dann erst erschaut nach Innen der Verstand des Kopfes als das naturmäßige Licht der Seele, welch ein endloser Unterschied es ist zwischen der Zunge des Geistes und der des Fleisches.

15] Darum also tue auch du, lieber Bruder Garbiel, nach der Weisung des allerheiligsten Vaters, und schweige mit der Zunge; aber werde dafür desto liebgesprächiger in deinem Herzen zur Erweckung deines Geistes und zur sicheren Gewinnung des ewigen Lebens dafür und dadurch! - Verstehe und beachte es wohl! Amen.

16] Als der Garbiel aber diese Rede vernommen hatte, da ward es ihm bange ums Herz, und er wußte nicht, was er nun tun sollte, und fing darum an, bei sich nachzudenken. Da er aber nachdachte mehr und mehr, so wurde es immer lichter und heller in seinem Herzen, daß er darob verstummte, und schaute und schaute, wie da ein Licht ums andere anfing, emporzusteigen aus der Tiefe des Herzens, und wie da sein Herz anfing sich auszubreiten zu einer Weltengröße, und sah in der Mitte dieser ihm nun schon endlos groß scheinenden Welt einen hohen Altar aufgerichtet und auf diesem Altare stehen einen kräftigen Jüngling, mit weißen Kleidern angetan.

17] Und dieser Jüngling sah empor gen Himmel, aus welchem ein endlos starkes Licht sich über ihn ergoß; und aus diesem Lichte klang es wie laut vernehmliche Worte:

18] »Garbiel, Garbiel, beschaue die Zeichen deiner Hand, die da ist an der Seite des Herzens, und schreibe mit diesen Zeichen das Wort auf steinerne Tafeln, und lehre solches auch deine Brüder tun!«

19] Und der Jüngling ward zu einem Manne und besah die Hand und fand fünfundzwanzig Zeichen (das Alphabet) auf derselben und fand auch ihre Namen und ihren Ursprung und ihre innere Bedeutung.

20] Und alle die anderen merkten ähnliche Zeichen in sich.

21] Der Henoch aber bekam die Weisung, sie zu erwecken, nachdem sie alle in dieser inneren Beschauung bei anderthalb Stunden zugebracht hatten.

22] Und alsbald erweckte auch sie der Henoch und geleitete sie in großer Freundlichkeit hin zum Abedam.



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