Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 37. Kapitel: Horeds Selbstgespräch und Reue.

01] Bei einer guten Stunde lang seufzte nun der Hored in einem etwas beschwerlich zugänglichen Winkel der Grotte, als da vom Morgen her ein leichter Wind zu wehen begann und dem herrlichen Tönen ein Ende machte.

02] Als sich aber die dem Hored so heilig vorkommenden Klänge verloren, da richtete er sich auch alsbald auf und fing an, mit sich folgendes Gespräch zu führen, sagend:

03] »O du herrliche, wunderbare Schöpfung Gottes, wie erhaben und heilig bist du, mit den Augen der Liebe betrachtet und tief gefühlt im liebenden Herzen, ja mit einem vor Gott nur einigermaßen liebegereinigten Herzen!

04] Welch ein Unterschied nun in mir! Vorher, vor einer Schattenwende kaum, war alles noch kalt um mich her und tot alles, - ja, mein Herz selbst war kalt und keiner Träne fähig mein Auge; jetzt lebt alles: der harte Stein redet, und das Gras sendet duftende Lobgesänge zu den heiligen Höhen Gottes empor!

05] Durch die regen Äste der herrlichen Bäume rauscht eine heilige, reine Sprache, ein großes Wort über alle die Wälder der Erde; es tönet: ,Gott ist die reinste Liebe! Und alles ist Liebe um Ihn, aus Ihm und durch Ihn!'

06] Oh, wie herrlich, wie schön, wie heilig, wie lebendig ist doch jetzt alles um mich her! Wie erhaben nun diese heiligen Berge und wie unaussprechlich erhaben heilig nun jene Morgenhöhe Adams, wo - wo - o die Größe! Ich kann es nicht aussprechen!

07] O mein Herz, mein Herz! Jetzt öffne dich überweit; ja über alle endlosen Schöpfungen hinaus erweitere dich und erfasse, was dort auf jener heiligen Höhe sich nun befindet!

08] Erfasse es, erfasse es; denn Gott, der große, ewige, überheilige Schöpfer der Unendlichkeit - o Herz, erfasse es! - der liebevollste, allerheiligste Vater ist es! Ja, unser aller Vater ist es, der Sich dort befindet, sichtbar unter Seinen Kindern!

09] O Natur, o ihr Winde alle, du plätschernde Quelle, schweiget, schweiget nun; und ihr zwitschernden Bewohner der Äste der Zedern, und du auch, zirpende Grille, hemmt nicht das heilige Gefühl in meiner Brust!

10] Der heilige Vater, voll der allerhöchsten Liebe, unter Seinen Kindern dort auf jener heiligen Höhe! Er - der allmächtige Schöpfer, der ewige, alleinige Gott und Herr aller Dinge und Wesen als Vater unter Seinen Kindern! O Gedanke, o du lichteste, heiligste Wahrheit, welche Unendlichkeit kann dich fassen, welche Ewigkeit dich begreifen?!

11] Ja, heilig bist du, sonst armselige Brust, so dich dieser Gedanke nur anrührt! Der Vater - unter Seinen Kindern! O du zu endlos großer Gedanke, - wer kann leben und dich denken in deiner Größe, in deiner unendlichen Unendlichkeit?!

12] Der Vater unter Seinen Kindern - und lehrt sie Selbst, lehrt sie erkennen Ihn, den heiligen Vater!

13] Auch an mein totes Ohr drang Seine heilige Vaterstimme, und ich verstand sie nicht; und meine Augen sahen Ihn, und ich erkannte Ihn nicht! Hierher führte mich Sein Wort; des Vaters Wort führte mich hierher!

14] O du heilige Stelle, du Ort der lebendigen Verklärung meines Herzens, meines Geistes, - mit welchem ewigen Denkmale soll ich dich verzieren, mit welchem heiligen Worte dich nennen, dich, du heilige Stätte, dahin mich des Vaters Wort beschied?!

15] Ach, was ist doch der Mensch, der schwache Bewohner dieser Erde daß Sich der ewige Gott seiner erbarmt und ihn aufnimmt zu einem Kinde!

16] Ist der Mensch denn gut? Nein, das ist er durchaus nicht! - Ist er denn etwa gar so überaus schön, darum Gott zu ihm kommt? - Nein, nein, das ist er noch mehr durchaus nicht; denn wo die wahre Güte mangelt, da mangelt auch die wahre Schönheit.

17] Ist er etwa also liebenswürdig darum der Herr herabkam zu ihm? - O mitnichten; denn um liebenswürdig zu sein, muß man doch vorher notwendig gut und schön sein!

18] Ist der Mensch denn etwa reich an verschiedenen Gott fremden und seltsamen Dingen? - O der unaussprechlichen Torheit, o des finstersten Gedankens, der sich immer noch möglicherweise der Zunge je bemächtigen kann!

19] Was hat der Mensch denn, das er nicht zuvor empfangen hätte?!

20] Also - was ist - oder was hat denn hernach der armselige Mensch dieser mageren Erde, darum Gott zu ihm kam, ihn nun lehrt, führt und tröstet?

21] O du großes, undurchdringliches Geheimnis! Darum (da) wir uns Kinder nennen dürfen, ist ja eben nur Seine endlose Erbarmung, ohne die wir jedem Steine gleich gutweg nichts als nur pure Geschöpfe sind, und das noch dazu voll Ungehorsam, während ein Stein viele tausend und abermals tausend Jahre sich ohne des Herrn Willen nicht von der Stelle rührt, dahin er gesetzt wurde von des heiligen Vaters allmächtiger Hand.

22] Oder war der heilige Gedanke in Gott, aus dem der Mensch, der undankbare Mensch hervorging, vielleicht noch göttlicher als der, aus dem mit der früheren, gleichen oder späteren Zeit ein Stein aus einem und demselben Gott hervorgehend ward?

23] Ja, ja, nichts, gar nichts ist und hat der Mensch vor Gott, - sondern alles nur als pure Gnade von Ihm!

24] O du unaussprechliche Liebe, du unendliche Barmherzigkeit des Vaters, der da ist allzeit heilig, überheilig, - wie soll dir denn das Herz danken, wie dich loben und preisen, mit welchen Worten der ganzen Erde würdig verkündigen solche endlose Milde von dir an uns arme Menschen, die wir uns unwürdigstermaßen deine Kinder nennen?!

25] O Vater, jetzt lasse in den Staub mich sinken; denn meine Augen sind nicht einmal würdig, dahin einen Blick zu tun, wo Du noch weilest unter Deinen Kindern!

26] Du heiliger Vater - unter Deinen Kindern! Dieser Gedanke ist zu heilig um noch einmal von mir Erdwurme gedacht zu werden!

27] Daher stille, stille, alles werde stille um mich her, damit auch ich vor der zu großen Heiligkeit des Vaters verstummen kann!

28] Denn was sollte da ein bestaubter Schlammwurm sprechen, worüber die ganze Unendlichkeit das erhabenst ehrfurchtsvollste Stillschweigen beachtet?! Also stille, stille, mein Herz und meine Zunge; denn alles um mich her ist nun stille geworden. Stille in Gott, stille; denn - der Vater ist in der Nähe!«



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