Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 184. Kapitel: Vom Wesen der Zeit und der Ewigkeit.

01] Nach dieser endlos liebreichsten Versicherung von seiten Abedams an die Ghemela, wodurch auch ein großer Mut in sie zurückkehrte, wurde sie völlig beruhigt in ihrem Herzen. Ihre Brust atmete wieder ganz frei, und sie machte nun alsbald von ihrem Wunsche Gebrauch und gab aus ihrem Herzen folgende Frage, welche auch in die Reihe ihrer seltenen, artig raren Fragen gehört. Diese zweite rare Frage aber lautete also:

02] »Allerliebevollster, mein alleinig geliebtester, über alles heiliger, allmächtiger Jehova! Da Du Dich schon so unaussprechlich tief zu uns armen Sündern und Sünderinnen also gnädig herabgelassen hast und mir zu fragen erlaubt hast, wäre es Dir wohl gefällig, meiner Torheit darin aufzuhelfen?

03] Siehe, hundert und tausend Male habe ich das Wort,ewig' und,Ewigkeit' gehört und selbst nicht minder oft ausgesprochen; aber, gewiß und wahr, noch nie habe ich es verstanden!

04] O Jehova, so Dein heiliger Wille es wäre, - ich möchte solches wohl gar gerne erfahren!«

05] Und der Abedam aber erwiderte ihr alsbald, ihrer Frage genügend und für alle faßlich, indem Er sagte:

06] »Höre, Meine geliebte Ghemela, was eigentlich von Mir aus die Ewigkeit ist, solches könntest du wohl nie begreifen und zugleich am Leben bleiben, - daher wäre es unmöglich, dir die Ewigkeit von Mir aus völlig erschaulich zu machen; aber was du und alle zu fassen vermögen, da ist die Ewigkeit für den Geist das, was die Zeit ist für den Leib, nur mit dem alleinigen Unterschiede, daß die Zeit um sich her alles verzehrt und vergehen macht, während die Ewigkeit auch nicht ein Atom vergehen läßt.

07] Diese Zeit besteht und entsteht aus der beständigen Bewegung aller körperlich geschaffenen Dinge; denn würden sich diese nicht bewegen, so möchten sie mit der Zeit alle übereinander her zusammenfallen, Sonnen und Erden und Monde und alle lebenden Wesen durcheinander zu einem endlosen chaotischen Klumpen, welcher sich endlich durch den endlos starken Aufeinanderdruck gar bald durch und durch entzünden und so auch dann sich selbst verzehren und am Ende gänzlich vernichten möchte.

08] Da sich aber der Erhaltung wegen vom Größten bis zum Kleinsten alles in wohl abgemessenen, gerechten Entfernungen bewegen muß und selbst die Teile an einem zusammenhängenden Körper wenigstens einen beständigen Bewegungstrieb in sich haben müssen vermöge welchem sie sich bei einem aufgehobenen Hindernisse alsbald zu bewegen anfangen können, so bewirken die beständigen, unter denselben Gesetzen stets zurückkehrenden Bewegungen und gegenseitig ordnungsmäßigen Begegnungen die Zeitläufe, die sich zählen lassen. Und was diese Beständigkeit in der Bewegung bewirkt, nämlich die Abnützung der sich auf dem Wege der Bewegung berührenden Teile und dadurch das entweder langsame oder schnellere Vergehen der Dinge, ist die alles verzehrende Zeit. Darum ist denn alles Zeitliche auch Vergängliches, da die Dinge vergehen und wieder andere an ihre Stelle treten, und es ist sodann das Maß der Zeit nach dem Verschwinden und Wiederkehren der Dinge bestimmt.

09] Allein bei der Ewigkeit ist schnurgerade das Gegenteil der Fall! Da ist Jede Bewegung nur scheinbar; im Grunde aber herrscht die allervollkommenste Ruhe in allen Dingen.

10] In der Zeit scheinen die Dinge zu ruhen, und doch bewegt sich sogar der härteste Stein in allen seinen zahllosen Teilen, und es ist nichts, das da irgend hätte eine Ruhe.

11] In der Ewigkeit ist wieder der ganz umgekehrte Fall! Dort scheint sich alles beständig zu bewegen; aber dessenungeachtet ist doch alles in der allerungestörtesten Ruhe von Mir aus.

12] Damit du aber solches recht anschaulich verstehst, so will Ich dir ein sicheres und treues Beispiel geben:

13] Siehe, so du von hier zu jenem fernen Feuerberg hinziehen möchtest, da müßtest du dich alsbald auf die Füße machen und mühsam Schritt um Schritt vorwärtsschreiten, um vielleicht in zwei bis drei Tagen dahin zu gelangen.

14] In der Ewigkeit aber kann sich ein jeder den Weg ersparen, kann beständig auf ein und demselben Punkte verharren und kann allein mit seinen Gefühlsgedanken die unglaublich weitesten Reisen machen und beim allervollsten Bewußtsein alles genau beschauen, während sich seine eigentümliche Person auch nicht um ein Haar von seiner bestimmten Stelle bewegt und sich somit in der beständigen, allersüßesten Ruhe befindet, - das heißt von Mir aus betrachtet.

15] Siehe, also aber stelle dir die Sache vor, als schliefst du auf einem sanften, weichsten Lager und hättest in deinem süßen Schlafe die schönsten Träume, daß du hin und her liefest und möchtest springen und tanzen vor Freude und möchtest auch noch dazu machen eine weite und schnelle Lustreise!

16] Siehe und verstehe: bei aller dieser Bewegung im Traume könnte aber doch auch nicht die allergeringste ortsveränderliche Bewegung an deiner Person verspürt werden!

17] Also ist auch nun im für dich jetzt noch unbegreiflich vollkommeneren Zustande auch die Ewigkeit geartet. Denn siehe: Wie aber in und durch die Bewegung bewirkt wird die Zeit, die Zerstörung, die Vergänglichkeit und endlich der Tod aller Dinge, also wird durch die Ruhe bewirkt die ewige Erhaltung, Unvergänglichkeit und das unaufhörliche, ewige, allervollkommenste, Mir völlig ähnliche Leben aller Mir in der Liebe und ihrem lebendigen Geiste völlig ähnlichen Wesen!

18] Wie aber Ich auch keine Reise zu machen brauche, um von einer Unendlichkeit zur andern zu gelangen, also werden auch Meine Geliebten es mit Mir nicht nötig haben, um alle endlosen Wunder beschauen zu können, darum persönlich sich überall hinzubegeben; sondern sie werden alle Mir gleich in aller ewigen Ruhe das wahre, ewige Leben genießen, obschon sie dieser Ruhe sich nie bewußt werden, sondern dafür nur einer ewigen, allerseligsten Regsamkeit, welche aber eben durch diese eigentliche geistig-persönliche Ruhe unzerstörbar, also ewig dauernd unterhalten wird.

19] Siehe also, Meine geliebte Ghemela, das ist die Ewigkeit, und solches ist der Unterschied zwischen ihr und der tötenden Zeit!

20] Was die Dauer betrifft, so ist diese mit der Dauer der Zeit gleichlaufend. Daher kann es ebensogut Ewigkeiten wie Zeiten geben; nur wird die Dauer der Ewigkeit nicht empfunden wie die der Zeit, weil die Zeit das Vergangene nimmer wiederbringt, die Ewigkeit aber selbst die für dich undenkbarste Vergangenheit als eine allerhellste Gegenwart beständig während erhält und nicht minder die Zukunft als schon gegenwärtig vor sich hat. - Verstehst du solches?«

21] Und die Ghemela entgegnete freundlich lächelnd: »O Jehova, so Du es willst, und inwieweit Du es willst, verstehe ich es ja durch Deine Gnade; aber nur ganz völlig klar ist es mir noch nicht, wie man sich in der beständigen Ruhe dennoch bewegen kann. Siehe, solches möchte ich wohl noch recht gerne ganz verstehen, - so Dein heiliger Wille es wäre!«

22] Und der Abedam sagte zu ihr: »Solches, liebe Ghemela, wirst du hier nie ganz vollkommen fassen, solange du noch einen Leib trägst, - aber einst vollkommen!

23] Darum frage lieber nach etwas anderem, und Ich werde dir über alles antworten aus Meiner Liebe zur dir! Amen.«


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