Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 100. Kapitel: Jareds Gedanken über das Wesen Asmahaels.

01] Nach dem nahte sich Seth dem Adam und fragte ihn, ob nun hier noch etwas zu geschehen habe, oder ob man sich zur Abreise anschicken solle.

02] Adam aber erwiderte: »Seth, weißt du ja doch, wer unter uns ist! Wenn es Ihm wird gefällig sein, alsdann werden wir gehen; bis dahin harren wir in aller Liebe und Geduld! Amen.«

03] Es kam aber auch der Jared hin zum Henoch und fragte ihn insgeheim: »Höre, du mein geliebter Sohn, mir kommt es nun so sonderbar vor! Dieser Asmahael, der dein Schüler sein und in meiner Hütte wohnen soll, hat nach meinem Verständnisse so viel Weisheit und Kenntnisse in allen Dingen, daß seine Rede die deinige ja bei weitem übertrifft! Ich will dir deswegen keinen Vorwurf machen - denn deine Reden sind ja Reden aus der Höhe, und da ist kein Wort umsonst, und jedes Wort bezeichnet den Sinn vollkommen gleich leiblich wie geistig, und es finden sich von allem, was du sagtest, lebendig entsprechende Formen in eines jeden Menschen Herzen -; aber alles dieses Guten und Wahren ungeachtet, wie auch vollkommen unbeschadet, ist doch ein großer Unterschied zwischen deiner und Asmahaels Sprache!

04] Also aber merkte ich den Unterschied gewaltig: Bei deiner Rede entdeckte ich allzeit deutlich in mir, daß dein Wort ein rechtes Licht ist. Wer danach tut, kann und muß zum Leben gelangen. Auch gleicht dein allzeit mildes Wort der Morgendämmerung, die doch auch die sicherste Verkünderin des werdenden Tages ist, wie dein Wort der Verkünder des sicher folgenden Lebens.

05] Aber bei der Rede Asmahaels merkte ich, daß sie schon Leben in aller Fülle gibt; und so ist und wirkt seine Rede soviel wie eine vollbrachte Tat!

06] Er spricht Dinge von höchster Weisheit; wer möchte sie auf dem gewöhnlichen Wege begreiflich auffassen? Aber aus seinem Munde werden sie einem, als wäre man schon von Ewigkeit her als Mitgespiele mit ihnen aufgewachsen.

07] Es könnte einem aber auch gar nicht in den Sinn kommen, sich darüber noch um irgendeine Erklärung zu bewerben; kurz, man wird auf der Stelle mit dem Wort eins und somit ein Leben.

08] Nur das einzige Seltene und Unbegreifliche ist dabei, und zwar das, daß gerade dieser dein Schüler aus der Tiefe solches vermag, da er doch noch von dir keinen eigentlichen Unterricht erhielt!

09] Nach seiner Angabe ist er ein Sklavenkind und durfte nicht reden je ein Wort daselbst bei der schauderhaftesten Strafe des Todes.

10]. Seine Alten wurden ihm getötet auf die grausamste Weise von der Welt. Er flüchtete sich zu uns und betrat heute morgen vor unser aller Augen den gesegneten Boden der geheiligten Höhen namenlos und voll argen Verdachtes. Du richtetest ihn auf vor Adam, Adam erkannte ihn, segnete ihn und gab ihm einen Namen, übergab ihn mir und dir, dieweil er sagte aus der lebendigsten Sehnsucht seines Herzens, daß er möchte suchen und finden Gott.

11] Aber kaum durfte er nur den Mund öffnen, so war schon jedes Wort also abgemessen gut und wahr, daß uns allen am Ende nichts übrigblieb, als nur zu staunen über jegliches seiner Worte!

12] Dem Adam, Seth und fast allen mochtest Du so manche Worte berichtigen; allein des Asmahael Worte waren noch allzeit über alle Berichtigung erhaben.

13] Henoch, die Sache kommt mir nicht ganz richtig vor!

14] Es ist in allem Ernste ganz merkwürdig mit dem Menschen, wie überzeugend schnell er nur mit unseren Gelübde fertig war!

15] Wir aßen und tranken darauf, ohne daß sich unser Gewissen dabei auch nur im geringsten, wie sonst, gerührt hätte; und nun hat er's schon so weit gebracht, daß selbst Adam ganz von ihm abzuhängen scheint, wie auch du, der Seth und der Kenan!

16] Das Merkwürdigste dabei aber ist, daß er fürs erste - meines Wissens wenigstens - noch gar nichts gegessen hat, und fürs zweite aber, daß er alle die früheren so unantastbaren Gesetze Adams gewisserart mit einem Hiebe vernichtet hat, und das noch ohne die geringste Widerrede Adams!

17] Hätte solches ich getan, fürwahr, ich hätte ein Jahr lang Adams Hütte nicht anschauen dürfen!

18] Allein Asmahael darf nur den Mund auftun, so ist schon jedes Wort, wie gesagt, so viel wie eine vollbrachte Tat!

19] Henoch, ich sage dir: Wer sich das zusammenreimen kann, der muß mehr verstehen als wir beide und auch sicher mehr als wir alle zusammen.

20] Hast du aber irgendein verborgenes Licht in der Sache, so laß deinen Vater nicht blind sein neben dir: Geht es dir aber nicht besser als mir in diesem Punkte, da wird es schier etwas schwerhalten, darüber je irgendwann ins klare zu kommen!

21] Jedoch, so du mir etwas zu sagen weißt, sage es mit drei Worten, also aber, daß es Asmahael und die andern nicht merken! Amen.«


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