Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 95. Kapitel: Zurechtweisung Adams.

01] Als nun Henoch vernommen hatte die Frage und Rede Adams, erhob er sich alsbald und richtete folgende Worte aus Mir an den Adam, sagend:

02] »Im Namen des großen Gottes, der da mit uns ist auf allen Wegen sichtbar und unsichtbar - sichtbar allen Ihn wahrhaft Liebenden und unsichtbar den Weisen und allen, welche mehr nach der Weisheit denn nach der wahren Liebe trachten -, also im Namen dieses unseres großen, allmächtigen Gottes und über alles liebevollsten Vaters von uns allen sage ich dir, geliebter und hochgeachteter Vater, daß du gar gewaltig von dem Wege des Herrn abgewichen bist!

03] Siehe, ich will, kann und muß es dir nun sagen, daß du dich gewaltig in deiner erzväterlichen Weisheit geirrt hast, da du den Herrn beschuldigt hast in deinem Herzen, als triebe Er einen Mutwillen mit uns und erschaffe uns bloß zu einem Ihn allein vergnügenden Spielzeuge.

04] O Vater, könntest du ahnen, wie groß, ja wie unendlich groß dein Irrtum ist, dann möchtest du nicht im Ärger, sondern in deiner Reue den Herrn um deine ewige Vernichtung bitten; denn du würdest dich vermöge solcher gröblichen Anschuldigung selbst verdammen müssen und wünschen müssen, daß alle Berge über dich herfallen sollen, um dich zu verbergen vor dem Antlitze Dessen, der dir und uns allen noch nie so entsetzlich nahe und überaus unaussprechlich liebtätig war denn gerade jetzt, wo du Ihn dir am entferntesten denkst, und daher über Ihn losziehst, als wärest du ein Herr über Ihn.

05] Meinst du denn, Vater, der Herr ist uns gleich unbeständig und wetterwendisch wie ein an einem Spinnfaden hängendes Wetterblatt, daß Er mit Seinen Werken täte, was die kleinsten Kinder mit ihren Spielereien zu tun pflegen, so sie ihrer satt geworden sind?! O Vater, welche Gedanken über Gott hast du in deinem Herzen aufsteigen lassen?!

06] Siehe, wäre der Herr also, wie du Ihn zu sein beschuldigst, hätte Er deinetwegen nicht schon lange ein gar elendvolles Garaus mit uns allen gemacht?! Allein, weil Er aber durchaus nicht also ist, wie du in deinem Herzen argfälschlich über Ihn zeugtest, sondern dafür nur voll der unendlichsten Liebe, Langmut, Sanftmut, ja sogar von Seinem ganzen allerheiligsten Gottwesen überaus demütig und eben dadurch voll Gnade und Barmherzigkeit ist gegen uns, die Er gemacht hat aus Sich zu lebendigen Gefäßen, in denen durch Seine beständige Liebsorge sich ein Ihm vollkommen ähnliches ewig unsterbliches, freies Wesen geistig ausbilden und reif machen soll, so sind wir noch alle am Leben, werden auf dieser Erde selbst noch eine längere Zeit fortleben und in Seiner Liebe und Erbarmung das Leben ewig erhalten und behalten!

07] Siehe, lieber Vater, du hast es in deiner Weisheit fein angelegt, von mir die verbotene Frucht zu pflücken; aber glaube mir, es ist die feinste Weisheit gegen die bescheidene Liebe ein grober Strick, der zwar auch aus den feinen Fäden der Liebe zusammengedreht ist, aber die Fäden sind nicht mehr frei und daher nicht so innigst enge bindsam und auch nicht mehr so schmiegsam und fähig, sich auch in den kleinsten Räumchen zu bewegen.

08] Der Strick der Weisheit ist nur tauglich, schwere, rohe Klumpen unordentlich für eine kurze Zeit aneinander zu heften; aber die zarten Fäden der Liebe umwinden das innerste, zarteste Leben und nehmen so dienend gar leichtlich der schauenden Seele alleiseste Schwebungen wahr!

09] Da sitzt Er auf dem grimmigen Tiere; Der hat es geredet zu mir und zu Kenan und Seth! Ob an all dem Gesagten etwas Wichtiges haftet, nicht ich, sondern Er auf dem Tiere wird's treu dir verkünden, wie noch hinzu, aus welchem Grunde die Zunge vor dir mir von Gott ist gebunden gar worden.

10] Beruhige dich, und fasse Geduld und Ergebung des Herzens, so wirst du alsbald der Wunder Gottes größtes erschauen! Amen, hör' amen.«

11] Als der Adam die unerwartete Antwort aus Henochs Munde vernommen hatte, schrie er laut auf und sagte:

12] »Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich erschaffen und nun so gänzlich verlassen?

13] Damals, als ich, von Dir verworfen, Ewigkeiten hindurch gefallen bin, holtest Du, ewige Liebe, mich Armen ein, bautest für mich aus Deinem Worte die Erde und setztest mich, wie ich noch zum Teile bin, auf dieselbe; jetzt aber schreie ich in meinem Herzen zu Dir, daß Du mich vernichten oder retten möchtest, - allein Du willst meine Stimme nicht hören und lässest mich verschmachten vor Hunger und Durst und verbietest sogar meinen Kindern, zu reichen mir, wonach mich so sehr hungert und dürstet!

14] O mein Gott, mein Gott! Warum bist Du so hart geworden gegen mich?

15] Höret, Kinder, ich sage es euch: Tut, was euch gut dünkt, und der Asmahael möge seine Rede an die Kinder ergehen lassen, wie es ihm wohlgefällt; jedoch meinen von meinen Kindern ungestillten Hunger und Durst soll er mir nicht stillen! Denn von nun an soll der Magen meines Geistes Hunger und Durst leiden mein Leben lang; und ich will keine Brosame und keinen Tropfen aus fremder Hand mehr hinunterlassen, sondern was mir mein innerer, eigener Grund tragen wird, will ich zehren, aber niemanden mehr daran mitzehren lassen! Meine Neugier soll ersticken im Sumpfe meiner Schuld vor Gott, und späte Reutränen sollen tränken das verdorrte Leben am Feuer meines blinden Eifers! Und wenn ich lange nicht mehr sein werde, möge Gott in der Nacht der Welt mein Kleid anziehen, um mich zu retten und mir zu heilen die gifttriefende Wunde, welche mir meines Herzens eigene Schlange zum Tode aller Menschen, die diese Erde betreten werden, in mein Fleisch gemacht hat mit ihren scharfen Zähnen! Kinder, behaltet dieses; denn fürder werdet ihr von mir wenig mehr zu behalten bekommen! Doch des Herrn Wille sei mit mir und mit euch ewig, amen; auch ich sage euch: Höret es! Amen.«


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