Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 117. Kapitel: Himmel und Hölle als Polaritäten im Menschen.

(Am 30. November 1843, von 4- 5 1/2 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Man wird hier sagen: es ist allerdings sehr wahrscheinlich, daß die Sache am Ende eine Wendung nimmt und jede dem Geiste versetzte Wunde in seinem absoluten Zustande offenbar und reagirend wird; aber nach der Grunderläuterung der Fundamentalhölle sehen wir noch immer nicht ein, wie dergleichen Reminiscenzen beleidigter Liebe auf dieser Welt im absoluten geistigen Zustande sich als Grundhölle beurkunden sollen; denn da giebt es ja doch nicht leichtlich einen Menschen auf der Erde, der nicht ähnliche Kränkungen entweder selbst erlitten hat, oder Ursache derselben war, - und nimmt man das an, daß sich im absolut geistigen Zustande solche Reminiscenzen als grundhöllisch beurkunden, so möchten wir im Ernste wissen, wie viel Menschen aus einem ganzen Jahrhunderte in den Himmel gelangen.

02] Wie kann Solches dem Menschen auch zu einem so höchst verdammlichen Gerichte gereichen, wenn er sich in einem höchst passiven Zustande gegen eine göttliche Ordnung versündigen muß, da sie in sich aufrecht zu halten, dem Menschen die dazu erforderliche Kraft vielfacher Erfahrung gänzlich mangelt?!

03] Gut, sage ich, wer mir solch' einen Einwurf macht, den ersuche ich, das Frühere etwas gründlicher durchzugehen, allda er dargethan finden wird, wie ich bei dieser Gelegenheit durchaus nicht darstelle, wer in die Hölle kommt, und wie Viele, sondern lediglich nur das, was rein Hölle in ihrer Erscheinlichkeit bei den Menschen ist, jedermanniglich kund thue; denn auf der ganzen Erde giebt es keinen so vollkommenen Menschen, der nicht eben so gut die ganze Hölle vom Grunde aus vollkommen in sich trüge, als wie er in sich trägt den ganzen Himmel.

04] Indem ich aber hinreichend zuvor dargethan habe, was im Menschen der Himmel ist, und wie dieser in ihm geschaffen und fortgepflanzt wird, eben also muß ich ja auch zeigen, wie im Menschen die Hölle geschaffen und fortgepflanzt wird.

05] Es wäre traurig und höchst unbarmherzig, wenn ein Mensch aus diesem Grunde, weil er das vollkommen erscheinliche Bild der Hölle in sich trägt, auch schon ein ausgemachter Bewohner derselben sein sollte. Denn wäre das der Fall, so müßten auch alle Engel höllische Geister sein; denn auch sie tragen das vollkommene Bild der Hölle erscheinlich in sich. -- Wäre das nicht der Fall, da wäre es ja keinem Engel möglich, je in diesem Orte einzudringen und allda die empörten Geister zur Ruhe zu bringen, und ich selbst könnte euch die Hölle nicht zeigen und enthüllen, so ich sie nicht vollständig in mir hätte; und dazu wäre das auch für die Bewohner des Himmels sehr gefährlich, so sie nicht das entsprechende erscheinliche Bild der Hölle in sich hätten, indem sie da nicht erschauen könnten, was alles die Hölle gegen sie unternimmt.

06] So aber kann kein Geist in der ganzen Hölle irgend Etwas unternehmen, das wir nicht augenblicklich in uns erschauen möchten.

07] Zugleich verhält sich Hölle und Himmel in den Menschen wie die zwei entgegengesetzten Polaritäten, ohne die kein Ding existirbar gedacht werden kann.

08] Und so dient das zu Jedermanns Kenntniß, daß hier durchaus nicht die Rede ist von Dem, wer in die Hölle kommt; denn das hieße die Menschheit richten auf der Erde, sondern allein nur von Dem, was die Hölle in sich selbst ist.

09] Daß aber dergleichen Liebeveruntreuungen in sich selbst rein Hölle sind, kann ein Jeder daraus ersehen, weil eben diese Veruntreuungen Eigenliebe und Herrschsucht zum Fundamente haben.

10] Denn was ist die Eifersucht Anderes, als die Erwachung der Eigenliebe, der Selbst- und Herrschsucht? - Denn der Eifersüchtige ist nicht darum eifersüchtig, daß etwa sein erwählter Gegenstand zu wenig Liebe hätte, sondern nur darum, weil er selbst in seiner Forderung verkürzt wird und seinen Werth zu gering angesetzt findet in demjenigen Gegenstande, von dem er eben die höchste Achtung erwartete.

11] Frage: Ist das nicht der ganz entgegengesetzte Pol von dem, wo man seiner selbst aus Liebe zu seinem Nächsten was immer für eines Geschlechtes gänzlich vergessen soll, um sich ganz zum Wohle seines Nächsten bereit zu halten?

12] Wie aber kann ein jeder Mensch auf die leichteste Art von der Welt diese Grundhölle in sich unterjochen, sie nicht activ, sondern rein passiv machen?

13] Das ist überaus leicht; man vergebe dem beleidigten, wie dem beleidigenden Theile vom ganzen Herzen im Namen des Herm, und segne, die Beleidigten, wie die Beleidigenden ebenfalls im Namen des Herrn; (es versteht sich von selbst, daß solches Alles vollernstlich geschehen muß) - und die ganze Hölle ist im Menschen schon unterjocht!

14] Ich sage euch: Fürwahr, ein reumüthiger Blick zum guten Vater genügt, um der Hölle für alle Ewigkeit zu entrinnen! - Sehet an den Missethäter am Kreuze; er war ein Räuber und Mörder; aber da blickte er zum Herrn empor, und sprach mit großer, schmerzhafter Zerknirschung seines Herzens: O Herr! Wenn Du in Dein Reich kommst und wieder uns große Missethäter zu Gerichte ziehen wirst, da gedenke meiner, und strafe mich nicht zu hart für meine großen Missethaten, die ich verübt habe!

15] Und sehet, der große allmächtige Richter sprach zu ihm: „Wahrlich, heute noch sollst du bei Mir im Paradiese sein!"

16] Aus diesem allerwahrhaftigsten Begebnisse kann doch hoffentlich ein jeder nur einigermaßen gläubige Christ abnehmen, wie überaus wenig es im Grunde bedarf, die ganze allerunterste mächtigste Hölle auf ewig zu unterjochen.

17] Das Beispiel des samaritischen Weibes am Jakobsbrunnen, das mit sieben Männern gebuhlt hatte, ist obigem Beispiele gleich, wo der Herr zu ihm spricht: „Weib, gieb Mir zu trinken!" Und wieder: „Wenn du wüßtest, wer Der ist, Der zu dir spricht: Weib, gieb Mir zu trinken, so würdest du zu Ihm sagen, daß Er dir vom lebendigen Wasser zu trinken gebe, auf daß dich ewig nimmer dürste!" - Also lauten die Worte getreu, wie sie an Ort und Stelle gewechselt wurden.

18] Wer aber sieht hier nicht, was für einen geringen Ersatz der Herr von dieser Sünderin für die Hingabe des Himmelreiches verlangt; bloß einen Trunk Wassers! - Also auch ist sicher einem jeden nur einigermaßen in der Schrift bewanderten Christen das Begebniß mit der Ehebrecherin und das Leben der Maria Magdalena bekannt. - Der Ersten ihre Schuld schreibt der Herr zweimal in den Sand, und Magdalena durfte Ihm die Füße salben, und war Diejenige, zu der der Herr nach Seiner Auferstehung zuerst kam! - Ebenso zeigt der Herr auch beim verlornen Sohne und im Suchen des hundertsten verlornen Schafes, wie wenig Er von dem Sünder zur Erlangung der Gnade und Erbarmung verlangt!

19] Darum wollen wir hier auch nicht kund thun, wer in die Hölle kommt, sondern nur, wie die Hölle in sich selbst beschaffen ist.

01] Man wird hier sagen: Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, daß die Sache am Ende eine solche Wendung nimmt und jede dem Geiste versetzte Wunde in dessen absoluten Zustande offenbar wird und reagiert. Aber nach der Grunderläuterung der Fundamentallhölle sehen wir noch immer nicht ein, wie dergleichen Reminiszenzen auf dieser Welt beleidigter Liebe sich dann im absoluten geistigen Zustande als Grundhölle beurkunden sollen. Denn es gibt ja doch nicht leicht einen Menschen auf der Erde, der nicht ähnliche Kränkungen entweder selbst erlitten hat oder Ursache derselben war. Nimmt man aber das an, daß sich im absolut Geistigen Zustande solche lebhafte Erinnerungen als grundhöllisch beurkunden, so möchten wir im Ernste wissen, wieviel Menschen eines ganzen Jahrhunderts in den Himmel gelangen?

02] Wie kann solches dem Menschen auch zu einem so verdammlichen Gerichte gereichen, wenn er sich in einem höchst passiven Zustande gegen eine göttliche Ordnung versündigen muß, die in sich aufrecht zu halten ihm die dazu erforderliche Kraft vielfacher Erfahrung gänzlich mangelt?!


03] Gut, sage ich, wer mir solchen Einwurf macht, den ersuche ich, das Frühere etwas gründlicher durchzugehen. Er wird da dargetan finden, wie ich durchaus nicht darstellte, wer in die Hölle kommt und wie viele; sondern lediglich nur das jedermann kundtue, was bei den Menschen rein Hölle in ihrer Erscheinlichkeit ist. Denn auf der ganzen Erde gibt es keinen so vollkommenen Menschen, der nicht ebensogut die ganze Hölle vom Grunde aus in sich trüge als wie er in sich trägt den ganzen Himmel.


04] Wie ich aber zuvor hinreichend dargetan habe, was im Menschen der Himmel ist und wie dieser in ihm geschaffen und fortgepflanzt wird, ebenso muß ich ja auch zeigen, wie im Menschen die Hölle geschaffen und fortgepflanzt wird.

05] Es wäre traurig und höchst unbarmherzig, wenn ein Mensch aus dem Grunde, weil er das vollkommen erscheinliche Bild der Hölle in sich trägt, auch schon ein Bewohner derselben sein sollte. Wäre das der Fall, so müßten auch alle Engel höllische Geister sein; denn auch sie tragen das vollkommene Bild der Hölle erscheinlich in sich. Wäre das nicht der Fall, da wäre es keinem Engel möglich, je in diesen Ort einzudringen und da die empörten Geister zur Ruhe zu bringen. Ich selbst könnte euch die Hölle nicht zeigen und enthüllen, hätte ich sie nicht vollständig in mir. Zudem wäre das für die Bewohner des Himmels auch sehr gefährlich, so sie nicht das entsprechende erscheinliche Bild der Hölle in sich hätten, indem sie da nicht erschauen könnten, was die Hölle alles gegen sie unternimmt.

06] So aber kann kein Geist in der ganzen Hölle irgend etwas unternehmen was wir nicht augenblickilich in uns zu erschauen vermögen.

07] Zugleich verhalten sich Hölle und Himmel in den Menschen wie die zwei entgegengesetzten Polaritäten, ohne die ein Ding existierbar gedacht werden kann.

08] Und so dient das zu jedermanns Kenntnis, daß hier durchaus nicht davon die Rede ist, wer in die Hölle kommt, denn das hieße die Menschheit auf der Erde richten, sondern allein davon, was die Hölle in sich selbst ist.

09] Daß aber dergleichen Liebeveruntreuungen in sich selbst rein Hölle sind, kann ein jeder daraus ersehen, daß diese Veruntreuungen Eigenliebe und Herrschsucht zum Fundamente haben.

10] Denn was ist die Eifersucht anderes als die Erweckung der Eigenliebe, der Selbst- und Herrschsucht? Der Eifersüchtige ist nicht darum eifersüchtig, weil etwa sein erwählter Gegenstand zu wenig Liebe hätte, sondern nur darum, weil er selbst in seiner Forderung verkürzt wird und seinen Wert zu gering angesetzt findet in demjenigen Gegenstande, von dem er eben die höchste Achtung erwartete.


11] Frage: Ist das nicht der ganz entgegengesetzte Pol von dem Zustand, wo man seiner selbst aus Liebe zu seinem Nächsten was immer für eines Geschlechtes gänzlich vergessen soll, um sich ganz zum Wohle seines Nächsten bereit zu halten?

12] Wie aber kann ein jeder Mensch diese Grundhölle in sich unterjochen, sie nicht aktiv, sondern rein passiv machen?

13] Das ist überaus leicht. Man vergebe dem beleidigten wie dem beleidigenden Teile von ganzen Herzen im Namen des Herrn und segne den Beleidigten wie die Beleidigenden ebenfalls im Namen des Herrn (es versteht sich von selbst, daß solches alles vollernstlich geschehen muß) - und die ganze Hölle ist im Menschen schon unterjocht.

14] Ich sage euch, fürwahr, ein reumütiger Blick zum guten Vater genügt, um der Hölle für alle Ewigkeit zu entrinnen: Seht an den Missetäter am Kreuz, er war ein Räuber und Mörder; aber da blickte er zum Herrn empor und sprach mit großer, schmerzlicher Zerknirschung seines Herzens: »O Herr! Wenn Du in Dein Reich kommst und wider uns große Missetäter zu Gerichte ziehen wirst, da gedenke meiner und strafe mich nicht zu hart für meine großen Missetaten, die ich verübt habe!«

15] Und seht, der große, allmächtige Richter sprach zu ihm: »Wahrlich, heute noch sollst du bei Mir im Paradiese sein!«

16] Aus diesem wahrhaftigen Begebnisse kann doch hoffentlich ein jeder nur einigermaßen gläubige Christ entnehmen, wie überaus wenig es im Grunde bedarf, um die ganze allerunterste mächtigste Hölle auf ewig zu unterjochen.

17] Das Beispiel des samaritischen Weibes am Jakobsbrunnen, das mit sieben Männern gebuhlt hatte, ist obigem Beispiele gleich, wo der Herr zu ihm spricht: »Weib, gib Mir zu trinken!« Und wieder: »Wenn du wüßtest, wer Der ist, der zu dir spricht: Weib, gib Mir zu trinken, so würdest du zu ihm sagen, daß Er dir vom lebendigen Wasser zu trinken gebe, auf daß dich ewig nimmer dürste!« Also lauten die Worte getreu, wie sie an Ort und Stelle gewechselt wurden.

18] Wer aber sieht hier nicht, welchen geringen Ersatz der Herr von dieser Sünderin für die Hingabe des Himmelreiches verlangt - bloß einen Trunk Wassers! Also ist auch einem jeden nur einigermaßen in der Schrift bewanderten Christen das Begebnis mit der Ehebrecherin und das Leben der Maria Magdalena bekannt. Der ersteren Schuld schreibt der Herr zweimal in den Sand und Magdalena durfte ihm die Füße salben und war diejenige, zu der der Herr nach Seiner Auferstehung zuerst kam! Ebenso zeigt der Herr auch beim verlornen Sohne und im suchen des hundertsten verlornen Schafes, wie wenig Er von dem Sünder zur Erlangung der Gnade und Erbarmung verlangt

19] Darum wollen wir hier auch nicht kundtun, wer in die Hölle kommt, sondern nur, wie die Hölle in sich selbst beschaffen ist. -

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