Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 89. Kapitel: Der innere Sinn des 9. Gebotes

(Am 16. Oktober 1843 von 4 1/4 - 6 1/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Sehet, bis jetzt haben wir alles das aus dem Naturgrunde sich entwickeln gesehen; aber es fehlte bisher auch noch jedem Grunde eine höhere göttliche Sanction, durch die allein der Mensch auf der Erde, besonders in seinem einfachen Naturzustande, zur unverbrüchlichen Beobachtung alles Dessen geleitet wird, was ihm von seinem Oberhaupte als Pflicht auferlegt wurde.

02] Je mehr im Anfange ein solcher Primitiv-Monarch sein Volk weise leitet, und je mehr das Volk durch die Erfolge davon überzeugt wird, daß der Leiter wirklich weise ist, desto mehr wird es sich auch gegenseitig zu fragen anfangen: Woher hat dieser seine Weisheit, und woher wir unsere Dummheit? - Das Volk weiß noch außerordentlich wenig oder nichts von Gott; der Leiter aber hat davon schon mehr oder weniger tüchtige Begriffe.

03] Was braucht er nun, wenn das Volk in naturmäßiger Hinsicht so viel als möglich geordnet dasteht, zu thun, besonders wenn er solche Fragen von vielen Seiten her in Erfahrung bringt? - Er beruft die Fassungsfähigeren zusammen, verkündiget ihnen ein höchstes Wesen, welches Alles erschaffen hat und Alles leitet, und sagt ihnen dann zur Beantwortung ihrer vielseitigen Frage, daß er zu ihrem Wohle die leitende Weisheit unmittelbar von solch' einem höchsten Wesen habe, und zeigt ihnen als einem überaus gläubigen Volke mit der größten Leichtigkeit von der Welt erstens die unleugbare Existenz einer allerhöchsten, Alles erschaffenden, erhaltenden und leitenden Gottheit, und daß eben von dieser Gottheit nur Derjenige mit tiefer Weisheit begabt wird, den Sie zur beseligenden Leitung der Völker geschaffen hatte.

04] Das will dann so viel sagen, als: „Von Gottes Gnaden," oder wie bei den Römern: „Favente Jove." - Ist dieser Schritt gemacht, so ist der Alleinherrscher und Obereigenthümer ganz fix und fertig, und sitzt nun vollkommen sicher in seiner Herrschmitte, unterstützt von naturmäßiger mächtiger und von geistiger noch mächtigerer Nothwendigkeit.

05] Ein Jeder, der nun alles Dieses also gründlicher Maßen durchgegangen ist, muß endlich sagen: Fürwahr, allem Dem läßt sich nicht ein Atom groß einwenden; denn es hängt ja Alles mit den ersten naturrechtlichen Urkunden eines jeden Menschen so enge zusammen, daß man daran nicht den allerkleinsten Faden entzwei schneiden darf, um nicht eine glückliche menschliche Gesellschaft bis in ihre innersten Fundamente zu zerstören. - Denn man nehme da hinweg, was man wolle, so wird sich der Defect sobald in den ersten Naturprincipien eines jeden Menschen wahrzunehmen anfangen.

06] Wenn aber demnach die Sache sich also verhält, so folgt ja doch ganz sonnenklar heraus, daß der Herr Himmels und der Erde durch dieses neunte Gebot nichts, als die vollkommene Sicherung des bestimmten Eigenthums zur Aufrechthaltung der ersten Naturrechtsprincipien aufgestellt hat; und so kann da kein anderer Sinn hinter dem Gebote stecken, als den seine Worte bezeichnen.

07] Denn so man diesem Gebote irgend einen anderen Sinn unterlegen will oder kann, so hebt man dadurch den von einem höchsten Wesen sanctionirten Hauptgrund des ersten naturrechtlichen bürgerlichen Verbandes auf; das Eigenthumsrecht, wenn es aufgehoben ist, hebt nothwendiger Weise die früheren Urdocumente eines jeden Menschen auf, und Niemand kann da mehr Etwas sammeln und verfertigen. Kann er das nicht, so geht sein Magen und seine Haut unter, und der Mensch wird mit seiner Existenz schlimmer daran sein, als jedes Thier. Mit der Wegnahme des Wortsinnes von diesem Gebote nimmt man ja schon im Voraus jedes leitende Oberhaupt hinweg, und die Menschheit steht in ihrem ersten unter das Thierreich gesunkenen allerwildesten chaotischen Naturzustande da.

08] Das ist richtig, meine lieben Freunde und Brüder; wir haben bis jetzt gesehen, daß durch die Darstellung des innern geistigen Sinnes der äußere naturmäßige Sinn in seiner gerechten Außenwirkung nirgends verletzt worden ist; wir haben auch gesehen, daß durch die Unkenntniß des inneren Sinnes ein gegebenes Gebot entweder nur sehr schwer, oder nicht selten kaum zum dritten Theile desselben, manchmal aber auch gar nicht beobachtet wird und beobachtet ward.

09] Wird aber ein Gebot dem inneren Sinne nach erkannt, so giebt sich die naturmäßige Beobachtung von selbst gerade also, als so da Jemand einen guten Samen in das Erdreich legt, sich dann aus ihm die fruchttragende Pflanze von selbst entwickeln wird, ohne daß der Mensch dabei weiter eine ohnehin zu nichts führende Manipulation anwenden solle.

10] Und so ist es auch bei diesem Gebote der Fall; wird es innerlich erkannt und beobachtet, so fällt alles Aeußere, was da der Buchstabensinn berührt, von selbst der guten göttlichen Ordnung zu Folge aus. - Ist aber das nicht der Fall, klebt man bloß am äußeren Sinne, so hebt inan eben dadurch alle die urrechtlichen Dokumente des Menschen auf; die Herrscher werden zu Tyrannen und die Unterthanen zu Geizhälsen und Wucherern, und die Haut der Sanften wird über die Militärtrommel gespannt, oder die gutmüthigen Esel von Unterthanen werden zum arglistigen Spielwerkzeuge der Mächtigen und Wucherer.

11] Die Folgen davon sind Volksaufstände, Revolutionen, gänzliche Staatenumwälzungen und Zerstörungen, gegenseitige Volkserbitterungen, dann darauf folgende langwierige blutige Kriege, Hungersnoth, Pestilenz und Tod.

12] Wie lautet aber demnach derjenige Sinn, durch dessen Beobachtung alle Völker ihr unzerstörbares zeitliches und ewiges Glück finden müssen? Er lautet also ganz kurz:

13] Achtet euch unter einander aus gegenseitiger wahrhafter Bruderliebe, und Keiner beneide den Andern, so er von Mir dem Schöpfer aus, seiner größeren Liebe wegen, mehr begnadiget wurde; der Begnadigtere aber lasse seine daraus hervorgehenden Vortheile all' seinen Brüdern als Bruder so viel als möglich zu Gunsten kommen; so werdet ihr dadurch unter euch einen ewigen Lebensverband gründen, den keine Macht ewig je zu zerstören wird im Stande sein!

14] Wer sieht aus dieser Darstellung dieses Gebotes nicht auf den ersten Augenblick ein, daß durch seine Beobachtung nicht ein Häkchen des Buchstabensinnes gekrümmt wird. Und wie leicht ist dann dieses Gebot naturmäßig zu beobachten, wenn man es also geistig beobachtet; denn wer seinen Bruder achtet in seinem Herzen, der wird auch seine Sammlungen und Einrichtungen achten. - Durch die geistige Beobachtung dieses Gebotes wird allem Wucher und aller übertriebenen Erwerbsucht vorgebeugt, welche aber im alleinigen Buchstabensinne nur ihren sanctionirten Vertreter oder Advocaten finden. - Eine kleine Nachbetrachtung wird uns dieses Alles noch in's klarste Licht setzen.

01] Seht, bis jetzt haben wir alles das aus dem Naturgrunde sich entwickeln gesehen; aber es fehlte bisher noch jedem Grunde eine höhere göttliche Sanktion, durch die allein der Mensch auf der Erde, besonders in seinem einfachen Naturzustande, zur unverbrüchlichen Beabachtung alles dessen geleitet wird, was ihm von seinem Oberhaupte als Pflicht auferlegt wurde.

02] Je mehr im Anfange ein solcher Primitivmonarch sein Volk weise leitet, und je mehr das Volk durch die Erfolge davon überzeugt wird, daß der Leiter wirklich weise ist, desto mehr wird es sich auch gegenseitig zu fragen anfangen: Woher hat dieser seine Weisheit und woher wir unsere Dummheit? Das Volk weiß noch außerordentlich wenig oder nichts von Gott, der Leiter aber hat davon schon mehr oder weniger gute Begriffe.

03] Was braucht er nun, wenn das Volk in naturmäßiger Hinsicht so viel als möglich geordnet dasteht, zu tun, besonders wenn er solche Fragen von vielen Seiten her in Erfahrung bringt? Er beruft die Fassungsfähigeren zusamm, verkündigt ihnen ein höchstes Wesen, welches alles geschaffen hat und alles leitet. Sagt ihnen dann zur Beantwortung ihrer vielseitigen Frage, daß er zu ihrem Wohle die leitende Weisheit unmittelbar von diesem höchsten Wesen habe. Er zeigt ihnen als einem überaus gläubigen Volke auch mit der größten Leichtigkeit die unleugbare Existenz einer allerhöchsten, alles erschaffenden, erhaltenden und leitenden Gottheit, und daß eben von dieser Gottheit nur derjenige mit tiefer Weisheit begabt wird, den sie zur beseligenden Leitung der Völker bestimmt hat.


04] Das will dann so viel sagen als: »Von Gottes Gnaden«, oder wie bei den Römern: Favente Jov«. Ist dieser Schritt gemacht, so ist der Alleinherrscher und Oberergentümer fix und fertig und sitzt nun vollkommen sicher in seiner Herrsch-Mitte, unterstützt von naturmäßig mächtiger und von geistig noch mächtigerer Notwendigkeit.

05] Ein jeder, der nun alles dieses gründlich durchgegangen hat, muß endlich sagen: Fürwahr, allem dem läßt sich nicht ein Atom groß einwenden, denn es hängt ja alles mit den ersten naturrechtlichen Urkunden eines jeden Menschen so enge zusammen, daß man daran nicht den kleinsten Faden entzweischneiden darf, um nicht eine glückliche menschliche Gesellschaft bis in ihre innersten Fundamente zu zerstören. Denn man nehme da hinweg, was man will, so wird sich der Defekt sobald in den ersten Naturprinzipien eines jeden Menschen wahrnehmen lassen.

06] Wenn aber demnach die Sache sich also verhält, so folgt ja doch sonnenklar daraus, daß der Herr Himmels und der Erde durch dieses neunte Gebot nichts als die vollkommene Sicherung des bestimmten Eigentums zur Aufrechthaltung der ersten Naturrechtsprinzipien aufgestellt hat. Und so kann da kein anderer Sinn hinter dem Gebote stecken, als den seine Worte bezeichnen.

07] Denn so man diesem Gebote irgendeinen anderen Sinn unterlegen will oder kann, so hebt man dadurch den von einem höchsten Wesen sanktionierten Hauptgrund des ersten naturrechtlichen bürgerlichen Verbandes auf. Das Eigentumsrecht, wenn es aufgehoben ist, hebt notwendigerweise die früheren Urdokumente eines jeden Menschen auf, und niemand kann da mehr etwas sammeln und verfertigen. Kann er das nicht, so gehen sein Magen und seine Haut unter, und der Mensch wird mit seiner Existenz schlimmer daran sein als jedes Tier. Mit der Wegnahme des Wortsinnes dieses Gebotes nimmt man ja schon im voraus jedes leitende Oberhaupt hinweg, und die Menschheit steht in ihrem ersten unter das Tierreich gesunkenen wildesten chaotischen Naturzustande da.

08] Das ist richtig, meine lieben Freunde und Brüder. Wir haben bis jetzt gesehen, daß durch die Darstellung des innern geistigen Sinnes der äußere naturmäßige Sinn in seiner gerechten Außenwirkung nirgends verletzt worden ist. Wir haben auch gesehen, daß durch die Unkenntnis des inneren Sinnes ein gegebenes Gebot entweder nur sehr schwer oder nicht selten kaum zum dritten Teile, manchmal aber auch garnicht beobachtet wird und beobachtet ward.

09] Wird aber ein Gebot dem inneren Sinne nach erkannt, dann ergibt sich die naturmäßige Beabachtung von selbst, gerade also, als so jemand einen guten Samen in das Erdreich legt. Da wird sich dann aus ihm die fruchttragende Pflanze von selbst entwickeln, ohne daß dabei der Mensch eine ohnehin zu nichts führende Manipulation anwendet.

10] Und so ist es auch bei diesm Gebote der Fall. Wird es innerlich erkannt und beachtet, so fällt alles Äußere was der Buchstabensinn berührt, von selbst der guten göttlichen Ordnung zufolge aus. Ist aber das nicht der Fall, klebt man bloß am äußeren Sinne, so hebt man eben dadurch alle urrechtlichen Dokumente des Menschen auf. Die Herrscher werden zu Tyrannen und die Untertanen zu Geizhälsen und Wucherern. Die Haut der Sanften wird über die Militärtrommel gespannt oder die gutmütigen Esel von Untertanen werden zum arglistigen Spielwerkzeug der Mächtigen und Wucherer.


11] Die Folgen davon sind Vollksaufstände, Revolutionen, Staatenumwälzungen und Zerstörungen, gegenseitige Volkserbitterungen, dann darauf folgende langwierige blutige Kriege, Hungersnot, Pestilenz und Tod.

12] Wie lautet aber demnach derjenige Sinn, durch dessen Beobachtung alle Völker ihr unzerstörbares zeitliches und ewiges Glück finden müssen? Er lautet ganz kurz also:

13] Achtet euch untereinander aus gegenseitiger wahrhaftiger Bruderliebe, und keiner beneide den andern, so er von Mir, dem Schöpfer, seiner größeren Liebe wegen mehr begnadigt wurde. Der Begnadigtere aber lasse seine daraus hervorgehenden Vorteile allen seinen Brüdern als Bruder so viel als möglich zugute kommen, so werdet ihr dadurch unter euch einen ewigen Lebensverband gründen, den keine Macht ewig je zu zerstören imstande sein wird!

14] Wer sieht aus dieser Darstellung des Gebotes nicht auf den ersten Augenblick ein, daß durch seine Beabachtung nicht ein Häkchen des Buchstabensinnes gekrümmt wird. Und wie leicht ist dann dieses Gebot naturmäßig zu beabachten, wenn man es also geistig beobachtet. Denn wer seinen Bruder achtet in seinem Herzen, der wird auch seine Sammlungen und Einrichtungen achten. Durch die geistige Beobachtung dieses Gebotes wird allem Wucher und aller übertriebenen Erwerbssucht vorgebeugt, welche aber nur im alleinigen Buchstabensinne ihren sanktionierten Vertreter oder Advokaten finden. - Eine kleine Nachbetrachtung wird uns dieses alles noch ins klarste Licht setzen. -

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