Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 1)


Kapitelinhalt 39. Kapitel: Wo sind Himmel und Hölle?

(Am 19. Januar 1843, von 4 1/2 bis 7 1/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1975 Lorber-Verlag

01] Ihr saget: Aber da geht es steil abwärts, und über so viele Klippen und steile Abhänge führt der Weg! - Ja, ja, meine Lieben! also kommt es aber auch nur euch vor; diejenigen, deren Gemüth für diesen Ort correspondirt, haben allda eine breite und wohlbetretene Bahn. Gehen wir daher nur muthig darauf los; es wird nicht so lange währen, bis wir die erscheinliche Flammenebene werden erreicht haben.)

02] Nun sehet hinab, wie sich die Flammen nach und nach zu verlieren anfangen, und ihr eine Menge glutherfüllter Stellen ohne Flammen darüber erschauet; aber ihr fraget: Werden wir da etwa müssen auf solcher Gluth einhergehen? - Ich sage euch: Kümmert euch alles Dessen nicht; denn alles Dieses sind nur Erscheinlichkeiten, und besagen den Gemüthszustand Derer, die da unten wohnen. - Flamme bedeutet die Thätigkeit des Bösen; der über den Flammen emporsteigende Qualm bezeichnet das Grundfalsche, und die Gluth bedeutet die völlige Eigenliebe, und derzufolge den argen Eifer und den böse gewordenen Willen Derjenigen, welche in solcher Eigenliebe sind. - Doch wie dieses Alles sonderheitlich an Ort und Stelle artet, werdet ihr sobald mit den eigenen Augen erschauen.

03] Nun sehet abermals hinab; was erblicket ihr jetzt? - Ihr saget: Die Flammen sind gänzlich vergangen, und die Gluth hat sich in Haufen gesammelt; zwischen den Haufen aber erschauen wir die allerdichteste Nacht. - Ihr fraget noch einmal: Wo ist denn der Strom, den wir zuvor ganz glühend da hinabstürzen sahen? - Dieser Strom ist ebenfalls nur eine Erscheinlichkeit, und bezeichnet den Zug des Falschen, wie sich dasselbe mündet in das Böse. Also bezeichnet auch dieser Abgrund die Tiefe des Bösen, wie dieses ebenfalls schlaue und feindurchdachte Plane faßt, um sein arges Vorhaben durchzusetzen.

04] Da ihr nun Solches wißt, so wollen wir nur muthig darauf losgehen, um so bald als möglich an unser Ziel und somit auch zu unserer Gesellschaft zu gelangen. Nur einige Schritte noch, und sehet, wir sind schon in der Ebene und somit auch in der vollkommenen Tiefe. Ihr seht nun dahier gar nichts; denn die Finsterniß ist so groß, daß ihr mit dem Lichte eurer Augen ewig nichts auszunehmen im Stande wäret. Daher wird es hier nöthig sein, daß wir uns soviel Licht schaffen, das uns genügt, um hier Etwas auszunehmen, jedoch darf Niemand von den hier Seienden von unserem Lichte etwas verspüren, und ihr müßt euch da fest an mich halten, und keiner Sphäre eines Geistes zu nahe treten, außer nur insoweit, als es euch durch mich gestattet wird.

05] Und so denn sehet, wir haben nun schon so viel Licht, als es Noth thut, um diesen Ort zu betrachten. Was bemerket ihr hier? - Ihr saget aus einem kleinen Fieberzustande heraus: Um des allmächtigen allbarmherzigen Gottes willen, was ist das doch für ein schauderhafter Ort! - Nichts stellt sich unseren Blicken dar, als schwarzer Sand und schwarzes Steingerölle, welches alles den Boden dieser Gegend ausmacht; und zwischen dem Sande und diesem Steingerölle dampft es hie und da also heraus, als wir öfter gesehen haben auf der Erde, da die Kohle gebrannt wird. - Ferner fragt ihr, und saget: Wo sind denn hier Wesen zu sehen? Denn diese Gegend scheint ja wie gänzlich ausgestorben zu sein. - Ja, meine lieben Freunde, Solches ist auch nur eine Erscheinlichkeit, und bezeichnet den Tod! - Doch sorget euch nicht über die Wesenleere dieses Ortes; denn ihr werdet sobald derselben gar reichlichst inne werden.

06] Sehet, da unfern von uns ist Etwas zu sehen ungefähr also, als bei euch auf der Erde ein ziemlich großer Scheiterhaufenstoß; diesem Stoße wollen wir uns nahen, und ihr werdet euch sobald überzeugen, was für ein Material das ist. - Nun seht, wir sind dem Stoße gerechter Maßen nahe; betrachtet ihn nun ein wenig näher. Nun, was seht ihr? - Ihr saget schon wieder: Aber um des allmächtigen, gerechten Gottes willen! was ist Solches? Da sind ja lauter Menschen gleich den Pickelhäringen übereinander geschichtet, und sind dazu noch mit überstarken Ketten an den Boden so befestiget, daß es wohl Keinem möglich ist, sich in dieser Lage auch nur im Geringsten rühren zu können. Wenn das durchaus hier der Fall ist, da sieht es mit der sein sollenden ewig fortzubestehenden Freiheit des Geistes ganz sonderbar schiefrig aus.

07] Ja, ja, meine lieben Freunde, also sieht es auf den ersten Augenblick wohl aus, wenn wir die Sache von unserem himmlischen Lichte aus betrachten; - darum aber ist es auch nur eine Erscheinlichkeit, die der Wahrheit der Sache entspricht, im Grunde der Tiefe aber bedeutet eben diese Erscheinlichkeit, wie da eine Gesellschaft von ihrem eigenen Grundfalschen und daraus hervorgehenden Bösen gefangen ist. - Gehen wir aber nur weiter, und verlassen wir diesen Stoß! - Sehet, da vorne ist schon wieder ein noch größerer Haufen; da wir uns schon wieder in seiner rechtmäßigen Nähe befinden, so saget mir wieder, was ihr da sehet. - Ihr saget: Lieber Freund, wir sehen hier nichts Anderes als früher; nur ist der Hauden kegelförmig, und über diesen Kegel sind eine Menge Ketten geworfen, mit denen diese Wesen also stark zusammengedrückt sind. - Nur können wir nirgends ein Gesicht entdecken, wie es etwa aussieht, weil diese Wesen mit ihren Gesichtern alle abwärts auf den Boden gerichtet sind. Ihr fraget: Aeber Freund, befindet sich etwa auch unser früheres Quartett in diesem Haufen? Nein, meine lieben Freunde; wir werden zu demselben schon noch kommen. - Da wir hier Alles gesehen haben, so bewegen wir uns wieder etwas vorwärts.

08] Sehet, in nicht geringer Entfernung vor uns stellt sich ein förmlicher Berg dar; - da wir schon wieder in der gerechten Nähe sind, so betrachtet ihn nur ein wenig. - Was seht ihr? Ihr sagt schon wieder: Aber um des allmächtigen gerechten Gotteswillen, was ist denn das?! - das sind zwar ebenfalls lauter menschliche Wesen unter Ketten und eisernen Gittern geschichtet; und zwischen ihnen giebt es auch eine Menge Schlangen und Nattern, die da nach allen Seiten mit ihren abscheulichen Augen herausblicken und hurtig darauf los züngeln. Was besagt Solches? - das besagt eine Gesellschaft, die schon mehr und mehr aus ihrem Falschen in das Böse übergegangen ist. - Gehen wir aber nur wieder von da weiter hin vor; und sehet, nicht ferne vor uns ist ein ganzes Gebirge, welches ihr mit einem Blicke nicht leichtlich überschauen werdet. Solches ist auch nicht Noth; denn eine Stelle spricht für das Ganze. - Und seht, hier ist schon der Fuß eines Ausläufers von diesem Gebirge; betrachtet ihn näher, und saget mir, was ihr sehet. - Ihr saget: Da sehen wir ja nichts, denn fast lauter niedergeknebelte Ungethüme aller Art; nur hier und da steht noch ein zerquetschtes Gerippe eines menschlichen Kadavers heraus. Was bedeutet denn Solches? - Solches bedeutet die purste Eigenliebe, und ist die Erscheinlichkeit weltlicher Macht, Größe und Reichthums, wenn solche Attribute auf der Welt zu eigennützigen bösen Zwecken gebraucht wurden.

09] Aber ihr fragt schon wieder, und saget: Aber lieber Freund, nachdem wir noch gar wohl wissen, daß wir uns in deiner Sphäre und im Grunde auf der geistigen Sonne befinden, allda wir nichts als nur Himmlisches wähnten; wie kommt es denn, daß wir auch die Hölle im vollkommensten Maße antreffen? - Ja, meine lieben Freunde, ist es euch denn nicht gleich bei dem Uebergange in die geistige Sonne vom Herrn Selbst erklärt worden, daß das Geistige ist ein Inwendigstes, ein Alles Durchdringendes und ein Allumfassendes? - Wenn das Geistige also beschaffen ist, so durchdringt es ja alle Planeten und die ganze Sphäre, so weit das Licht der naturmäßigen Sonne dringt; und rein geistig genommen aber noch um's Endlosfache weiter; und sonach befindet ihr euch nun nicht in der Sphäre der eigentlichen Sonne, sondern in der sonderheitlichen Sphäre eures Planeten. Wie aber von der eigentlichen Sonne aus alle Planeten ihr Licht und ihre Wärme empfangen, und ihre Wirkung alle diese Planeten durchdringet, also ist es auch der Fall mit der geistigen Sonne, da wir auf den Schwingen ihrer geistigen Strahlen auch das Geistige ihrer Planeten durchblicken. Da wir nun Solches näher kennen, so wird es euch hoffentuch doch auch klar sein, daß man auf diesem geistigen Wege auch das geistige Wesen der Hölle eures Planeten betreffend ganz klar durchschauen kann.

10] Ihr müßt euch überhaupt den Himmel und die Hölle nicht materiell räumlich von einander entfernt denken, sondern nur zuständlich; denn räumlich können Himmel und Hölle ganz fest neben einander sich also befinden, wie da ein himmlisch guter Mensch neben einem höllisch bösen einher gehen kann, und kann mit selbem sogar auf einer Bank sitzen. - Der Eine hat in sich den vollkommenen Himmel, und der Andere die vollkommene Hölle. Zum Beweise dessen könnte ich euch augenblicklich in meiner eigenen Sphäre zeigen, daß sich hier eben so gut der Himmel, wie die nun von euch geschaute Hölle befinden kann; denn ihr schaut ja alles Dieses ohnehin nur in meiner Sphäre, und ihr braucht nichts, als nur einen Schritt aus dieser meiner Sphäre zu thun, und ihr werdet euch wieder auf demselben Punkte befinden, von dem ihr ursprünglich in meine Sphäre getreten seid. - Da ihr nun Solches wißt, so können wir uns schon wieder von diesem Gebirge weiter wenden, und dieses Alles auch von einem anderen Lichte aus betrachten.

11] Gebet nun Acht, das Licht ist verändert; wie sehet ihr jetzt diesen Berg? - Ihr verwundert euch, daß ihr nun statt des Berges auf einmal ganz frei herum wandelnde Gruppen erschauet, und sogar allerlei Wohnungen, theils wie schmutzige Kneipen, theils wie alte schwarze Ritterburgen; und sehet sogar Alles in einem röthlichen Zwielichte.

12] Aber da sehet, unfern vor uns steht eine wie an einem Felsengebirge angebaute alte ritterliche Burg; dahin wollen wir uns denn auch begeben. - Sehet, wir sind schon da; die Pforte ist offen. Wir sind hier unsichtbar; somit begeben wir uns auch in diese Burg, und wollen da sehen, wie.es zugeht. - Nun sehet, da ist schon der erste Saal; seine Wände sind behangen mit allerlei Mord- und Marterwerkzeugen. - Und sehet, dort im Hintergrunde sitzt der vermeintliche Burgherr auf einem Throne, und berathet sich mit seinen Spießgesellen, wie sie es anstellen sollen, um sich der Güter und Schätze eines nachbarlichen ähnlichen Burgeigenthümers zu bemächtigen. Höret, wie er ihnen aufträgt, daß sie die beabsichtigte Burg ganz in aller Stille überfallen, dann schonungslos Alles, was da lebt, rein niedermetzeln und sodann nach den Schätzen greifen sollen. Sollte sich aber Jemand ihnen wie unbesiegbar widersetzen, so sollen sie ihn wieder hierher bringen also, wie sie es schon zu öfteren Malen gemacht haben, allda sich dann ein solcher Gefangener wird die allerpeinlichsten Martern gefallen lassen müssen. - Nun, der Rath ist beschlossen und beendet; Alles ergreift die Waffen und rennt hinaus. - Da wir hier nichts mehr zu machen haben, so rennen wir ihnen auch nach.

13] Seht, dort nicht ferne vor uns ist schon die beabsichtigte Burg; sie wird umringt, und nun sehet, das fürchterliche Gemetzel beginnt, die argen Wesen kämpfen wüthend gegen einander. Und sehet, wie da die Bewohner dieser zweiten Burg in Stücke zerhauen werden; und seht ferner, da bringen die Spießgesellen unseres vorigen Burginhabers ja soeben geknebelt unser bekanntes Quartett entgegen. Schließen wir uns an, und behorchen jetzt ein wenig des Zuges Zweigespräch; höret, der Mann spricht zum Weibe: O du elende Schlange, jetzt erkenne ich dich; meine bittere Ahnung hat mir heimlich immer zugeflüstert, was für eines elenden Geistes Kind du bist! Sieh, das ist jetzt die hohe Schule und dein erbärmliches Licht, von dem du mir listiger Weise als ein geistig erfahrenes Wesen vorgeheuchelt und vorgelogen hast; und dieser nun mit uns geknebelte Bösewicht von einem Professor dieser hohen Schule ist nun auch mit uns in dieser schauerlichen Gefangenschaft, der sicher das schrecklichste Loos bevor steht!

14] Das Weib spricht: Wie kannst du denn so von mir denken? Wer kann für ein unvorhergesehenes Unglück? Ich habe es dir ja doch nur gut gemeint. - Der Mann spricht: Schweige nun, du elende Schlange. Dir allein hab' ich es zu verdanken, daß ich mich jetzt in der offenbaren Hölle befinde; zwischen mir und dir sei auf ewig jeglicher Bund gebrochen. Und Du, mein Jesus, auf Den ich mich immer berufen habe, helfe mir aus dieser meiner schrecklichen Gefangenschaft; ich will ja lieber nach Deinem allerheiligsten Willen viele tausend Jahre auf demjenigen finsteren Orte herum wandeln, und dort abbüßen alle meine Gebrechen, als hier nur einen Augenblick länger noch in diesem Schreckensorte verbleiben, der so ganz und gar von aller Deiner Gnade und Erbarmung für ewig ausgeschlossen zu sein scheint! - O Jesus, helfe mir! O Jesus, rette mich!

15] Nun sehet, diesem Zuge entgegen eilen soeben zwei Vermummte; sehet, jetzt sind sie schon daran. Sie enthüllen sich, und wie ihr sehet, so sind es zwei strafende Engel des Herrn. Ein Jeder hat ein flammendes Schwert in der Hand; der Eine macht einen Zug über die besiegte Burg, und die zerfleischten und zerhauenen Wesen ergreifen sich wieder zu ganzen Gestalten, und wehklagen über die erlittene Unbild; und der andere Engel zieht sein Schwert über die frühere berüchtigte Burg, und die ganze Burg steht, wie ihr sehet, in Flammen, und trennende und heulende Gestalten stürzen sich allenthalben aus den Oeffnungen, Fenstern und Thüren heraus, und fluchen diesen rächenden zwei Engeln.

16] Wieder sehet, ein Engel haut mit seinem flammenden Schwerte mitten in unser Quartett hinein. Die Ketten sind gelöst; der Mann fällt vor diesen Zweien auf sein Angesicht nieder, und bittet sie um gnädige Rettung. - Und sehet, der eine Engel ergreift ihn, und zieht ihn mit sich; das Weib aber ergreift ihn auch und schreit um Gnade und Erbarmen zu ihrem Manne, daß er sie ja nicht verlassen solle. Seht, wie lange sie sich sammt dem Manne von dem Engelsgeiste fortschleppen läßt! Jetzt seht, die beiden Engel erheben sich aufwärts, und der Eine trägt den Mann; das Weib aber läßt sich mittragen, und läßt den Mann nicht aus. Jetzt erst schon in großer Höhe macht der andere Engel mit seinem Schwerte einen Streifhieb, und löset damit mühevoll das Weib von dem Manne. Sie stürzt nun jählings heulend in ihr Element zurück, und der Mann wird an die Grenze des Kinderreiches geführt, da es aber noch sehr mager und dunkel aussieht.

17] Nun habt ihr gesehen, und das zwar noch die beste Art einer solchen Löse; es giebt aber deren noch eine zahllose Menge von viel schrecklicherer und hartnäckigerer Art, deren Anblick selbst durch das Wort gegeben ihr schwerlich ertragen würdet. - Daher wollen wir uns wieder in unsere vorige Gegend zurück begeben, und von dieser dann übergehen in die Gegend des Mittags; - und somit gut für heute!

01) Ihr sagt: Aber da geht es steil abwärts, und über so viele Klippen und steile Abhänge führt der Weg! - Ja, ja, meine Lieben! Also kommt es aber nur euch vor; diejenigen, deren Gemüt mit diesem Orte korrespondiert, haben da eine breite und wohlbetretene Bahn. Gehen wir daher nur mutig weiter; es wird nicht so lange währen, bis wir die erscheinliche Flammenebene werden erreicht haben.

02] Nun seht hinab, wie sich die Flammen nach und nach zu verlieren anfangen, und ihr erschaut eine Menge gluterfüllte Stellen ohne Flamme darüber; aber ihr fragt: Werden wir da etwa müssen auf solcher Glut einhergehen? Ich sage euch: Kümmert euch alles dessen nicht, denn alles dieses sind nur Erscheinlichkeiten und besagen den Gemütszustand derer, die da unten wohnen. - 'Flamme' bedeutet die Tätigkeit des Bösen; der über den Flammen emporsteigende 'Qualm' bezeichnet das Grundfalsche, und die 'Glut' bedeutet die völlige Eigenliebe und derzufolge den argen Eifer und den böse gewordenen Willen derjenigen, welche in solcher Eigenliebe sind. Doch wie dieses alles sonderheitlich an Ort und Stelle artet, werdet ihr sobald mit den eigenen Augen erschauen.

03] Nun seht abermals hinab; was erblickt ihr jetzt? Ihr sagt: Die Flammen sind gänzlich vergangen und die Glut hat sich in Haufen gesammelt; zwischen den Haufen aber erschauen wir die allerdichteste Nacht. Ihr fragt noch einmal: Wo ist denn der Strom, den wir zuvor ganz glühend da hinabstürzen sahen? Dieser Strom ist ebenfalls nur eine Erscheinlichkeit und bezeichnet den Zug des Falschen, wie dasselbe mündet in das Böse. So bezeichnet auch dieser Abgrund die Tiefe des Bösen, wie dieses ebenfalls schlaue und feindurchdachte Pläne faßt, um sein arges Vorhaben durchzusetzen.

04] Da ihr nun solches wißt, so wollen wir nur mutig darauf losgehen, um sobald als möglich an unser Ziel und somit auch zu unserer Gesellschaft zu gelangen. Nur einige Schritte noch, und seht, wir sind schon in der Ebene und somit auch in der vollkommenen Tiefe. Ihr seht nun hier gar nichts, denn die Finsternis ist so groß, daß ihr mit dem Lichte eurer Augen ewig nichts auszunehmen imstande wäret. Daher wird es hier nötig sein, daß wir uns so viel Licht schaffen, das uns genügt, um hier etwas auszunehmen, jedoch darf niemand von den hier Seienden von unserem Lichte etwas verspüren, und ihr müßt euch da fest an mich halten und keiner Sphäre eines Geistes zu nahe treten, außer insoweit, als es euch durch mich gestattet wird.

05] Und so denn seht, wir haben nun schon so viel Licht, als es not tut, um diesen Ort näher zu betrachten. Was bemerkt ihr hier? - Ihr sagt aus einem kleinen Fieberzustande heraus: Um des allmächtigen, allbarmherzigen Gottes willen, was ist das doch für ein schauderhafter Ort! Nichts stellt sich unseren Blicken dar, als schwarzer Sand und schwarzes Steingerölle, welches den Boden dieser Gegend ausmacht; und zwischen dem Sande und diesem Steingerölle dampft es hie und da so heraus, wie wir öfter gesehen haben auf der Erde, wenn die Kohle gebrannt wird. Ferner fragt ihr und sagt: Wo sind denn hier Wesen zu sehen? Denn diese Gegend scheint ja wie gänzlich ausgestorben zu sein. Ja, meine lieben Freunde, solches ist auch nur eine Erscheinlichkeit und bezeichnet den 'Tod!' - Doch sorgt euch nicht über die Wesenleere dieses Ortes; denn ihr werdet sobald derselben gar reichlichst innewerden.

06] Seht, da unfern von uns ist etwas zu sehen, ungefähr so wie bei euch auf der Erde ein ziemlich großer Scheiterhaufen. Diesem Stoße wollen wir uns nahen, und ihr werdet euch sobald überzeugen, was für ein Material das ist. Nun seht, wir sind dem Stoße gerechtermaßen nahe; betrachtet ihn nun ein wenig näher. Was seht ihr? Ihr sagt schon wieder: Aber um des allmächtigen, gerechten Gottes willen! Was ist doch solches? Da sind ja lauter Menschen gleich den Pickelheringen übereinander geschichtet und sind dazu noch mit überstarken Ketten an den Boden also befestigt, daß es wohl keinem möglich ist, sich in dieser Lage auch nur im geringsten rühren zu können. Wenn das durchaus hier der Fall ist, da sieht es mit der sein sollenden, ewig fortbestehenden Freiheit des Geistes ganz sonderbar schiefrig aus.

07] Ja, meine lieben Freunde, also sieht es auf den ersten Augenblick wohl aus, wenn wir die Sache von unserem himmlischen Lichte aus betrachten. Darum aber ist es auch nur eine Erscheinlichkeit, die der Wahrheit der Sache entspricht. Im Grunde der Tiefe aber bedeutet eben diese Erscheinlichkeit, wie eine Gesellschaft von ihrem eigenen Grundfalschen und daraus hervorgehenden Bösen gefangen ist. Gehen wir aber nur weiter und verlassen wir diesen Stoß! Seht, da vorne ist schon wieder ein noch größerer Haufen. Da wir uns schon in seiner Nähe befinden, so sagt mir wieder, was ihr da seht. - Ihr sagt: Lieber Freund, wir sehen hier nichts anderes als früher; nur ist der Haufen kegelförmig, und über diesen Kegel ist eine Menge Ketten geworfen, mit denen diese Wesen stark zusammengedrückt zu sein scheinen, daß ihre Leiber förmlich glattgedrückt sind. Nur können wir nirgends ein Gesicht entdecken, wie es etwa aussieht, weil diese Wesen mit ihren Gesichtern alle abwärts auf den Boden gerichtet sind. Ihr fragt: Lieber Freund, befindet sich etwa auch unser früheres Quartett in diesem Haufen? Nein, meine lieben Freunde; wir werden zu demselben schon noch kommen. - Da wir hier alles gesehen haben, so bewegen wir uns wieder etwas vorwärts.

08] Seht, in nicht geringer Entfernung vor uns stellt sich ein förmlicher Berg dar; da wir schon wieder in der gerechten Nähe sind, so betrachtet ihn nur ein wenig. Was seht ihr? - Ihr sagt schon wieder: Aber um des allmächtigen, gerechten Gottes willen, was ist denn das?! Das sind zwar ebenfalls lauter menschliche Wesen unter Ketten und eisernen Gittern geschichtet; und zwischen ihnen gibt es auch eine Menge Schlangen und Nattern, die da nach allen Seiten mit ihren abscheulichen Augen herausblicken und hurtig darauf loszüngeln. Was besagt wohl solches? - Das besagt eine Gesellschaft, die schon mehr und mehr aus ihrem Falschen in das Böse übergegangen ist. Gehen wir aber nur wieder von da weiter vor. Seht, nicht ferne vor uns ist ein ganzes Gebirge, welches ihr mit einem Blicke nicht leichtlich überschauen werdet. Solches ist auch nicht not; denn eine Stelle spricht für das Ganze. Hier ist schon der Fuß eines Ausläufers von diesem Gebirge; betrachtet ihn näher und sagt mir, was ihr seht. - Ihr sagt: Da sehen wir ja nichts denn fast lauter niedergeknebelte Ungetüme aller Art; nur hier und da sieht noch ein zerquetschtes Gerippe eines menschlichen Kadavers heraus. Was bedeutet denn solches? Solches bedeutet die purste Eigenliebe und ist die Erscheinlichkeit weltlicher Macht, Größe und Reichtums, wenn solche Attribute auf der Welt zu eigennützigen, bösen Zwecken gebraucht wurden.


09] Aber ihr fragt schon wieder und sagt: Aber lieber Freund, nachdem wir noch gar wohl wissen, daß wir uns in deiner Sphäre und im Grunde auf der geistigen Sonne befinden, wo wir nichts als nur Himmlisches wähnten; wie kommt es denn, daß wir da auch die Hölle im vollkommensten Maße antreffen? - Ja, meine lieben Freunde, ist es euch denn nicht gleich bei dem Übergange in die geistige Sonne vom Herrn Selbst erklärt worden, daß das Geistige ist ein Inwendigstes, ein alles Durchdringendes und ein Allumfassendes? Wenn das Geistige also beschaffen ist, so durchdringt es ja alle Planeten und die ganze Sphäre, so weit das Licht der naturmäßigen Sonne dringt; und rein geistig genommen aber noch ums Endlosfache weiter. Sonach befindet ihr euch nun nicht in der Sphäre der eigentlichen Sonne, sondern in der sonderheitlichen Sphäre eures Planeten. Wie aber von der eigentlichen Sonne aus alle Planeten ihr Licht und ihre Wärme empfangen und ihre Wirkung alle diese Planeten durchdringt, so ist es auch der Fall mit der geistigen Sonne, da wir auf den Schwingen ihrer geistigen Strahlen auch das Geistige ihrer Planeten durchblicken. Da wir nun solches näher kennen, so wird es euch hoffentlich doch auch klar sein, daß man auf diesem geistigen Wege auch das geistige Wesen der Hölle, euren Planeten betreffend, ganz klar durchschauen kann.

10] Ihr müßt euch den Himmel und die Hölle nicht materiell räumlich voneinander entfernt denken, sondern nur zuständlich. Räumlich können Himmel und Hölle sich also nebeneinander befinden, wie da ein himmlisch guter Mensch neben einem höllisch bösen einhergehen kann, und kann mit selbem sogar auf einer Bank sitzen. Der eine hat in sich den vollkommenen Himmel und der andere die vollkommene Hölle. Zum Beweise dessen könnte ich euch augenblicklich in meiner eigenen Sphäre zeigen, daß sich hier ebensogut der Himmel wie die nun von euch geschaute Hölle befinden kann; denn ihr schaut ja alles dieses ohnehin nur in meiner Sphäre, und ihr braucht nichts als nur einen Schritt aus dieser meiner Sphäre zu tun, und ihr werdet euch wieder auf demselben Punkte befinden, von dem ihr ursprünglich in meine Sphäre getreten seid. - Da ihr nun solches wißt, so können wir uns schon wieder von diesem Gebirge weiterwenden und dieses alles auch von einem anderen Lichte aus betrachten.


11] Gebt nun acht, das Licht ist verändert. Wie seht ihr jetzt diesen Berg? Ihr verwundert euch, daß ihr nun statt des Berges auf einmal ganz frei herumwandelnde Gruppen erschaut und sogar allerlei Wohnungen, teils wie schmutzige Kneipen, teils wie alte, schwarze Ritterburgen; und seht sogar alles in einem rötlichen Zwielichte.


12] Aber da seht, unfern vor uns steht eine wie an einem Felsengebirge angebaute alte ritterliche Burg; dahin wollen wir uns denn auch begeben. Seht, wir sind schon da; die Pforte ist offen. Wir sind hier unsichtbar, somit begeben wir uns auch in diese Burg und wollen sehen, wie es da zugeht. Nun, da ist schon der erste Saal. Seine Wände sind behangen mit allerlei Mord- und Marterwerkzeugen. Und dort im Hintergrunde sitzt der vermeintliche Burgherr auf einem Throne und berät sich mit seinen Spießgesellen, wie sie es anstellen sollen, um sich der Güter und Schätze eines nachbarlichen ähnlichen Burgeigentümers zu bemächtigen. Hört, wie er ihnen aufträgt, daß sie die aufs Korn genommene Burg in aller Stille überfallen, dann schonungslos alles, was da lebt, niedermetzeln und sodann nach den Schätzen greifen sollen. Sollte sich aber jemand ihnen wie unbesiegbar widersetzen, so sollen sie ihn hierherbringen, wie sie es schon zu öfteren Malen gemacht haben, wo sich ein solcher Gefangener wird die allerpeinlichsten Martern gefallen lassen müssen. Nun, der Rat ist beschlossen und beendet; alles ergreift die Waffen und rennt hinaus. - Da wir hier nichts mehr zu machen haben, so rennen auch wir ihnen nach.

13] Seht, dort nicht ferne vor uns ist schon die besprochene Burg. Sie wird umringt, und nun seht: das fürchterliche Gemetzel beginnt, die argen Wesen kämpfen wütend gegeneinander, und da werden die Bewohner dieser zweiten Burg in Stücke zerhauen. Und seht ferner: da bringen die Spießgesellen unseres vorigen Burginhabers ja soeben geknebelt unser bekanntes Quartett daher. Schließen wir uns an und behorchen wir jetzt ein wenig während des Zuges das Zwiegespräch. Hört, der Mann spricht zum Weibe: O du elende Schlange, jetzt erkenne ich dich; meine bittere Ahnung hat mir heimlich immer zugeflüstert, was für eines elenden Geistes Kind du bist! Sieh, das ist jetzt die hohe Schule und dein erbärmliches Licht von dem du mir listigerweise als ein geistig erfahrenes Wesen vorgeheuchelt und vorgelogen hast. Dieser nun mit uns geknebelte Bösewicht von einem Professor dieser hohen Schule ist nun auch mit uns in dieser schauerlichen Gefangenschaft, der sicher das schrecklichste Los bevorsteht!

14] Das Weib spricht: Wie kannst du denn so von mir denken? Wer kann für ein unvorhergesehenes Unglück? Ich habe es mit dir ja doch nur gut gemeint. Der Mann spricht: Schweige nun, du elende Schlange. Dir allein hab ich es zu verdanken, daß ich mich jetzt offenbar in der Hölle befinde. Zwischen mir und dir sei auf ewig jeglicher Bund gebrochen. Und Du, mein Jesus, auf Den ich mich immer berufen habe, hilf mir aus dieser meiner schrecklichen Gefangenschaft; ich will lieber nach Deinem allerheiligsten Willen viele tausend Jahre auf jenem finsteren Orte umherwandeln und dort abbüßen alle meine Gebrechen, als hier nur einen Augenblick länger noch an diesem Schreckensorte verbleiben, der so ganz und gar von aller Deiner Gnade und Erbarmung für ewig ausgeschlossen zu sein scheint! - O Jesus, hilf mir! O Jesus, rette mich!

15] Nun seht, diesem Zuge entgegen eilen soeben zwei Vermummte; seht, jetzt sind sie schon da. Sie enthüllten sich, und wie ihr seht, sind es zwei strafende Engel des Herrn. Ein jeder hat ein flammendes Schwert in der Hand; der eine macht einen Zug über die besiegte Burg und die zerfleischten und zerhauenen Wesen ergreifen sich wieder zu ganzen Gestalten und wehklagen über die erlittene Unbill. Der andere Engel zieht sein Schwert über die frühere berüchtigte Burg, und die ganze Burg steht, wie ihr seht, in Flammen, und brennende und heulende Gestalten stürzen sich allenthalben aus den Öffnungen, Fenstern und Türen heraus und fluchen diesen rächenden zwei Engeln.

16] Wieder seht, ein Engel haut mit seinem flammenden Schwerte mitten in unser Quartett hinein. Die Ketten sind gelöst; der Mann fällt vor diesen zweien auf sein Angesicht nieder und bittet sie um gnädige Rettung. Und der eine Engel ergreift ihn und zieht ihn mit sich. Das Weib aber ergreift ihn auch und schreit um Gnade und Erbarmen zu ihrem Manne, daß er sie ja nicht verlassen solle. Seht, wie lange sie sich samt dem Manne von dem Engelsgeiste fortschleppen läßt! Jetzt seht, die beiden Engel erheben sich aufwärts, und der eine trägt den Mann. Das Weib aber läßt sich mittragen und läßt den Mann nicht aus. Jetzt erst, schon in großer Höhe, macht der andere Engel mit seinem Schwerte einen Streifhieb, und löst damit mühevoll das Weib von dem Manne. Sie stürzt nun heulend jählings in ihr Element zurück, und der Mann wird an die Grenze des Kinderreiches geführt, wo es aber noch sehr mager und dunkel aussieht.

17] Nun habt ihr gesehen, und das zwar noch die beste Art einer solchen Löse. Es gibt aber deren noch eine zahllose Menge von viel schrecklicherer und hartnäckigerer Art, deren Anblick, selbst durch das Wort gegeben, ihr schwerlich ertragen würdet. Daher wollen wir uns wieder in unsere vorige Gegend zurückbegeben und von dieser dann übergehen in die Gegend des Mittags. - Und somit gut für heute!

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