Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 132. Kapitel: Die von Jesus gesegnete Landschaft.

01] Am Morgen, noch mehr denn eine Stunde vor dem (Sonnen)Aufgange, kamen einige schon vor die Tür unseres Wirtes, der auch nicht einschlafen konnte - obschon er zu dem Behufe noch einige Schlucke Weines zu sich genommen hatte -, und als der Wirt seine Nachbarn gar leicht an ihren Stimmen erkannte, erhob er sich denn auch ganz sachte vom Tische und ging hinaus, um zu erfahren, was denn seine Nachbarn schon so früh am Morgen vor seines Hauses Tür machten.

02] Als er hinauskam, da schlug er die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte: »Aber hört, wo sind wir denn nun? Mein Haus ist wohl noch das alte; aber die Gegend ist ganz fremd! Da gibt es kein kahles Gestein mehr, alles ist grün und blühend! Und da oben auf dem Steinhügel, auf dem noch nie eine noch so elende Distelstaude zum Vorschein kam, steht ein ganzer Wald voll der üppigsten Fruchtbäume, die in dieser vorgerückten Herbstzeit dazu noch voll reifer Früchte sind! Ich ginge nun wahrlich gern hinauf, um mich davon völlig zu überzeugen; aber es ist das alles ein heiliges Wunderwerk des Herrn, und wir werden erst dann Gebrauch davon machen, wenn Er an unserer Seite uns von all dem den Gebrauch einräumen wird.«

03] Damit waren auch alle seine Nachbarn unter großer Rührung ihres Gemütes einverstanden.

04] Sie gingen aber ums Haus herum, um alle Punkte ihres Ländleins zu besichtigen, und als sie nach den verschiedenen Richtungen ihres Ländleins ein wahres Eden entdeckten, da konnten sie vor lauter Lobpreisungen Meines Namens gar nicht zu Ende kommen.

05] Endlich kam Ich Selbst noch vor dem vollen Aufgange zu ihnen hinaus, und sie fielen alle auf die Knie und dankten Mir für solch eine Segnung.

06] Ich aber beruhigte sie alle bald und riet ihnen, mit Mir auf den ehemaligen Steinhügel zu gehen und den Aufgang der Sonne zu betrachten und da sich auch in der großen Natur zu überzeugen, daß Meine nächtliche Erklärung vollste Wahrheit sei.

07] Wir bestiegen den Hügel, der, vom Hause aus gemessen, bei dreihundert Handspannen höher war als der Punkt, auf dem das Haus stand.

08] Von diesem ganz freien Hügel genoß man eine weite Fernsicht besonders gen Osten und konnte auch die Mauern von Bethsaida noch recht gut ausnehmen. Auch in die Gegend von Aphek konnte man sehen, doch wegen der ziemlichen Entfernung von etlichen Stunden Weges nicht viel ausnehmen.

09] Der Wirt aber betrachtete zuerst die vielen und pur edlen Fruchtbäume seines Hügels, auf dem wir uns befanden.

10] Und als er mit diesem für ihn seligen Betrachten zu Ende war und die Sonne sich schon sehr dem Aufgange nahte, da kehrte auch er seine Augen voll Aufmerksamkeit dem Aufgange der Sonne zu und sagte, als die Sonne über den niederen Horizont emporzusteigen begann: »Nun sehe ich es klar, daß die große Sonne wahrlich steht und nur die sich von Westen nach Osten drehende Erde ihre Länder und Orte unter die stillstehende Sonne hinschiebt!«

11] Und was der Wirt gewahrte, das gewahrten auch seine Nachbarn, und alle waren höchst erfreut darob, daß sie solches auch nun selbst an der großen Natur wahrgenommen hatten.

12] Als wir so bei einer Stunde lang die Morgenszene betrachteten, da kamen schon einige Wanderer von Morgen her auf der Heerstraße, die nach Damaskus und noch weiter bis nach Persien führte. Diese Wanderer, kleine Kaufleute, die allerlei hölzernes und auch tönernes Küchengerät auf ihrem Rücken zum Verkaufe herumtrugen, waren aus der Gegend von Damaskus.

13] Als sie an unseren kleinen Ort kamen, den sie wohl kannten, weil sie auch alljährlich zwei bis drei Male diesen Weg begingen und in den zehn, eigentlich bei sechzig Städten für ihre Ware, die sie sehr billig zum Verkaufe anboten, sichere Abnehmer fanden, da blieben sie stehen, und einer fragte den andern, ob dies wohl der Ort wäre, in dem sie dann und wann auch ein kleines Geschäft gemacht hätten.

14] Da sie vor kaum einem halben Jahre sich auch in dieser Gegend befanden, allwann sie noch ganz kahl war, so begriffen sie nicht, wie diese unbemittelten Einwohner dies ihr zum größten Teil kahles Ländlein in einer so kurzen Zeit derart zu kultivieren vermochten, was selbst die reichsten Menschen kaum in zehn Jahren beim größten Fleiß zu bewirken imstande waren.

15] Einer von ihnen, der ein Jude nach altem Schlage war, sagte zu seinen Gefährten: »So diese Gegend dieselbe ist, als die wir sie kennen, so muß da ein offenbarstes Wunder geschehen sein! Es steht in einem Propheten, daß dieses Land noch einmal grünen werde, und zwar zur Zeit der Ankunft des verheißenen Messias. Man hört, daß in Galiläa ein Mann aus dem Stamme Davids solle erstanden sein und treibe wunderbare Dinge.

16] Allein, es ist in dieser Zeit auf derlei Wunderdinge nicht viel zu halten, da wir von allen Seiten von Wundertätern in großen Massen ordentlich belagert sind. Denn solange nur Juden diese Länder bis weit über Damaskus hinaus innehatten, da hatten bei ihnen die fremden Magier keinen Zutritt; aber seit das alles den Römern gehört, da dürfen sie von allen Seiten hereindringen und ihre Zaubereien ausüben, und mitunter - wie wir uns schon mehrere Male selbst überzeugt haben - bewirken sie im Ernste erstaunliche Dinge.

17] Am Ende sind etwa vor kurzem auch hier solche Magier durchgezogen und haben diesen armen Menschen eine außerordentliche Wohltat erwiesen. In Damaskus hatten ja auch vor ein paar Jahren etliche Magier einem Reichen ein Stück ganz kahlen Feldes in wenigen Tagen in eine grüne Wiese verwandelt.«

18] Sagten die andern: »Nun ja, es mag auch hier etwas Ähnliches vorgefallen sein! So wir wiederkehren werden, werden wir wohl etwas Näheres erfahren!«

19] Auf das zogen sie weiter gen Aphek hin.

20] Ich aber sagte das dem Wirte, was diese Leute unter sich geredet hatten, und sagte weiter hinzu: »Wenn diese in die Nähe von Aphek kommen werden, da werden sie sich noch weniger auskennen denn hier, wo sie sind; denn um Aphek ist in stundenweitem Umkreise das geschehen, was hier in eurem Ländlein geschah. Wenn diese Leute wiederkehren werden, dann werdet ihr leicht mit ihnen zu reden haben; denn sie werden in der benannten Stadt über ihren Mann aus Galiläa schon diejenigen Aufklärungen bekommen, daß sie ihn nicht mehr mit den heidnischen Zauberern verwechseln werden.«

21] Nachdem kosteten wir mehrere Früchte auf dem Hügel, die allen vortrefflich schmeckten, und begaben uns darauf wieder in die Herberge, allwo schon ein wohlbereitetes Morgenmahl auf uns wartete.



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