Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 8. Kapitel: Ein Wunder Jesu ernüchtert die Römer.

01] Als Ich solches ausgesprochen hatte, da schwebten schon alle in der vorbestimmten Höhe in der Luft des Saales, und da allda jeder allen festen Stützpunkt verlor und mit dem auch das Gleichgewicht, so hingen bald die meisten wegen ihrer heftigen Sträubebewegung kopfüber in der Luft, und ein durch des Saales hohe Fenster durchstreichender Wind in wirbelnder Art trieb sie von einer Wand des Saales zur andern, und keiner konnte dem andern nur die geringste Hilfe leisten. Etliche versuchten, ihre Waffen nach uns herabzuwerfen; aber auch diese blieben in der Luft hängen.

02] Als sich der Hauptmann beinahe eine halbe Stunde lang samt seinen Helfern in dieser für ihn unerhörten Stellung befunden hatte, da fragte Ich ihn, sagend: »Was hältst du nun von Meiner Allvollmacht? Findest du nicht, daß der Löwe Judas mächtiger ist als deine scharfe römische Vollmacht, die du auch einen Löwen nanntest, der auf alle Tiere Jagd mache und nicht einem Hasen gleich vor einem schlauen Judenfuchs die Flucht ergreife?«

03] Darauf schrie der Hauptmann auf Mich aus der Luft herab: »Ich bitte dich, du Haupt aller Magier oder du als ein Halb- oder Ganzgott, befreie uns aus dieser höchst unerträglichen Lage, und ich will von der ausgesprochenen Strafe ganz abgehen; denn ich sehe nun nur zu klar ein, daß alle Macht selbst des größten Reiches der Erde keinen Wettkampf mit dir eingehen kann! Befreie mich aus dieser höchst jämmerlichen Lage, und ich werde mich nebst dem vollen Nachlasse meiner euch diktierten Strafe um euch weiter auch nicht im geringsten mehr kümmern, von dieser Sache schweigen wie eine ägyptische Pyramide, und ihr könnt in dieser Stadt verweilen, solange ihr wollt, und ich werde niemanden von euch nötigen, diesen Ort zu verlassen!«

04] Sagte Ich: »Höre, Ich durchschaue dein Herz und sehe, daß es dir mit deinen Versprechungen noch nicht vollkommen ernst ist; aber da Ich Meine Macht sicher besser kenne als du die deinige, so will Ich denn auch deine Bitte erhören, und es soll dir wieder der Boden der Erde zu einem festen Stützpunkte werden!«

05] Als Ich solches ausgesprochen hatte, erhielten alle eine aufrechtstehende Stellung in der Luft und sanken dann ganz gemächlich wieder auf den Boden der Erde, der hier auch den Boden des Saales bildete, herab.

06] Als sie wieder festen Fußes waren, da entließ der Hauptmann sogleich seine Kriegsknechte und gab auch den den Saal von außen umgebenden Wachen den Befehl, sich in ihre Wohnhütten und Schanzlagerstätten zu begeben, was denn auch alsogleich geschah; er aber blieb mit zwei seiner ersten Unterführer bei uns im Saale, setzte sich an einen kleinen Nebentisch und ließ sich Brot und Wein geben, und sagte nun zu Ebal: »Das kannst du und jener Allmächtige für den vollen Nachlaß uns schon gewähren! Hättest du mir draußen von der Macht dieses sonderbarsten Menschen etwas gesagt, so hätte ich auch sicher menschlichere Forderungen an dich gestellt! Wer hätte es aber auch nur ahnen können, daß sich unter diesen deinen sein sollenden alten Freunden ein den Göttern ähnlich allmächtiger Magier befindet?

07] Bei uns Römern gilt das ja für etwas, das inmitten eines heftigsten Kampfes sich als ein Wink der Götter darstellt, und wo der Kampf ein völliges Ende nimmt.

08] Ich habe in der Luft deines Saales viel Angst ausgestanden, weshalb ich ordentlich schwach geworden bin, und so will ich mich denn nun auch hier hier wieder stärken; zweitens aber möchte ich mit dem Wundermanne nun im guten und vollen Ernste zu keines Menschen Schaden eine nähere Bekanntschaft machen, deren er mich wohl etwa würdigen wird, da ich ihm nirgends mehr bedrohlich in den Weg treten werde. Und darum lasse du mir und auch meinen beiden Dienern nun einen besten Wein bringen und etwas Brot und Salz!«

09] Ebal ließ das sogleich geschehen, und die drei wurden sogleich bestens versorgt und aßen und tranken. Als sie sich aber von ihrer Angst und Furcht vor Mir beim Weine ein wenig erholt hatten, da fingen sie denn auch lauter und mutiger an zu reden, und der Hauptmann wollte sich schon mehrere Male von seinem Stuhl erheben und zu Mir gehen, um sich mit Mir in ein Gespräch einzulassen; aber seine beiden Diener widerrieten ihm das, indem es nicht rätlich wäre, sich mit den Hauptmagiern eher in ein Gespräch einzulassen, als bis diese es irgend selbst wünschten. Und so blieb der Hauptmann noch ruhig und ließ sich noch mehr Wein bringen.



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