Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 229. Kapitel: Jesus mit den Seinen im Jordantal.

01] Ich aber ging mit Meinen Jüngern schnell vorwärts und gelangte gegen Mittag in einen kleinen Ort, der von lauter arabischen, armen Hirten bewohnt war.

02] Es war zwar in diesem Orte keine Herberge, doch war da ein gewisser Oberhirte, dessen Hütte etwas besser bestellt war als die der andern, kleineren Unterhirten.

03] Dieser Oberhirte fragte uns in seiner Sprache, wohin wir gingen, indem er sagte, daß von hier aus sich eine ziemlich lange Strecke kein Ort mehr befinde, und so wir uns stärken wollten, so möchten wir das bei ihm tun, da wir vor der Nacht nicht leichtlich wohin an einen Ort kommen könnten, in welchem wir etwas zu essen und trinken bekommen könnten.

04] Sagte Ich zu ihm: »Du hast wohlgetan, daß du also in deinem Herzen für uns dachtest, und Ich nehme deinen guten Willen fürs Werk an; wir müssen aber heute noch ins Jordantal gelangen, und somit können wir uns hier gar nicht länger aufhalten.«

05] Sagte darauf der Oberhirte: »Wenn ihr in das Jordantal hinabkommen wollt, so führt gerade von dieser meiner Hütte ein am meisten bequemer Steig ins Tal hinab! Denn hier befindet sich die erste Quelle des Arnonbaches, und sie fällt nicht stark ab; der Weg ist daher ganz gut zu begehen, während die andern Quellen, die zusammen den Arnon ausmachen, äußerst steil abfallen und die äußerst schmalen Stege für den Wanderer sehr beschwerlich sind.«

06] Sagte Ich: »Auch für diesen Rat sollst du belohnt werden, - doch weder mit Gold, Silber und Edelsteinen, sondern mit etwas anderm, was dir nützlicher sein wird als das tote, glänzende Zeug, nach dem die Menschen so sehr gieren. Siehe, dieses Landstück, das du und deine Nachbarn bewohnen, soll fruchtbar werden, und deine Herden sollen sich vermehren, auf daß du daraus erkennen wirst, daß Ich, der Ich dir das sage, mehr bin als ein gewöhnlicher Mensch!

07] Reise du bei Gelegenheit in die Stadt am Nebo, und die Einwohner werden es dir sagen, wer Ich war, jetzt bin und für immer sein werde!«

08] Darauf sah Mich der Oberhirte groß an und bat Mich um die Erlaubnis, Mich ins Jordantal hinabbegleiten zu dürfen, da er sehr wegkundig sei.

09] Sagte Ich: »Darum hast du nicht notwendig, uns zu begleiten, indem Ich Selbst aller Wege auf dem ganzen Erdboden allerbestens kundig bin; aber deiner Freundlichkeit wegen magst du Mich schon einige Zeitlang begleiten!«

10] Darauf setzten wir unsere Reise fort, und der Oberhirte dieses Ortes ging voran und führte uns einen recht guten Weg nahe ganz ins Jordantal hinab, allwo wir uns dann trennten und Ich mit Meinen Jüngern Mich im Jordantal ganz eiligen Schrittes nordwärts begab.

11] Wir erreichten erst bei drei Stunden nach dem (Sonnen)Untergange einen kleinen Ort, in welchem sich auch eine Herberge befand; und als wir zu der Herberge kamen, pochten wir an die Eingangstür derselben.

12] Der Wirt kam darauf an ein offenes Fenster und fragte etwas mürrisch, was wir so spät in der Nacht wollten.

13] Und Ich sagte: »Ein Meister der Herberge ist gesetzlich bemüßigt, zu jeder Stunde, auch in der Nacht, Reisende aufzunehmen und zu beherbergen!«

14] Als der Wirt solches von Mir vernahm, ward er der Meinung, daß Ich etwa so ein römischer Richter sei, schloß die Tür auf, machte Licht, und wir gingen in die Herberge.

15] Als wir in der ziemlich geräumigen Herberge unsere Plätze nahmen, da fragte uns der Wirt, ob wir auch etwas essen und trinken wollten.

16] Sagte Ich: »Wir haben seit dem Morgen weder etwas gegessen noch getrunken; somit wirst du auch einsehen, daß wir bedürftig sind, irgendeine Nahrung zu uns zu nehmen! Du hast Brot und Wein, und das genügt.«

17] Sagte der Wirt: »Ich habe auch Fleisch und Fische, wollt ihr davon etwas genießen, so kann ich es bereiten lassen; denn meine die Küche besorgenden Mägde haben sich noch nicht schlafen gelegt.«

18] Sagte Ich zum Wirte: »Dein Fleisch, indem du ein Grieche bist, taugt für uns Juden nicht; denn der Schweine und der Esel Fleisch genießen wir nicht, und deine Fische aus dem Jordan sind schon bei fünf Tage alt und tot, und derlei Fische genießen wir auch nicht. Daher bringe uns nur einen ordentlichen Wein und Brot!«

19] Darauf nahm der Wirt seinen Krug, ging, um den Wein (zu holen), und sein Weib brachte uns Brot. Ich nahm den eben nicht gar zu großen Laib Brotes, brach ihn in Stücke und teilte diese unter die Jünger aus und behielt auch ein Stück für Mich.

20] Nun kam auch der Wirt mit dem Weine, setzte vor jeglichen von uns einen Trinkbecher und füllte ihn mit Wein, der aber eben nicht von der besten Qualität war.

21] Und Ich sagte zu ihm: »Du hast noch einen besseren Wein; warum hast du uns deinen schlechtesten aufgesetzt!«

22] Sagte der Wirt: »Den besseren behalte ich für Römer und Griechen; für euch Juden aber ist der hinreichend gut genug! Denn alle Juden sind schlechte Zahler; darum muß man als Wirt sehen, wie man mit ihnen noch am besten darauskommt.«

23] Sagte Ich darauf zum Wirte: »So nimm denn einen andern Krug und fülle ihn mit Wasser, und setze uns das Wasser vor!«

24] Sagte der Wirt: »Das kann ich schon tun.«

25] Der Wirt ging, brachte uns einen großen Krug voll Wassers und setzte auch noch eine für uns genügende Anzahl Trinkbecher auf den Tisch und sagte etwas mürrisch: »So euch mein Wein nicht schmeckt, so trinkt in Neptuns Namen Wasser!«

26] Ich aber segnete das Wasser und machte es zum Weine, wie Ich schon öfter getan hatte. Dann wurden damit unsere zweiten Becher gefüllt, und wir tranken und stärkten uns.

27] Der Wirt bemerkte aber, daß uns das Wasser ganz gut schmeckte, und sagte: »Sonderbar, daß euch mein schlechtes Wasser besser zu schmecken scheint als mein Wein; denn unser Wasser ist darum nicht gut, weil wir eigentlich kein Quellwasser besitzen, sondern uns mit dem Jordanwasser begnügen müssen, das hier in der Nähe des Toten Meeres kein gutes Wasser mehr den Durstigen bietet!«



Home  |    Index Band 10  |   Werke Lorbers