Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 83. Kapitel: Vom Baum des Lebens und dem der Erkenntnis.

01] Sagte Ich: »Erstens bleibt die Wahrheit auch ohne Zeichen eine und dieselbe Wahrheit, und wer nach ihr leben und handeln wird, der wird es schon in sich lebendigst innewerden, daß Meine Lehre Gottes- und nicht Menschenwort ist.

02] Und zweitens werden jene, die Meine Lehre vom Reiche Gottes im Menschen an andere übertragen werden und nicht pure Lehrer, sondern auch selbst Täter Meines Willens, der in Meiner Lehre klar enthalten ist, sein werden, in Meinem Namen auch Zeichen, und noch größere denn Ich Selbst, zu wirken imstande sein.

03] Aber als pure Lehrer und nicht Selbsttäter Meiner Lehre werden sie keine Zeichen zu wirken imstande sein; denn die Kraft, Zeichen zu wirken, geht nicht vom Verstande, sondern vom lebendigen Glauben und festen Tatwillen aus. Denn der Verstand des Gehirns ist ein totes Weltlicht des Menschen, das wohl niemals in die innersten Lebensregionen des Geistes und seiner Kraft dringen kann; aber der lebendige Glaube im Herzen ist das wahre Lebenslicht der Seele, das in ihr den Geist erweckt und ihn den ganzen Menschen durchdringen macht. Ist der Mensch aber von dem Geiste durchdrungen, so ist er auch durchdrungen von seiner alles vermögenden Kraft; und was dann der lebendige Geist, als ein Wesen mit der Seele, will, das geschieht, und es ist des Wille schon als ein vollbrachtes Werk da.

04] Es steht darum auch in der Schrift: Zwei Bäume hat Gott in den Garten des Lebens gesetzt, einen Baum des Lebens und einen Baum der Erkenntnis,, und sagte zum Menschen; »So du nur von dem Baume des Lebens die Früchte essen wirst, so wirst du auch leben; wirst du aber auch vom Baume der Erkenntnis (in Lorbers Manuskript heißt es ,des Erkenntnisses') die Früchte essen, bevor sie von Mir für dich gesegnet werden, dann wird der Tod über dich kommen, und du wirst sterben!«

05] Der Mensch aber, da er einen freiesten Willen hatte, ließ sich durch die Schlange seiner Begierde verlocken und aß eher noch auch von dem Baume der Erkenntnis, als er durch Glaubensreife im Herzen des Menschen wäre gesegnet worden, das heißt, er fing an, durch den Gehirnverstand den Geist Gottes und so den Geist des Lebens zu suchen und zu ergründen, und die Folge davon war, daß er sich dadurch von Gott nur stets mehr entfernte, anstatt sich Ihm mehr und mehr zu nahen. Und das war schon der Tod, das heißt der geistige des Menschen, und der ganze Mensch wurde kraftlos und verlor die Herrschaft über alle Dinge in der Naturwelt und ward dann genötigt, mit Hilfe des matten Schimmers seines Gehirnverstandes sich im Schweiße seines Angesichtes sein Nährbrot physisch und noch mehr geistig zu erarbeiten und zu erwerben.

06] Und siehe, so haben sich nun die Menschen bis auf diese Zeit von Gott und somit auch vom wahren inneren Leben so weit entfernt, daß sie beinahe an gar keinen Gott mehr glauben und somit auch an gar kein Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes. Und die noch mechanisch entweder an einen Gott oder im blindesten Aberglauben an viele Götter, den Heiden gleich, glauben, stellen sich Gott oder die Götter so endlos weit von ihnen entfernt vor, daß es ihnen am Ende unmöglich vorzukommen anfängt, als könnte sich ein Mensch dem von ihm so endlos ferne geglaubten Gott je nahen.

07] Und so nun Gott Selbst zu den Menschen in aller Fülle Seiner ewigen Macht und Kraft und mit aller Seiner Liebe und Weisheit körperlich gekommen ist, so erkennen sie das nicht und halten das in ihrer großen Blindheit und Dummheit für unmöglich, während bei Gott doch alle Dinge möglich sind. Und so halten sie Gott Selbst darum, weil Er Sich nun ihnen mit leiblichem Munde und nicht mit Blitz und Donner offenbart, für einen Gotteslästerer und bösen Aufwiegler des Volkes gegen Gott und gegen die Könige der Welt, die sich selbst für Götter halten und sich auch als solche von den Menschen ehren lassen.

08] Und siehe, das alles ist eine Folge davon, weil alle Menschen die tote Frucht vom Baume der Erkenntnis lieber gegessen haben als die lebendige und lebengebende vom Baume des Lebens.«



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