Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 77. Kapitel: Jesus in der beschädigten Synagoge.

01] Da trat der Schriftgelehrte zu Mir und sagte: »Meister, warum hast denn du nicht auch unsere Wohnungen also beschützt wie diese hier?«

02] Sagte Ich: »Warum habt denn ihr nicht auch also geglaubt wie dieser eine hier?«

03] Sagte der Schriftgelehrte: »Wir konnten uns doch nicht selbst zum Glauben zwingen! Zum vollen Glauben gehört eine gediegenere Überzeugung als die, die wir über dich haben konnten. In dieser von allerlei Zauberern und Wundertätern strotzenden Zeit ist es schwer - besonders für einen alten Schriftgelehrten -, die Wahrheit aus den vielen ähnlichen Erscheinungen herauszufinden und sie dann auch ungezweifelt als das, was sie sei, anzunehmen und ungezweifelt zu glauben!«

04] Sagte Ich: »Wer zwang denn diesen euren Gefährten zum Glauben, und wie fand denn er aus den vielen falschen Erscheinungen die Wahrheit heraus? Seht, das liegt nicht im Gehirnverstande des Menschen, sondern in seinem besseren und aufrichtigeren Herzen!

05] Ihr habt euch schon gar lange kein Gewissen mehr daraus gemacht, die Menschen zu eurem äußeren Weltvorteile auf alle nur mögliche Art und Weise zu belügen und zu betrügen; dieser allein tat das nicht, da er bei sich noch auf die Gebote Gottes etwas hielt und sie nicht also verkehrte, wie ihr sie verkehrt habt.

06] Ihr hattet in euren Herzen keinen Glauben und somit auch keine Lebenswahrheit mehr, und darin liegt der Grund, aus dem ihr Mich nicht erkennen mochtet und an Mich auch keinen Glauben fassen konntet; denn wo keine Wahrheit und kein Leben ist, da kann sich auch keine noch so helle Wahrheit mit ihrem Leben eine Aufnahme und eine bleibende Wohnung verschaffen.

07] Wo aber noch eine Wahrheit mit ihrem Leben in einem Menschenherzen wohnt, da greift denn auch bald und leicht eine höhere Wahrheit Platz und erzeugt den lebendigen Glauben und dessen Kraft. Und das war denn bei diesem eurem Gefährten der Fall, und Ich habe denn also auch geschehen lassen, wie er geglaubt hat. Da habt ihr nun den Grund eures Unglaubens und der Härte eures Herzens, der euch ebenso blind macht und erhält wie euresgleichen allenthalben im ganzen Judenlande. Ich habe nun geredet und werde Mich nun wieder in die Herberge begeben.«

08] Auf diese Meine Worte wußte der Schriftgelehrte samt seinem Anhange nichts zu erwidern; Ich aber begab Mich darauf im Geleit des bekehrten Pharisäers, des Wirtes und des geheilten Oberknechtes sogleich nach der Herberge, in der alle die Jünger noch am Tische saßen und sich über Meine Lehren und Taten besprachen.

09] Die andern Pharisäer und der Schriftgelehrte aber durchsuchten mit mehreren Hausleuten des Wirtes die Synagoge mit Hilfe der Lichter klein durch, um zu sehen, was alles ihnen durch den Brand zerstört worden sei. Sie hätten das auch am nächsten Tage tun können; aber da sie viel Gold, Silber und noch andere Schätze, in der Synagoge verschiedenen Winkeln und Mauerlöchern wohl versteckt, besaßen, so wollten sie sich überzeugen, inwieweit das Feuer etwa auch diese wohlverborgenen Schätze verschont oder unverschont gelassen habe. Als sie nach fleißigem Durchsuchen der Winkel und Mauerlöcher denn doch noch so manches unversehrt vorfanden, da ward es ihnen etwas wohler ums Herz; sie stellten aber dennoch eine Wache auf, die in etlichen Knechten des Wirtes gegen einen guten Lohn bestand, damit ihnen niemand etwas stehle und sie noch ärmer mache, als sie nun zu sein glaubten.

10] Wir aber hatten unterdessen noch über so manches Besprechungen angestellt, die hier sonderheitlich nicht wiedergegeben zu werden brauchen, weil sie ohnehin an den Orten, wo sie vorgekommen sind, mehr denn hinreichend klar dargestellt und erklärt worden sind.

11] Besonders ward hier unsere Reise von Jericho bis hierher von Meinen Jüngern klar und kurz und bündig erzählt, worüber der Pharisäer, der Wirt, sein Knecht und sein Weib und etliche seiner erwachsenen Kinder höchlichst erstaunten und der Pharisäer laut zu öfteren Malen ausrief: »Nein, das ist mehr als endlosmal zu viel, um selbst die Steine sehend zu machen! Und meine Gefährten bleiben noch blind und suchen ihre elenden Weltschätze zu verwahren, während die allerhöchsten und ewig unvergänglichen Schätze des Lebens hier in der überschwenglichsten Fülle aufgetischt werden. Aber was kann unsereiner da machen, wo der Herr des Lebens so oftmals vergeblich die größten Zeichen wirkt und den Menschen Lehren gibt, die allein nur aus dem Herzen und Munde Gottes kommen können? Ich lebe leider unter Wölfen und muß, um von ihnen nicht zerrissen zu werden, mit ihnen heulen. Aber sie werden mich von nun an nicht mehr zum Heulen bringen; denn ich weiß nun schon, was ich tun werde!«

12] Als unser Pharisäer noch solche Ausrufungen machte, da kam auch der Schriftgelehrte und wollte zu erzählen anfangen, wie das Feuer doch eine bedeutende Menge der Schätze unversehrt gelassen hätte.

13] Aber der Pharisäer erhob sich gleich gegen ihn und sagte: »Ich bitte dich, schweige hier an der heiligen Stätte von dem fluchwürdigsten Unflate der Welt! Dieser Unflat hat die Menschen zu Teufeln gemacht und ihre Seelen in den Pfuhl des ewigen Todes gestürzt. Hier unter uns aber weilt der Herr des Lebens, dem alle Macht über alles im Himmel und auf Erden innewohnt, und ist gekommen, um uns vom alten Joche der Hölle und des ewigen Todes zu erlösen durch Seine Liebe, Gnade und übergroße Erbarmung, - und du suchst den Unflat der Hölle wohl zu verwahren, auf daß du dann noch blinder, verstockter und toter wirst in deiner Seele, als du ohnehin schon bist! Hier stehen die Pforten der Himmel weit geöffnet, und du und die anderen Gefährten bemühet euch, für euch die Hölle wohl zu erhalten. Oh, wie groß muß da eure Seelenblindheit und Herzensverstocktheit sein!

14] Frage dich selbst! Wer kann Der wohl sein, dem Winde, Stürme, Blitze, Feuer und alle andern Elemente und Kräfte der Natur gehorchen? Ich habe Ihn erkannt und bin nun schon überselig darob; warum erkennest denn du Den noch nicht, der dich mit dem leisesten Hauche Seines allmächtigen Willens vernichten oder in die Hölle verstoßen kann? Weil du an dem bösen Unflate der Welt mit Leib und Seele hängest und tot und blind im Herzen bist!«



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