Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 209. Kapitel: Essäeroberst Roklus enthüllt die Absichten der Pharisäer.

01] Diese Ansprache des Roklus taugte freilich wohl nicht im geringsten für das, was die beiden Templer hier so ganz eigentlich erreichen wollten; und so wußten sie nun nicht, wie sie da ihr Anliegen vorbringen sollten.

02] Nach einer Weile aber fiel es dem einen Pharisäer ein, den Obersten mit Drohungen anders zu stimmen und ihm gewisserart die Hölle so glühheiß als möglich zu machen, und so sagte darum der Pharisäer mit stark aufgeblähten Backen: »Höre du, dir auf deine Wahrheit und Ehrlichkeit überaus viel zugute haltender Oberster! Du hast in deinem Eifer vergessen - erstens, vor wem du stehst und redest, und zweitens hast du nicht nur gegen uns als Oberste im Tempel, sondern auch gegen den Tempel eine arge Lästerung offen ausgesprochen und hast dich dadurch im höchsten Grade sträflich gemacht! So wir dich nun verfolgen wollten, so würde es dir und deinem ganzen Anhange böse ergehen! Daher laß ohne Zeugen unter vier Augen mit dir reden, und tue dann das, was wir von dir verlangen, so wollen wir keinen weiteren Gebrauch von dem machen, was dich vor uns im höchsten Grade strafbar gemacht hat!«

03] Als Roklus diese Ansprache vernommen hatte, da ward er nahe ganz glühend, sah die beiden mit einem stechend forschenden Blicke an und sagte mit sehr lauter und kräftiger Stimme: »Hört, ihr durch und durch verschmitzten Pharisäer! So wahr ein Gott lebt, den ich wohl kenne und ihr ihn aber noch nicht erkannt habt, und so wahr nun ich dastehe, rede und lebe, so wahr werde ich das nicht tun, was ihr von mir unter vier Augen zur Deckung eurer Sünden verlangetet, das ich euch tun solle! Ihr sagtet, daß ich euch und den Tempel gelästert habe und mich sohin im höchsten Grade strafbar gemacht habe; in welchem Grade aber habt dann ihr euch strafbar gemacht vor Gott, vor dem Tempel und vor dem Volke durch eure Hurerei, Ehebrecherei und Knabenschändung im Tempel?!

04] Eure halb zu Tode genotzüchtigten Dirnen, Mägde und durch euch ihren Männern treulos gewordenen Weiber und geschändeten Knaben habt ihr unter dem Titel 'zur Heilung' hierher gebracht; aber euer Sinn und Wille ist ein ganz anderer! Euer Sündenübermaß hat für euch in Jerusalem sehr übelrüchig zu werden angefangen, und es hat euch eine große Furcht, nicht etwa vor Gott, an den ihr niemals geglaubt hat, sondern vor den Gesetzen Roms, angewandelt; und darum seid ihr mit denen, die sich nun schlecht versorgt in der Herberge am großen Platze befinden, hierher gekommen und wollt nun zur Deckung eurer übergroßen und vielen Sünden nicht, daß die von euch krank und unglücklich gemachten Menschen hier geheilt, sondern von uns ermordet und begraben oder doch zum mindesten in ein überfernes Land unter wilde Menschen und Tiere verbannt werden sollen, - und so sollen wir für euch noch den Schluß eurer Sünden machen, wofür ihr uns einen Teil eures hier geheim unterhaltenen Straßenraubanteiles überlassen wollt.

05] Ihr sagtet, daß ich euch und den Tempel gelästert und mich strafbar gemacht habe. Wie steht es denn mit euch nun? - Was ich aber, der ich die Fähigkeit von Gott überkommen habe, jeden Menschen durch und durch zu blicken und zu prüfen Herz und Nieren, hier gesagt habe, das kann ich euch mit tausend Zeugen vor Gott und allen ordentlichen weltlichen Gerichten beweisen. Und so ich das tue, wie wird es dann mit euch stehen? Ihr glaubtet mich durch euer oberpriesterliches Drohen zu einer Greueltat zu zwingen; aber es hat sich nun für euch das Blatt gewendet, und ihr steht nun in meiner Gewalt! Was werdet ihr nun tun?«

06] Sagten die beiden, ganz verblüfft über die Worte des Obersten: »Solltest du uns auch das erste beweisen können, so wird es dir aber doch schwer werden, zu beweisen, daß wir die Kranken in böser Absicht zu euch hierher gebracht haben! Solltest du etwa auf dem Wege der altägyptischen Chiromantik (Handzeichenkunde) und sicher nicht mit der Hilfe Gottes, dessen du dich sehr rühmest und nicht bedenkst, daß Gott mit Zauberern keine Gemeinschaft hat, auch in uns eine böse Absicht entdeckt haben, so wird das vor einem Gerichte keinen Wert haben; denn der pure Gedanke ist noch lange keine Tat und wäre auch dann noch keine, wenn wir dir das selbst laut anvertraut hätten, dessen du uns bezichtigt hast! Und du würdest in diesem Punkte gegen uns wohl nichts ausrichten; im ersten Punkte aber sind nahe alle Templer gleich, und es dürfte dir am Ende dann doch etwas schwer werden, wenn du auch als ein Grieche und Halbheide bei den Römern in einem großen Ansehen stehst; denn ein so großes und angesehenes Priesterkollegium, wie das unsere in Jerusalem ist, und das eine große Macht besitzt, ist nicht so leicht und wirksam anzugreifen. Daher stehe du ab von deinem Drohen, und wir wollen auch von unserem keinen Gebrauch machen und dich nicht dazu auffordern, unsere hierhergebrachten Kranken zu heilen; denn es gibt ja auch noch anderorts Heilanstalten!«

07] Nach diesen Worten machten die beiden Miene zum Fortgehen; aber Roklus sagte zu ihnen: »Hierher kommen ist wohl leicht, doch von da wieder zurück- und heimkommen ist um ein sehr Bedeutendes schwerer, und ihr werdet wahrlich nicht eher aus diesem Orte gelassen werden, als bis ihr das erfüllt haben werdet, was wir euch im Namen Jehovas diktieren werden. Ihr seid in unserer Gewalt, und es wird euch schwer werden, der zu widerstreben.

08] Die Kranken werden hier geheilt werden, und ihr werdet mit euren Schätzen für ihren Weiterunterhalt sorgen! Wo aber die Geheilten ihren guten und sicheren Aufenthalt nehmen werden, das wird meine Sorge sein.

09] Die von euch aus hier unterhaltenen Straßenräubereien werden völlig eingestellt, und alle die geraubten Schätze werden in diesen Ort gebracht und geschafft und den noch vielen Hierseienden zurückgestellt werden! Denn es steht geschrieben: 'Du sollst nicht stehlen und begehren deines Nächsten Gut!'

10] Seid ihr nicht die ärgsten Gotteslästerer, so ihr saget, daß ihr die ersten Gottesdiener seid, und daß Er nur euer Gebet erhört, und daß euch die Macht gegeben ist, den Seelen der Menschen die Tore des Himmelreiches zu öffnen? Für euch selbst aber habt ihr noch nie an einen Gott geglaubt und Ihm in euren Herzen die rechte Ehre gegeben; wohl aber habt noch jeden auf das wütendste verfolgt, der vom Geiste Gottes erweckt und erfüllt, notwendigerweise wider euch zu zeugen angefangen hat!

11] Ich selbst bin nach der kleinen Wüste am Jordan gezogen und habe angehört den Bußprediger Johannes und habe jedes seiner Worte nur zu wahr gefunden und mich denn auch daran gekehrt: ihr habt ihn wohl auch angehört, wurdet darauf voll Hasses, und er mußte eurer unersättlichen Rachgier zum schnödesten Opfer werden. Nun aber ist der große verheißene Messias voll der höchsten Weisheit und göttlichen Kraft und Macht gekommen, was Er durch Worte und Taten zeigt, und ihr suchet auch Ihn zu töten! Welches Geistes Kinder seid ihr alsogestaltig?!

12] Ihr prediget den Menschen wohl die Gesetze Mosis, ihr selbst aber beachtet auch nicht eines und begeht alle Sünden, die der Teufel, der euer wahrer Vater ist, euch nur immer in eure argen Herzen legt; ihr lüget allzeit vor Gott und allen Menschen; ihr betrüget, schwört falschen Eid; ihr stehlet, raubt, tötet und mordet, wie ich euch das vor Gott und jedem weltlichen Gerichte mit schon tausendmal tausend Zeugen sonnenklar beweisen kann, und ihr wagt den einen Gotteslästerer zu schelten und dann auch zu verfolgen, der, vom wahren Geiste Gottes erweckt, wider euch zeugt und euch selbst noch vom Abgrunde des ewigen Verderbens retten möchte?!

13] Sagt und urteilt selbst, ob die Sodomiten es je so arg getrieben haben wie ihr, - und dennoch hat Gott sie durch Feuer vom Himmel herab von der Erde vertilgen lassen! Was wird Er wohl jüngst mit euch tun?

14] Ihr werdet aus dem erkennen, daß wir Essäer euch schwarze Templer nur gar zu gut kennen und auch wohl wissen, wie gut und ehrlich ihr es mit uns meint und den armen Juden mit dem Bann beleget, der irgend erweislich bei uns eine Hilfe suchete und sie auch fände; ihr selbst aber kommt dennoch, so es euch schlecht geht, zu uns, und begehrt Hilfe! Sollte das dem armen Juden nicht auch also frommen, wie es euch selbst frommt? O ihr argen Heuchler und Gleisner, ihr Schlangenbrut und Natterngezüchte! So ihr euch nicht von Grund aus bessert, da werdet ihr desto mehr des Fluches und der ewigen Verdammnis über euch bekommen! Ihr wisst es nun, was ihr wenigstens hier zu tun habt!

15] So ihr meinem vor Gott und vor allen Menschen gerechten Verlangen nicht nachkommen werdet, da werde ich euch mit der von Gott mir verliehenen Macht auf eine Weise zu züchtigen anfangen, vor der sogar alle Teufel fliehen würden! - Habt ihr mich verstanden?«

16] Sagten die innerlich ganz ergrimmten Pharisäer: »O ja, Freund, das sicher, und wir werden wohl auch hier deinem Verlangen nach Möglichkeit nachkommen; was aber später der ganze Tempel für diese hier uns angetane Unbill tun wird, das wissen wir nicht. Denn wir werden im großen Rate schier alles vorbringen, was uns hier begegnet ist, wie auch - worüber uns erst jetzt ein Licht aufgegangen ist -, daß sowohl Johannes der Scharfprediger und nun ganz besonders der berühmte Nazaräer von eurer Anstalt herführen und der Nazaräer von euch ausgegangen ist.

17] Wir aber sind nun bereit, alles zu tun, was du von uns verlangt hast, und es wäre an der Zeit, uns sogleich ans Werk zu machen, da wir heute noch den Rückweg antreten möchten. Begeben wir uns denn in unsere Herberge, in der sich unsere Kranken befinden, und es kann dort in Kürze alles geschlichtet werden!«

18] Sagte der Oberste Roklus: »Ganz wohl; also ist es auch mein Wille, und so gehen wir dahin!«



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