Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 101. Kapitel: Von den indischen Religionssystemen.

01] Sagte darauf der Magier: »Ja, du holder und mir ganz unbegreiflich weiser junger Freund! Du zählst noch kaum sechzehn Jahre, wie kam es denn, daß du in solcher Jugend schon so weise geworden bist, wie weise mir noch nie ein Mann von ernsten Jahren untergekommen ist? Wo bist du wohl in die Schule gegangen, und wer war dein Meister?«

02] Sagte Raphael: »Das lehrt kein Meister in irgendeiner Schule der Welt, sondern das lehrt Gottes Geist jenen Menschen, der Ihn über alles liebt und seinen Nächsten wie sich selbst. Ihr sagt wohl auch, daß ihr aus Liebe euer Volk belüget und betrüget und ihm dadurch eine große Wohltat erweist, ohne die es nach eurer Meinung verzweifeln müßte; aber ich sage euch, daß ihr da in einer großen Irre seid. Es gibt unter eurem Volke schon gar viele von Gott erhellte Menschen, die im Herzen auf euch nicht um ein Haar mehr halten als ich. Aber sie haben eine große Furcht vor euren Straf- und Bußgerichten und tun darum äußerlich noch, als hielten sie große Stücke auf euch; aber in ihrem Innern verachten sie euch mehr als den Tod selbst und haben auch ihren Grund dazu. Würdet ihr aber gar bald anfangen, von euren vielen Dummheiten und leeren Grausamkeiten eine nach der andern auszulassen und an ihre Stelle das zu setzen, was ich euch gesagt habe, so würde euch das Volk mehr loben und achten denn jetzt.«

03] Sagte der Magier: »Ja, ja, du hast da ganz recht, wenn es bloß auf uns ankäme; denn wir Jünger der Zientu-Viesta (reinen Gesichte) und des Zan-skrit sind im Grunde gar so grausam nicht und haben viel Mitleid mit den Menschen. Aber die Jünger des ganz erbärmlichen Zou rou ah to (Warum wühlest du?), der die Gottheit in das Feuer versetzte, sind eigentlich in ihren Lehren, Sitten und Gebräuchen voll von allen möglichen Grausamkeiten gegen ihr Volk. Wir haben sie wohl bis an die Küsten des großen Meeres verdrängt; aber ganz aufreiben konnten wir sie nicht. Und weil sie unser Oberpriestertum doch auch teilweise beibehielten und sich uns unterstellten, so wurden sie von uns geduldet, aber nie als gerechtfertigt angesehen. Was sonach unsere hochindischen Völker anbelangt, so wären sie nach und nach schon zu etwas Besserem zu bringen, aber die Küstenbewohner und Bekenner der Wühler schwerlich, weil sie zu wahngläubig geworden sind.

04] Wir, die wir hier von dir die reine Wahrheit vernommen haben, werden schon alles aufbieten, um diese Wahrheit auch den anderen Menschen nach und nach zukommen zu lassen; aber freilich müssen wir die volle Wahrheit deiner uns gegebenen Lehre vorerst an uns selbst erproben. Bewährt sich das alles an uns, so wird es dann an unserem Eifer keinen Mangel haben; sollte sich aber wider unser Erwarten deine Lehre an uns nicht tatsächlich bewähren, so werden wir dich zwar immer in hohen Ehren halten und uns denken, daß wir der Verwirklichung dessen, was du uns gewisserart verheißen hast, noch lange nicht würdig sind; aber an dem bisher noch immer ruhigen Volksglauben werden wir nicht zu rütteln anfangen.

05] Haben wir aber irgendeine nur einigermaßen haltbare Spur des einen, wahren Gottes gefunden, so werden wir sehr eifrig bemüht sein, das auch auf eine geeignete Weise vorderhand wenigstens dem besseren und helleren Teile des Volkes mitzuteilen. Und so hätten wir nun diese Sache so gut als nur immer möglich in aller Kürze abgemacht, und du, junger, holdester Weiser, nimm für deine ernste Mühe unseren vollsten Dank an und laß uns das geheiligte Andenken an dich und an diese Stunde treuest in unseren Herzen bewahren! Es soll das unser steter Tröster auf allen unseren weiten und mühevollen Lebenswegen sein!

06] Du aber, der du das unaussprechliche Glück hast, schon in deiner so frühen Jugend den allein wahren Gott und die Unsterblichkeit erkannt zu haben, gedenke dann auch unserer geistigen Armut, wenn du vor deinem heiligen und ewigen Schöpfer stehen wirst! Bitte Ihn für uns, daß Er auch uns armen Indiern das wahre Licht des Lebens unserer Seelen möchte zukommen lassen und möchte auch uns Seinen heiligen Willen bekanntgeben!«



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