Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 37. Kapitel: Zulassung und Zweck von Armut und Reichtum.

01] (Der Herr:) »Daß die Güter dieser Erde sehr ungleich verteilt sind, und daß es Reiche und Arme gibt, das ist schon also der weise Wille Gottes, und Er läßt darum auch solch ein Verhältnis unter den Menschen bestehen, weil ohnedem auch die Menschen schwer oder auch gar nicht bestehen könnten.

02] Denn stelle dir einmal die Sache also vor, daß da ein jeder Mensch auf der ganzen Erde schon von Geburt an mit allem also versorgt wäre, daß er von keinem andern nur ein Geringstes mehr benötigen würde, so würde er nur zu bald den Tieren des Waldes und den Vögeln der Luft gleich leben. Diese bauen sich keine Häuser, bebauen keine Felder und Weinberge und haben nicht not, für ihre Bekleidung zu sorgen. Und hätten sie auch in ihren Höhlen und Nestern hinreichend Nahrung, so würden sie diese auch nie verlassen, sondern sie würden gleich den Polypen im Meeresgrunde ruhen und fressen, wenn sie einen Hunger verspürten. Aber weil die Tiere ihren Fraß erst suchen müssen, so sind sie voll Bewegung und ruhen erst dann, wenn sie ihren Hunger gestillt haben.

03] Und siehe, also hat es Gott besonders unter den Menschen gar sehr weise eingerichtet, daß Er die irdischen Güter unter sie sehr ungleich verteilt und sie auch mit sehr verschiedenen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet hat! Dadurch ist ein Mensch dem andern ein unerläßliches Bedürfnis. Der Reiche ist gewöhnlich für eine schwerere und doch höchst notwendige Arbeit nicht sehr dahin eingenommen, daß er selbst seine Hände daran legte; aber er hat eine Freude daran, daß er alles nach seinem Wissen und nach seinen gemachten Erfahrungen anordnet und seinen Knechten und Mägden anzeigt, was sie zu tun und zu arbeiten haben. Diese legen dann ihre Hände ans Werk und arbeiten nun und dienen willig dem Reichen um den bedungenen Lohn. Und damit sie sich etwa aus Liebe zum Selbstreichsein und zum Wohlleben nicht am reichen Dienstgeber vergreifen können, so schützen diesen die weltlichen wie auch die göttlichen Gesetze, freilich nur bis zu einem gewissen Maße, über das auch für die Reichen gar scharfe und weise Gesetze gegeben sind.

04] Also braucht der reiche Besitzer auch allerlei Professionisten. Er muß zum Schmied kommen, zum Zimmermann, zum Maurer, zum Schreiner, zum Töpfer, zum Weber, zum Schneider und zu noch gar vielen anderen, und so lebt einer von dem andern, weil einer dem andern dient. Und nur auf diese Art kann das Menschengeschlecht auf der Erde erhalten werden und könnte sehr gut bestehen, wenn sich so manche nicht auf eine gar zu übermäßige Habsucht und Herrschgier geworfen hätten. Doch diese werden von Gott stets scharf heimgesucht und schon auf dieser Welt gezüchtigt, und ihr ungerecht zusammengeraffter Reichtum geht höchstens bis auf die dritte Nachkommenschaft über.

05] Du siehst daraus, daß es in der Welt Arme und Reiche geben muß, und so kannst du auch schon einsehen, daß Moses das letzte Gesetz nicht lückenhaft, sondern so vollständig wie nur immer denkbar den Juden und durch sie allen Menschen gegeben hat, und daß eben in diesem Gesetze erst die wahre, innere Vollendung der reinen Nächstenliebe und des Geistes der Barmherzigkeit im Menschenherzen zugrunde liegt.

06] Wenn aber das unleugbar der Fall ist, so ist darin auch die Bedingung enthalten, daß ein jeder zur wahren Reinigung seiner Seele eben dieses letzte Gesetz sehr beherzigen und auch gar sehr und vollkommen beachten soll. Denn solange ein Mensch nicht völlig Herr seiner Gedanken wird, so lange wird er auch nicht Herr seiner Leidenschaften und der daraus hervorgehenden Tätlichkeiten. Wer aber da nicht Herr und Meister in sich und über sich ist, der ist noch ferne vom Reiche Gottes und ist und bleibt ein Knecht der Sünde, die aus seinen unordentlichen Gedanken und daraus hervorgehenden Begierden geboren wird und den ganzen Menschen verunreinigt. - Hast du das nun wohl verstanden? Nun ist wieder an dir die Reihe, zu reden.«



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