Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


17. Kapitel: Die Urstoffe der Schöpfung.

01] Als aber nun alle Gäste sich verlaufen hatten, da fragte unser Freund Lazarus den Raphael, sagend: »Höre, du Gottes Heils vollster Menschengeist, du sagtest ehedem, daß es in der Luft eine unzählbare Menge von allerlei Urstoffen und Substanzen als freischwebend und ungebunden gibt, die durch die Weisheit und durch den Willen eines vollkommenen Geistes als solche erkannt und zu einem festeren Körper zusammengezogen und verbunden werden können! Durch die mir gegebenen Beispiele wurde mir diese Sache notwendig sehr einleuchtend; aber daneben fiel mir eine noch ganz andere äußerst wichtige Frage auf, und diese besteht darin: Sieh, die Urstoffe und Substanzen mögen immerhin also in der Luft dieser Erde vorhanden sein, wie du mir das wahrlich sehr einleuchtend gezeigt hast; aber wie erzeugen sie sich denn ursprünglich? Wie kommen sie denn in so zahlloser Mannigfaltigkeit in die Luft unserer Erde, wahrscheinlich auch in noch größerer Mannigfachheit in die Luft der zahllos vielen anderen Erden und Welten, die mich und die vielen anderen Jünger der Herr Selbst gnädigst hat kennen gelehrt? Erkläre mir denn auch das noch!«

02] Sagte Raphael: »Ei, ei, daß dir das noch nicht von selbst einleuchten mag! Gibt es denn außer Gott etwas, das etwa nicht aus Ihm hervorgegangen wäre? Ist nicht alles, was von Ewigkeit her den unendlichen Raum erfüllt, Sein Gedanke, Seine Idee, Seine Weisheit, Sein Wille?

03] Siehe, Seine Gedanken in der nie versiegbaren endlosesten Fülle von einer Ewigkeit zur andern sind die eigentlichen Ursubstanzen und die Urstoffe, aus denen alles, was da auf Erden und in den Himmeln gemacht ist, durch die ungeteilte ewige Macht des göttlichen Willens besteht. Kein Gedanke und keine Idee aber kann selbst in Gott ohne Seinen Willen entstehen und fortbestehen. Dadurch aber, daß ein jeder Gedanke und eine jede Idee als aus der höchsten Intelligenz Gottes durch Seinen Willen hervorgehend eben auch in sich selbst als eine sonderheitliche Intelligenz den entsprechenden Teil des Gotteswillens in sich birgt, kann denn auch jeder solche den Gotteswillen in sich tragende Einzelgedanke Gottes oder eine ebenso beschaffene größere Idee des Herrn nimmerdar ebensowenig je ein Ende nehmen wie Gott Selbst, weil Er einen einmal gedachten Gedanken und eine noch tiefer gefaßte Idee nimmerdar vergessen kann in Seiner allerlichthellsten Selbstbewußtseinssphäre. Weil aber das bei Gott die purste Unmöglichkeit ist, einen einmal gehabten Gedanken oder eine einmal gefaßte Idee zu vergessen, so ist auch jeder noch so kleine Gedanke und eine noch so geringfügig scheinende Idee Gottes für ewig in ihrer urgeistigen Beschaffenheit unzerstörbar.

04] Da aber ferner - wie schon früher angedeutet - ein jeder Gedanke und eine jede Idee Gottes auch teilweise als ein göttlicher Intelligenzfunke notwendigerweise auch den göttlichen Willen in sich trägt und tragen muß, weil er ohne den nie gedacht worden wäre, so kann denn auch jeder solche Einzelgedanke und jede solche Einzelidee Gottes entweder für sich oder durch mehrere weise miteinander verbundene Gedanken - was dann eine Idee ist - als ein für sich Bestehendes sich selbst in seiner Art und Sphäre ausbilden, sich vervollkommnen in und für sich als das, was er ist, sich ins Unendliche vermehren und durch weise Verbindung mit anderen Urstoffen und Substanzen auch edler und vollkommener werden.

05] So ist eine werdende Sonne zuerst ein purer, lichtschimmriger Lichtäther oder ein Sich-Ergreifen von zahllos vielen Gedanken und Ideen Gottes infolge des in ihnen eigens zugrunde liegenden und entsprechenden Willensanteiles aus Gott. Diese ziehen dann eben durch den in ihnen zugrunde liegenden Gotteswillen das ihnen Gleiche aus dem endlosen Äther fort und fort an sich, und so wird der früher lichtschimmrige Äther schon dichter und bekommt nach und nach die Dichtigkeit dieser Erdluft. Diese verdichtet sich nach und nach auch mehr und mehr, und es wird Wasser zum Vorscheine kommen; aber auch dieses verdichtet sich nach und nach, und es wird daraus Schlamm, Lehm, Steine und somit ein schon festeres Erdreich.

06] Die nun also fester und fester aneinandergebundenen, ursprünglich geistigen Ursubstanzen und Urstoffe fangen an, sich in solch einem unfreien Zustande stets mehr und mehr unbehaglich zu fühlen, werden sehr tätig, um sich freier zu machen, und es fängt in einem solchen Weltkörper, besonders in seinen festen und schweren Partien, sehr feurig zu werden an. Durch diesen Feuereifer der gedrückten, ursprünglich freien Ursubstanzen und Urstoffe werden die festeren Teile eines solchen neuen Weltkörpers zerrissen, ja es wird da das Innerste oft zum Äußern und umgekehrt das Äußere zum Innersten, und erst nach gar vielen solchen Kämpfen wird ein solcher neuer Weltkörper in eine ruhigere Ordnung gesetzt, und die in ihm gefangenen Urgedanken und Urideen Gottes finden dann einen andern Weg, sich von dem großen Drucke frei und los zu machen.

07] Und sieh, da entstehen bald allerlei Pflanzen und Tiere, und das so fort bis zum Menschen hin, in welchem gar sehr viele solcher Urgedanken und Urideen Gottes dann erst ihre volle Erlösung von ihrem alten Gerichte finden. Diese erkennen dann erst Gott als den Urgrund alles Seins und alles Lebens und kehren sodann als selbständige, freieste Wesen - das heißt, so sie nach Seinem erkannten Willen gelebt haben - zu Ihm zurück.

08] Aber es ist in dieser rein, frei und selbständig geistigen Umkehr auf den zahllos vielen und höchst verschiedenartigen Weltkörpern auch ein ebenso großer Unterschied wie in und zwischen den Weltkörpern selbst. Die allervollkommenste Rückkehr von einem Weltkörper zu Gott aber ist und bleibt nur von dieser Erde (möglich) weil hier ein jeder Mensch in seiner Seele und in seinem Geiste Gott vollkommen ähnlich werden kann, wenn er nur will; denn wer hier nach Gott strebt, der wird auch zu Gott kommen. - Verstehest du solche Dinge?«

09] Sagte Lazarus: »Das verstehe ich nun wohl, da ich in Hinsicht auf den gesamten Weltenbau schon vom Herrn aus die allerbedeutendsten Vorkenntnisse innehabe; aber es bleibt mir doch noch so manches unverständlich und somit zu fragen übrig.«

10] Sagte Raphael: »Oh, mein lieber Freund, das ist auch bei mir selbst der Fall! Denn es liegt in Gott noch gar endlos vieles verborgen, von dem wir nach Gott höchsten und reinsten Geister selbst nichts wissen; denn Gott hat für die guten und reinen Geister ewigfort einen derartig großen Vorrat, daß Er sie auch ewigfort mit nie geahnten neuen Schöpfungen aus Seiner Liebe und Weisheit auf das unaussprechlichste überraschen und dadurch ihre Seligkeit stets mehren und erhöhen kann. Und sieh, so könnte es wohl geschehen, daß du mich bald dieses und jenes fragen würdest, worüber ich dir dann keinen Aufschluß geben könnte!«

11] Sagte Lazarus: »O ja, das glaube ich dir recht gerne; doch worüber dich mein noch sehr beschränkter Menschenverstand zu fragen vermag, darüber kannst du mir auch schon ganz sicher einen Aufschluß geben!

12] Sieh, so las ich einst ein altes Buch mit dem Titel "Kriege Jehovas", und darin ist, freilich in einer höchst mystischen Sprache, die Rede vom Falle der urgeschaffenen Engel!

13] Anfangs habe Gott - natürlich endlos lange vor aller Weltenerschaffung - sieben große Geister entsprechend den sieben Geistern in Gott erschaffen. Er gab ihnen eine große Macht und eine ebenso große Weisheit, daß dadurch auch sie vermochten, Gott gleich, kleinere ihnen völlig ähnliche Geister in höchster Anzahl zu erschaffen, und es ward also der ewige Raum mit zahllosen Geisterheeren angefüllt.

14] Der größte und mächtigste dieser sieben urgeschaffenen Geister war offenbar nach der alten Schrift Luzifer. Er aber überhob sich in seiner Macht und Größe, wollte nicht nur Gott gleich, sondern sogar über Gott sein und herrschen. Da ward Gott zornig, ergriff den Verräter und stieß ihn für ewig von Sich ins Gericht. Die sechs großen Geister aber blieben mit ihren zahllos vielen Untergeistern bei Gott und dienen Ihm allein von Ewigkeit zu Ewigkeit, wogegen die Untergeister Luzifers als arge Teufel mit ihm für ewig als von Gott verworfene Wesen mit Luzifer im ewigen Feuer des Zornes Gottes brennen und stets die größten Qualen zu leiden haben ohne irgendeine Linderung. - Nun, was sagst du als sicher auch ein solcher erster Engel Gottes dazu?«



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