Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 181


Ankunft fremder Römer in der Herberge.

01] Es dauerte natürlich nicht lange, so waren die Fremden auch schon da. Der Wirt und auch Lazarus gingen ihnen höflich entgegen und hießen sie willkommen. Die Fremden traten darauf ein, grüßten uns nach ihrer Sitte, und wir erwiderten den Gruß. Sie setzten sich an einen Tisch und verlangten gleich zu essen und zu trinken; denn sie seien schon sehr hungrig und durstig, da in der Stadt nirgends mehr etwas Annehmbares zu bekommen wäre.

02] Und der Wirt sagte: ”Brot und Wein könnt ihr sogleich haben; auf ein ordentliches Abendmahl aber werdet ihr schon ein wenig länger warten müssen!“

03] Sie waren damit ganz zufriedengestellt, bekamen sogleich Brot und Wein in schwerer Menge und aßen und tranken ganz wohlgemut, lobten den Wein und waren voll guter und heiterer Dinge. Auch die freie Maid war ganz heiter und erzählte ihnen allerlei lustige Dinge. Wir aber verhielten uns ruhig, und die Jünger, die der griechischen und auch der römischen Zunge mächtig waren, hörten am emsigsten zu, was diese Fremden alles vorbrachten.

04] Es war aber unter ihnen ein sehr angesehener Mann. Er war ein Römer und war nun das erste Mal in Jerusalem. Der sagte zu den andern: ”hört, wir haben nun des Scherzhaften in schwerer Menge vorgebracht, und so können wir denn nun auch einmal von etwas Ernsterem einige Worte fallen lassen, damit die ehrenwerte Gesellschaft, die wir hier schon angetroffen haben, sich nicht heimlich denke, daß wir nichts als pure Possenreißer seien. Und so will ich sogleich den Anfang machen und sagen:

05] Wir kommen alle von Rom hierher in die große Judenstadt, welche von den Juden eine heilige genannt wird. Wir kamen durch die Dienstbereitschaft unserer schönen Jüdin in diese Bergherberge, die nach der Äußerung unserer Führerin zwar von der jüdischen Priesterschaft sehr verrufen ist, sich aber dessenungeachtet doch stets als die beste und billigste von ganz Jerusalem schon seit langem bewährt hat. Was unsere liebe Führerin uns also von dieser Herberge als gut anpries, das bestätigt sich nun ganz vollkommen; denn wir sind nun selbst da, und das Brot, der überaus gute Wein und die ganz besondere Freundlichkeit unseres Wirtes geben uns das beste Zeugnis. Daher müssen wir uns gegen unsere schöne Führerin auch ganz besonders dankbar erweisen, was nach unserer alten Römersitte auch sicher der Fall sein soll.

06] Aber wir sind nun schon ein paar Tage hier in dieser Stadt und haben uns von gestern auf heute mit der schlechtesten Herberge behelfen müssen, und die guten Götter haben uns heute eine bessere beschieden. Daß wir gestern vor lauter Herbergesuchen dem nicht nachgehen konnten, weshalb wir so ganz eigentlich von Rom hierhergereist sind, das ist wohl ganz leicht begreiflich; aber nun haben wir einmal eine rechte Herberge, und so wäre es denn nun nach meinem Dafürhalten auch wohl schon Zeit, an das zu denken anzufangen, dessentwegen wir die große und gefahrvolle Reise unternommen haben. Denn die Reise von Rom hierher ist wahrlich keine Kleinigkeit! Unsere liebe Führerin, die uns den Weg in diese gute Herberge gewiesen hat, wird morgen vielleicht auch in dieser Beziehung Auskunft geben können, - vielleicht auch unser Wirt; aber den müssen wir denn zuvor doch noch etwas näher kennenlernen, weil das bei den Juden so ein wenig eine kitzlige Sache sein soll, und diese haben es - unter uns gesagt - stets faustdick hinter den Ohren.

07] Daß aber unsere schöne Führerin eine ganz ehrliche und biedere Persönlichkeit ist, davon haben wir schon einige treue Überzeugungen; und so werden wir uns so ganz geheim an sie wenden, und sie wird uns da wohl gütigst eine gute Auskunft zu geben imstande sein, damit wir wissen mögen, ob wir unsere Reise hierher umsonst oder nicht umsonst gemacht haben. Denn ist etwas Wahres an der Sache, so bleiben wir so lange da, bis wir völlig dahintergekommen sind, was an der Sache ist; ist aber an der Sache nichts, so gehen wir in ein paar Tagen schon wieder nach Hause.

08] Ein Gewitter sieht in der Ferne wohl auch allzeit gefährlicher und drohender aus als bald darauf, wenn es in der Nähe ist, und so wird es wahrscheinlich auch mit dieser unserer Sache sein. Allerdings ist es sehr sonderbar, daß wir hier im Judenlande beinahe noch von niemandem etwas davon haben reden hören. Aber dessenungeachtet können wir uns darüber etwas intensiver erkundigen; und so möchte ich dich, unsere holdeste Führerin, denn fragen, ob du von einem jüdischen, ganz neu aufgestandenen Propheten noch nichts vernommen hast, der gar unerhört wunderbare Dinge zustande bringen soll.

09] Sage es uns aufrichtig und wahr, ob und was du von dem Propheten gehört hast, und was da eigentlich an der Sache ist! Hast du ihn schon einmal selbst gesehen und gesprochen oder andere glaubwürdige Menschen von ihm reden hören? Und so sie von ihm geredet haben, so wirst du auch vielleicht vernommen haben, was sie von ihm geredet haben? Sage uns alles, was du von dieser Sache weißt, und wir werden dir - wie schon gesagt - gar sehr erkenntlich sein!“



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