Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 73


Jesus erweckt die ertrunkene Tochter eines Wirtes.

01] Als wir allda gerade mit dem Untergange der Sonne ankamen, da bemerkte der Wirt, daß das Meer nun in einer allerstärksten Aufregung sich befinde und er in einer Entfernung von etwa hundert Feldwegen ein Schiff sehe, das bei diesem gar sehr fürchterlichen Wellengange offenbar zugrunde gehen werde. Ob man denn solch einem bedrängten Schiffe nicht eine Hilfe bringen solle?

02] Sagte Ich: ”Einem andern, ja, - aber diesem nicht! Der vormittägige Wind hat es so weit vorgeschoben; aber ein anderer Wind wird es schon wieder zurücktreiben. Das ist eben das Schiff mit denjenigen Argen aus Jerusalem, die Mich fangen und töten sollen. Aber nun sind sie in Meiner Gefangenschaft und werden noch ein paar Tage und ein paar Nächte darin zu verweilen haben, - dann soll sie ein Wind an die Küste hinter Tiberias treiben und sie erlösen von ihrer Qual. Darauf werden sie ganz nüchtern sich nach Hause begeben und Mir sobald nicht mehr nachstellen und nach Meinem Leben fahnden. Sieh, der Wind ist schon bei ihnen und treibt das Schiff von diesen Gestaden hinweg! Aber lassen wir nun das; im Hause wartet ganz etwas anderes auf uns! Begeben wir uns daher nur in unsere Herberge!“

03] Der Wirt und alle waren voll Neugier, was es denn darin Neues für uns gäbe, und wir begaben uns darum ganz hurtig ins Haus. Und siehe, eine älteste Tochter des Wirtes lag so gut wie völlig tot auf einem Bette und triefte von Wasser. Sie war allein an den großen Fischbehälter gegangen, um etliche der großen Edelfische für unser Abendmahl zu holen; aber sie konnte die großen und starken Tiere nicht überwältigen und wurde von einem Fische durch einen starken Schneller ins tiefe Wasser geworfen. Es kamen auf ihren Schrei freilich wohl gleich Retter herbei; aber sie konnten sie beim besten Willen nicht schneller, als es möglich war, aus dem Wasser bekommen, und die Folge davon war, daß sie ohne alle Lebenszeichen aus dem Wasser gehoben ward. Daß das eine große Bestürzung im ganzen Hause hervorrief und man sogleich in die Stadt um einen Arzt sandte, der auch sogleich ankam und alles anwandte, um die Ertrunkene wieder ins Leben zu rufen, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber trotz alles Weinens der Mutter und der anderen Geschwister und trotz aller Mühe des Arztes gab die Ertrunkene dennoch kein Lebenszeichen mehr von sich.

04] Da ward auch unserem Wirte bange, und er wandte sich bittend an Mich und sagte (der Wirt): ”Herr, ich weiß nun, daß Dir alle Dinge möglich sind!“

05] Hier unterbrach Ich ihn und sagte: ”Sei nun stille von allem; Ich will hier kein Aufsehen erregen! Der Arzt, der auch ein Pharisäer ist, wird bald sehen und sagen: "Meine Mühe ist bei dieser Ertrunkenen nun eine völlig vergebliche; denn sie ist unrettbar tot." Dann bezahle du ihm schnell seine Mühe, worauf er dann auch schnell von dannen eilen wird; Ich werde dir dann schon das Meinige unter vier Augen tun. Aber so Ich Meine Hände an die Ertrunkene legen werde, da darf außer uns niemand im Zimmer sein, - auch dein Weib und deine andern Kinder nicht.“

06] Bald darauf erklärte der Arzt, daß die Tochter leider völlig tot sei. Aber sie sollten sie dennoch in erwärmte Tücher legen; vielleicht erwache sie doch noch in einigen Stunden. Das sagte er aber nur, um den Eltern einige Fünklein Trostes zu hinterlassen. Der Wirt bezahlte den Arzt, und der entfernte sich auch sogleich mit froher Miene und versprach, daß er alsbald die Klageweiber selbst bestellen werde. Der Wirt aber sagte, daß er damit nur noch bis morgen warten solle; so es notwendig werden solle, so werde er selbst am Morgen schon zu ihm kommen. Darauf ging der Arzt seiner Wege weiter.

07] Und als das Zimmer von allen überflüssigen Menschen geleert war, da trat Ich zu der Ertrunkenen hin, legte ihr Meine Hand auf und sagte: ”Tochter, stehe auf von deinem Schlafe!“

08] Und in demselben Augenblick richtete sich die Tochter im Bette auf und fragte sogleich, was denn mit ihr nun vorgegangen sei. Sie wisse wohl, daß sie ins Wasser gefallen sei, aber wie sie da in dies Bett gekommen sei, das wisse sie durchaus nicht.

09] Ich aber sagte zu ihr: ”Siehe, du warst dem Leibe nach völlig tot; aber Ich, der Ich das Leben aus Mir Selbst bin, habe dir nun das Leben wiedergeben. Aber in der Folge sei klug und verrichte nur solche Arbeiten, für die du die hinreichenden Kräfte besitzest, ansonst dir wieder etwas Ähnliches widerfahren könnte. Der Fleiß eines Menschen ist stets löblich zu nennen; wenn er aber seine Kräfte übersteigt, so ist er nicht mehr löblich, sondern sehr töricht. Merke dir das, und sage es auch deiner Mutter und deinen sonst sehr braven Geschwistern! Nun aber stehe auf und zeige dich deiner Mutter und deinen um dich noch sehr gewaltig trauernden Geschwistern, und sorget nun für unser Abendmahl!“

10] Hierauf erhob sich die Tochter schnell vom Bette, dankte Mir für solche große Gnade und begab sich dann sogleich hinaus zu der Mutter und zu den Geschwistern, die sich alle darauf vor lauter Freude nicht zu helfen wußten.

11] Die Tochter aber bekannte laut und sagte: ”Der große Meister aus Nazareth hat mir das getan; aber er sagte auch, daß wir ihm darum nun sofort ein gutes Abendmahl bereiten sollten, - und so tun wir denn das auch vor allem!“

12] Da griff alles zu, und wir hatten bald ein reichliches Mahl vor uns. Der Wirt konnte vor lauter Dankbarkeit beinahe zu keinem Worte kommen.

13] Die neuen Jünger konnten auch nicht genug erstaunen über dieses Zeichen und sagten: ”Das würde sicher den ganzen Tempel bekehren!“

14] Ich aber sagte: ”Ein noch größeres Zeichen ähnlicher Art wird eben die Templer über Mich derart erbittern, daß sie dann alles aufbieten werden, um Mich zu töten. Mehr brauche Ich euch wahrlich nicht zu sagen! - Doch davon nun nichts Weiteres mehr, sondern seien wir nun alle wieder frohen Mutes und essen und trinken, was da vor uns ist!“

15] Darauf aßen und tranken die Jünger und hatten ihr Wesen mit allerlei Erzählungen aus dem Bereiche ihrer Erlebnisse und Erfahrungen.



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