Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 48


In der Herberge des Wirtes von Kapernaum.

01] Wir aber, als wir aus der Schule in unserer Herberge ankamen, fanden schon einen bestbestellten Tisch mit Wein, Brot und Fischen, und der Wirt hatte eine große Freude, Mich und Meine nun bedeutend wenigeren Jünger bei sich zu Gästen zu haben.

02] Erst als wir alle schon vollauf gegessen und getrunken hatten, fragte uns der Wirt, sagend: ”Herr, diesmal scheint Deine geheimnisvolle Lehre den vielen einheimischen und fremden Zuhörern in der großen, offenen Schule nicht recht gemundet zu haben; denn sie gingen alle ärgerlich hinaus und davon. Einige schimpften mehr, die andern weniger, und die Fremden und auch viele, die gestern noch als Jünger bei Dir waren, sagten, Du habest allda nur geflissentlich also geredet, um sie auf eine feine Art loszuwerden, was von Dir nicht schön gewesen sei, da sie sich schon selbst mit ihren Geldmitteln verköstigt hätten.

03] Bei mir waren mehrere, die sich darob sehr aufhielten und auch sagten, daß sie auf Dich die größte Hoffnung gesetzt hätten, sie seien aber nun auf eine sehr unangenehme Art enttäuscht worden, und sie sagten auch, daß Du auf diese Art trotz Deiner höchst wunderbaren Zeichen bei den Menschen mit solcher Deiner Lehre sehr wenig Eingang finden würdest. Ich ließ sie reden und sagte gar nichts dazu. Sie bezahlten dann ihre Zeche, bestiegen ihre Schiffe und fuhren ab.

04] Mir aber war das ganz angenehm zu vernehmen, daß diese großsprechenden Weisen durch Dich, o Herr, einmal mit ihrem Verstande so ganz zu kurz gekommen sind. Denn schon gestern in der Nacht, als Du nach dem eingenommenen Mahle Dich zur Ruhe begeben hattest, wurde über Deine Brotvermehrung und wegen Deiner etwa wunderbaren Hierherkunft übers Meer viel pro und contra gewortwechselt. Der eine machte sich mit seiner Weisheit so und der andere so breit. Aber ich dachte mir: 'Na wartet nur, ihr weisen Juden! Der Herr wird zur rechten Zeit eurer Weisheit sicher eine Schranke setzen, über die euer gar so heller Verstand sicher nicht springen wird!' Und heute ist mein geheimer Wunsch schon in die vollste Erfüllung gegangen!

05] Ich war wohl auch selbst in der Schule und habe den Hauptteil Deiner Rede gar wohl vernommen; aber ich fand gar nichts darin, was mich nur im geringsten hätte befremden können. Denn daß Du, obwohl jetzt in voller Menschenform, der Herr bist über Himmel und Erde und über alle Geister- und Sinnenwelt, das war mir schon längst klar. Wer außer Dir kann für alle Menschen und Tiere das Nährbrot schaffen, und wer außer Dir gibt den Geistern wie nun auch unseren Seelen das ewige Leben, ihre Liebe und ihre Weisheit, was ich für das wahre und lebendige Brot, aus den Himmeln o kommend, ansehe?! Ich habe das noch einigen Besseren in der Weise klarer machen wollen; aber ihr dummer und sehr aufgeblähter Verstand begriff es dennoch nicht.

06] Desgleichen tat ich auch, als Du gar handgreiflich von Deinem Fleische und Blute zu reden begannst, weil sie mich fragten, wie ich denn das verstünde. Nun sagte ich: 'Das ist ja noch klarer als das Frühere und erklärt und bestätigt meine frühere Ansicht! Irdisch genommen, ist die Erde nicht gewisserart ein wahrer Gottesleib und all das befruchtende Gewässer sein Blut?! Wo kommt denn alles irdische Nährbrot sonst etwa noch her? Und ist in geistiger Beziehung Gottes Liebe zu uns unwürdigen Menschen etwa nicht ein wahrster Erdboden für uns, der uns leiblich und geistig trägt, duldet und nährt, und ist die Gabe der Vernunft und des Verstandes und nun Seine Lehre dazu nicht etwa das wahrste und lebendigste Blut Gottes, das unsere nach Weisheit dürstenden Seelen erquicket, stärkt und wahrhaft lebendig macht?!'

07] Da sagten etliche: 'Ja, das ist alles recht schön gesagt; aber warum schickt denn er selbst keine solche Erklärung seiner Rede nach?'

08] Da sagte ich: 'Er wird schon Seinen guten Grund haben! Wahrscheinlich wird Er also denken: ,Wer an Mich wahrhaft glaubt, der wird Mich auch verstehen; wer aber bei den vielen Zeichen und bei der Weisheit Meiner Lehren noch nicht glaubt, daß Ich der Herr Jehova Zebaoth bin, der soll wieder in seine Welt zurückgehen und soll gleich den dummen Schweinen im Kote der Erde herumwühlen!''

09] Da wurden sie toll und gingen - Herr, habe ich dadurch doch etwa nicht unrecht gehandelt?“

10] Sagte Ich: ”Oh, mitnichten! Denn fürs erste hast du Meine Worte ganz vom Grunde aus gut verstanden und hast sie den Blinden auch ganz gut erklärt, und fürs zweite war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke! Denn es sind derartige Menschen wahrlich mit den Schweinen zu vergleichen, die, je heller und wärmer die wahre Sonne der Himmel zu scheinen beginnt, desto gieriger und eifriger zu den schmutzigsten Schlammpfützen der Welt rennen und sich ganz vollglücklich fühlen, so sie in ihrem alten Kote herumwühlen können. Sagte Ich ihnen am Ende doch klar heraus, daß das Fleisch und das Blut, das sie meinen, nichts nütze sei, und daß Meine Worte Geist und Leben sind! Aber die Ochsen und Schweine faßten es dennoch nicht, und deshalb war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke, und Ich bleibe darum nun mehrere Tage bei dir.

11] Aber nun bringe noch Wein; denn wir wollen heute und die anderen Tage recht heiter sein! Ich habe nun eine rechte Freude an dir; denn du hast Mich besser verstanden als irgendeiner Meiner Jünger. Gen Abend hin wollen wir fischen gehen, damit dir ein Vorrat werde für dich und für uns. In der Stadt aber Macht Mich nicht ruchbar; denn da hätten wir wenig Ruhe, - Und nun bringe uns Wein und Brot!“



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