Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 18


Rechtsstreit des Cyrenius und Roklus.

01] Hierauf wendet sich Roklus wieder an den Cyrenius und sagt: ”Herr, Herr, Herr, wo ist der Markus, nun unser Herr und Gebieter, auf daß wir ihm darbrächten unsere Huldigung?“

02] Sagt Cyrenius: ”Dessen hat es keine Not; denn mit einer Huldigung voll leerer Worte ist ihm nicht gedient, und anderer Schätze benötigt er nicht, da er mit derlei mehr denn zur Übergenüge ausgerüstet ist.

03] Die beste Huldigung aber wird ihm sein, daß ihr allzeit redlichen und offenen Herzens zu ihm kommt und ihm euer Anliegen vortragt; da wird er euch auch anhören und euch ein volles Recht verschaffen! Jede Lüge aber, die sein Scharfsinn augenblicklich entdeckt, wird er auf das strengste und unnachsichtlichste ahnden! Denn es ist des Kaisers und auch mein vollernstlicher Wille, die Lüge und den Betrug aus dem ganzen Reiche zu verbannen und nur allein die reine Wahrheit, gepaart mit der ebenso reinen und uneigennützigen Liebe, herrschen zu lassen über alle Menschen, die weit und breit Rom angehören; denn nur unter dem Zepter der Wahrheit und der Liebe können Völker wahrhaft glücklich leben. Und wer weiß es, ob es mir nicht gefallen wird, des nordischen Königs überaus weise Regierungsmaximen auch im römischen Reiche einzuführen; denn ich habe sie zu wahrem, brüderlichem Gedeihen der Menschen eines großen Reiches für überaus weise und zweckmäßig gefunden.

04] Durch solche weisen Beschränkungen muß Wahrheit und Liebe in einem Staate den Menschen zur zweiten, wahren und bessern Natur werden! Denn nach meiner nunmaligen Ansicht gibt nichts so sehr der Lüge, dem Betruge und der Selbstsucht Vorschub als der unbeschränkte Erwerb. Eine weise Beschränkung dieses wahren Vaters der Lüge, des Betrugs, der Selbstsucht, des Hochmuts, der Herrschgier und der geizigsten Hartherzigkeit ist wahrlich mit keinem Golde zu bezahlen, und ich werde diese Ansicht jüngst dem Kaiser zur Prüfung einsenden. Unterdessen aber werde ich wenigstens in meinem unumschränkten Regierungsgebiete diese nordische Regierungsweise sobald als tunlich einführen; denn wahrlich, sie ist wie von einem Gott gegeben weise!“

05] Sagt Roklus: ”Unweise ist sie gerade nicht, wo sie schon, wenn auch nur annäherungsweise, seit mehreren Hunderten von Jahren besteht; aber sie nun hier einführen wollen in diesen an allerlei Fürsten und Vierfürsten verpachteten Ländern, das wird sich so leicht nicht tun. Mit der absoluten Macht kann man zwar sehr viel ausrichten, aber alles dennoch lange nicht, weil ein Kaiser denn doch auch die Verträge, die er mit auch nicht ganz machtlosen Fürsten geschlossen hat, nicht von heute bis morgen umstoßen kann, sondern sie als ein von ihm ausgehendes und festgestelltes Recht respektieren muß so lange, bis ihre stipulierte (vereinbarte) Zeit abgelaufen ist oder die Kontrahenten die bedungenen Verbindlichkeiten entweder böswillig oder als leistungsunfähig nicht eingehalten haben, was nach der Art des gemachten und geschlossenen Vertrages denselben entweder ganz oder wenigstens zum Teil aufhebt! Solange sonach aber der Kaiser die Länder an gewisse Fürsten verpachtet und diese in ihren Landen auch für ihre Untertanen Gesetze zu geben das Recht haben, weil sie es teuer genug bezahlen, so lange muß der Kaiser das festgesetzte Recht auch respektieren. Wir alle leben wohl in einer gewissen Hinsicht unter römischen Gesetzen, so wir uns eines Verbrechens gegen den Staat schuldig machen, was bei uns wahrlich nicht der Fall ist; in allem übrigen aber sind wir unter den Gesetzen eines jeweiligen Pachtfürsten stehend, der uns in der bedungenen Pachtzeit gegen willkürliche Eingriffe des Kaisers in vollen Schutz zu nehmen hat.

06] Weißt du, hoher Herr, Herr, Herr, wir kennen den Standpunkt genau, auf dem wir stehen, und benötigen diesfalls keines Kommentars! Wir kennen unsere Verpflichtungen gegen Rom und die gegen unsere Fürsten. Bevor wir bei euch ein Recht suchen, gehen wir zu unserem Fürsten. Bescheidet der uns nach Rom, dann erst kommen wir zu euch. Daher glauben wir, daß es dir vorderhand etwa doch nicht zu leicht werden sollte, hier in ganz Palästina des nordischen Königs weise Regierungsnorm einzuführen!“

07] Sagt Cyrenius, nun schon ein wenig in eine Art Hitze gebracht: ”Du hast zwar einesteils recht, daß die Kontraktpunkte einzuhalten sind; aber an eines hast du nicht gedacht, daß sich nämlich der Kaiser in einem jeden Länderpachtkontrakte die unbedingte und augenblickliche Auflösung des Vertrages stets weislich vorbehalten hat, wenn er selbe, seiner Ansicht nach als der Regierung förderlich, für nötig erachten würde. Der Pächter hat in solchem Falle bloß eine einjährige Vergütung vom Kaiser anzuflehen, und dem Kaiser fällt von dem Augenblick der Bekanntmachung solches seines Willens an das Regiment des früher verpachteten Landes anheim und jedermann hat sich dessen Gesetzen zu fügen. Es steht zwar dem Pächter das ihm gnädigst gewährte Recht zu, dem Kaiser eine Vorstellung dahin zu machen, daß er bei ihm belassener Pachtung sich jedes Rechtes entschlage, ein von ihm ausgehendes Gesetz zu geben, sondern ganz nach dem gegebenen kaiserlichen Gesetze seine Regierung fortführen werde, worauf der Kaiser ihm dann freilich den Pachtvertrag als fürder geltend erklärt, so er will; aber Zwang ist da keiner denkbar möglich, wohl aber die pure, freieste Gnade des Alleinherrschers.

08] Für Palästina bin sogar ich mit denselben Vollmachten gegen jeden Pächter versehen und kann jede Pacht sogleich völlig auflösen! Du bist demnach sehr irre, so du meinst, ein Kaiser werde sich irgend eines Rechtes begeben und also sich selbst die Hände binden. Oh, so weise ist sicher ein jeder Monarch, daß er niemandem ein Recht erteilt, das heißt in seinem Reiche, das er nach Umständen nicht bloß durch sein Wort schon im nächsten Momente gänzlich aufheben könnte!

09] Ein Kaiser kann alles, was er will, ausführen! Nur Wunder kann er natürlich nicht wirken und keine Welt erschaffen; sonst aber kann er schon alles zustande bringen, die alten Gesetze verwerfen und neue dafür schaffen, ja er kann sogar die alten Götter samt ihren vielen Tempeln zerstören und dafür dem einen, wahren Gott einen neuen und allerherrlichsten Tempel erbauen, und niemand wird zu ihm sagen dürfen: "Herr, Herr, Herr, was tust du?!" Und so kann er morgen schon des weisen Königs Gesetze in seinem ganzen Reiche ausrufen lassen. Wer wird sich denselben widersetzen wollen und können, ohne daß er erreicht würde von des mächtigen Kaisers Zorn?!“



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