Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 238


Die Entwicklungsschwierigkeiten einer verweltlichten Seele im Jenseits.

01] (Jesus:) ”Natürlich durch Offenbarung von oben her dürfte es mit der Bildung solch eines Naturvolkes schneller hergehen! Eine Offenbarung kann aber einem Volke auf dieser Welt leichter gegeben werden denn jenseits einer Seele, die vorbeschriebenermaßen aber auch nicht ein Fünklein dessen mit nach jenseits hinübergebracht hat, was nur von fernehin einer göttlichen Ordnung gliche.

02] Wenn eine so ganz vermaterialisierte Seele durch eine Unzahl von allerlei Notständen und unmenschlichen Bedrängnissen jenseits endlich dahin kam, dass sie zu gewissen Begriffen und Ideen gelangt ist, und aus der größeren Regsamkeit ihres Gemütes ein mattes Licht in ihr substantielles Gehirn kommt, woraus sie sich infolge ihrer sehr dürftigen Einbildung und ihres Wollens eine schimärische (trügerische) Notwohnwelt bildet, die natürlich noch lange keinen Bestand haben kann, weil noch zu ferne von der einigen Wahrheit und der göttlichen Ordnung daraus, so ist es dann erst möglich, durch Sendlinge, die, ganz ihr ähnlich scheinend, sie besuchen, sie ganz behutsam und so unvermerkt als möglich mit mehreren und besseren Begriffen zu versehen und zu bereichern.

03] Und da sind oft noch hundert Erdjahre ein zu geringer Zeitraum, um die auf dieser Welt so gänzlich verdorbene Seele in eine ganz kümmerliche Ordnung der Himmel zu bringen.

04] Höher aber als bis zum untersten, ersten und puren Weisheitshimmel sie zu fördern, ist und bleibt nahezu unmöglich; denn ihr Gehirn verliert die traurigen ersten Merkmale nimmer, aus denen sich von Zeit zu Zeit stets noch eine Art Racherecht und -weisheit entwickelt, was im nun stets mehr erleuchteten Gehirne auch wieder ein Bild hinterläßt und der Seele Gemüt dahin stimmt, dass sie einsieht, dass es ihr zwar ganz gut geht, aber dies Gutgehen lange kein Ersatz ist für alles das, was sie bis dahin ausgestanden hat.

05] Sie gleicht einem alten römischen Soldaten, der seines Alters und seiner vielen Wunden und Narben wegen vom Kaiser einen Bauerngrund zum Geschenk erhielt, auf dem er sich durch seiner Hände Fleiß ein ganz gutes Auskommen verschaffen kann. Aber der alte Soldat murret dennoch, wenn er seiner Wundnarben ansichtig wird, und sagt: "Gut ist gut, aber viel zuwenig für mich, der ich für Kaiser, Volk und Vaterland so oftmals mein Leben in die Schanze geschlagen habe! Meine Nachbarn haben nie wider einen mächtigen und bösen Feind gekämpft, haben einen gesunden und geraden Leib und können ihre Felder leicht bebauen. Ich habe wohl auch Diener und Dienerinnen, die mir arbeiten helfen; aber dennoch muß auch ich selbst die Hand ans Werk legen, wenn ich etwas Ordentliches haben will. Ich brauche freilich dem Kaiser keine Steuern und keinen Zehent zu geben, solange ich lebe, und auch meine Kinder bis ins fünfte Nachkommenglied nicht, besonders so einer meiner Söhne für Kaiser und Staat die Kriegsrüstung tragen wird. Aber das ginge unsereinem noch ab, nun auch noch dem Kaiser Steuern zahlen zu müssen! Aber dennoch, auch ohne Steuern, ist dieser sehr angesehene Lohn für mich viel zuwenig!"

06] Und so auf diese Weise schmollen denn auch die Seelen des untersten Himmels in einem fort, besonders wenn sie sich erinnern, dass sie viel ausgestanden haben und nun als Selige selbst arbeiten müssen, und das mit vielem Fleiße auch noch dazu, um sich den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen gleichwie dereinst als Menschen auf der Erde, nur mit dem leidigen Unterschiede, dass sie sich dort keinen übermäßigen Überfluß erwerben können; denn das gibt's drüben nicht, weil solches die Vorsteher der Vereine auf das sorgfältigste zu vermeiden und zu hintertreiben verstehen. Und so sind denn diese seligen Seelen nie so ganz glücklich, weil ihnen vermöge ihrer Natur immer etwas abgeht.

07] Ja, es geht ihnen freilich so hübsch viel ab; aber das Abgängige ist für die meisten von ihnen so gut wie völlig für ewig unerreichbar, weil dazu die Grundelemente in ihnen gar nicht vorhanden sind. Sie gleichen auch den Menschen, die gar so gerne gleich den Vögeln in der Luft herumfliegen möchten und darum oft ganz traurig sind, weil ihnen als Menschen solche vorzüglichen Eigenschaften versagt sind, deren sich so viele unvernünftige Tiere in einem höchst vollkommenen Grade erfreuen können.

08] Aber was nützt den Menschen solch ein Trauern? Es fehlen ihnen zum Behufe des Fliegens die Grundelemente, und so können sie trotz aller Trauer und trotz alles Schmollens dennoch nicht erreichen, was die Vögel besitzen, nämlich das herrliche, freie Fliegen.

09] Nun habe Ich dir, du Mein Cyrenius, und euch allen so ganz klar gezeigt, zu welchen Erfolgen eine Seele jenseits durch ihre diesseitige Verweltlichung gelangen muß, weil ihr außer Meiner ohnehin alles umfassenden Ordnung durchaus nicht zu helfen ist, - außer man müßte ihr Sein ganz aufheben und ein fremdes an seine Stelle setzen, womit aber der Seele auch sicher nicht gedient wäre!

10] Eine jede Seele muß sich entweder hier leicht oder jenseits schwer einmal selbst bilden, wozu ihr die Mittel eingepflanzt sind. Versäumt sie es hier, weil sie sich zu sehr von der Welt und ihren verlockenden Schätzen hat umstricken lassen, so wird sie es jenseits tun müssen. Auf welche Art und Weise, das habe Ich euch soeben ganz klar gezeigt und eure Herzensfragen zur Genüge beantwortet. macht ihr nun keine gar zu freundlichen Gesichter dazu, so kann Ich euch dennoch nicht helfen und kann es unmöglich anders machen, wie es gemacht und gestellt ist; denn drei mal drei kann nie sieben, sondern stets nur neun sein und ausmachen! Der Apfelbaum muß ewig Äpfel und der Feigenbaum ewig Feigen als Frucht tragen!“



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