Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 186


Der Schwarze verlangt Gewißheit über den Aufenthalt Jesu.

01] Sage Ich: ”Ich habe es dir schon gesagt, dass es dir wenig oder nichts nützen würde, so Ich es dir sagte: "Ich bin es!" oder: "Ich bin es nicht!" Das mußt du auf jeden Fall selbst finden; und das kannst du gar leicht, weil es dir dazu am Geiste nicht gebricht. Denke dir, was bei Menschen alles möglich und was da unmöglich sein kann! Ist dir denn noch nichts eingefallen, oder hast du noch nichts weder an dir, noch an jemand anderm wahrgenommen?“

02] Sagt der Schwarze: ”Wie ich schon früher bemerkte, - außer dem, dass wir mit dem Betreten dieses Landes zugleich in eure Zunge eingegangen sind, ist mir durchaus noch nichts Besonderes aufgefallen; ich rede ganz offen und klar! Als ich hierher kam, da ist mir für den ersten Moment wohl mehreres so gewisserart wunderbar vorgekommen; je länger ich aber nun hier verweile, desto mehr Natürlichkeit finde ich in euch allen.

03] Die Sprache ist sonach noch immer das einzige an etwas Wunderbares Streifende, kann aber, wie ich schon vorher meine Bemerkung gemacht habe, ebensogut eine ganz natürliche, wennschon unerklärliche Folge der besonderen Eigenschaft dieses Landes sein. Denn ich habe ja Ähnliches bei meiner Reise durch das große Ägypterland erfahren: Wir kamen mit Römern und Griechen zusammen; diese redeten ihre Zunge, und wir verstanden sie ganz gut und konnten zur Not uns doch ganz gut mit ihnen verständigen. Mit dem Reden ging es freilich nicht so geläufig wie hier; aber das alles kann ja ganz gut in der Beschaffenheit des Landes, dessen Luft und Ausdünstung liegen!

04] Wir sind als ganz grundeinfache Menschen aber auch um vieles empfänglicher für allerlei besondere Erscheinungen und Eindrücke. So können wir die Seelen der Verstorbenen sehen, zuzeiten auch solche, die nach ihrem eigenen Geständnisse noch nie einen Leib getragen haben. Diese Naturseelen sind auch daran leicht zu erkennen, dass sie ihre Form plötzlich ändern und sich in allerlei andere kleine Wesen auflösen und wieder in die Menschenform zusammenziehen können, was eine Erscheinung ist, die wir bei Seelen verstorbener Brüder und Schwestern noch niemals entdeckt haben.

05] Wir fragten den weisen Obersten in Memphis, ob er solches mit seinen Augen auch wahrnähme. Aber er sagte: Dies sei alles nur eine Eigenschaft von ganz einfachen und schlichten Naturmenschen, die kein verkünsteltes Leben auch nur dem Namen nach kennen. Bei ihm und den Ägyptern wäre es noch nie vorgekommen. Es kämen wohl dann und wann vereinzelte Fälle vor, aber so unbestimmt und so unerklärbar als nur immer möglich, während bei uns alles bestimmt, natürlich und somit auch mehr erklärbar sei.

06] Aus dem geht aber auch so ziemlich erklärlich hervor, wie wir eines Volkes ganz fremde Sprache bald verstehen und reden können. Wenn du, erhabenster Mensch der Menschen, nun das erwägst, so wirst du es mit deiner hervorragendsten Weisheit wohl einsehen, wie uns in dieser kurzen Zeit unseres Hierseins noch nichts Besonderes hat auffallen können, aus dem wir unwiderlegbar hätten entnehmen können, dass wir uns hier schon ganz bestimmt an dem Orte befänden, den ich in meinen Gesichten wahrgenommen habe.

07] Es stimmt wohl vieles damit überein: am Ufer eines kleinen Landmeeres ein an einen Berg angebautes Fischerhaus; eine Menge Menschen hohen Standes und Ansehens; auch du hast im Ernste viel Ähnlichkeit mit jenem über alle Begriffe leuchtenden Menschen, den ich sieben Male in meinen Gesichten mit der höchsten Entzückung geschaut habe. Aber jener Lichtmensch brachte durch sein Wort alles zustande; er sprach's, - und es war da! Himmel und Erde waren ihm untertan, und unabsehbare Scharen harrten seiner Winke!

08] Nun, erhabenster Mensch der Menschen, das ist hier doch wohl nicht der Fall! Ich fand hier an euch, so wie vor zwei Jahren an dem Obersten in Memphis, äußerst gute und weise Menschen, - aber von dem, was ich erwartete, fand ich bisher noch nichts und frage dich eben darum, ob ich am rechten Flecke bin oder nicht. Sagst du ja, so werde ich's glauben und bleiben; denn dein Wort genügt mir vollkommen, da du in jedem Falle ein Tiefweiser bist. Sagst du aber nein, oder sagst du mir wieder nichts, so werden wir uns doch wieder auf die Heimreise machen und unsere Herden, die wir gegen Gold und Silber in Memphis nach dem Rate des weisen Obersten zurückließen, wieder auslösen mit dem unverbrauchbaren Reste der Summe, die uns für den Rücklaß der Herde der Oberste dargeliehen hatte, von der er aber unterdessen die Nutzung hat.

09] Du, erhabenster Mensch der Menschen, siehst, dass ich und wir alle, wenn unser Fleisch auch keine weiße Haut ziert, nichts Falsches und Hinterlistiges besitzen; wir alle suchen die volle Wahrheit, an der allein uns alles gelegen ist, und haben auch die lebendige Hoffnung, sie entweder hier oder irgendwo anders zu finden! Sind wir darum am rechten Platze, so bejahet uns solches, und wir wollen da ja gern alles tun, was ihr nur immer von uns verlanget!“

10] Sage Ich zum Raphael: ”Gehe und gib ihnen ein Zeichen, auf dass sie erfahren, woran sie sind!“

11] Sogleich trat der Raphael zum Schwarzen (Oubratouvishar) hin und sagte: ”Freund, was hast du in deiner Heimat zurückgelassen, dessentwegen du in Memphis umkehren wolltest, um es zu holen? Du wolltest damit dem Obersten ein besonderes Geschenk für seine mit dir gehabte Mühe machen und hattest es darum schon in frische Linnen eingewickelt, hast es aber nachher infolge der Schnelle eurer Abreise daheim vergessen, und zwar in einem Winkel deiner Hütte, allwo es noch liegt. So du es wünschest, schaffe ich es dir im Augenblicke her! Rede, - wie du es willst, so wird es geschehen!“

12] Sagt der Schwarze: ”Nicht meiner Überzeugung halber, ob ich am rechten Orte sei - denn dadurch schon, dass du mir da sagtest, was ich daheim vergessen habe, weiß ich, dass ich am rechten Orte bin, da so etwas nur ein allsehend Gottesauge erschauen kann -, sondern du tätest mir einen recht guten Dienst; denn auf dem Heimwege möchte ich damit dem guten Obersten in Memphis eine sicher recht große Freude machen, denn er ist ein großer Freund von seltenen Naturgebilden! Das ganze Ding kann an und für sich gar keinen andern als höchstens nur einen eingebildeten Wert haben, einen reellen gar nicht! Aber es ist wunderschön!“

13] Hier reicht Raphael schon das in Linnen gewickelte, schöne Naturgebilde dem Schwarzen dar und fragt ihn, ob es wohl das rechte sei.

14] Der Schwarze fällt bei dieser Gelegenheit nahe in eine Ohnmacht und schreit auf, sagend: ”Ja, es ist's, es ist's! Aber wie möglich schafftest du mir dies Kleinod hierher, da du dich von mir auch nicht einen Augenblick entfernt hast?! Hast du es mir etwa als ein junger, mutiger Ägypter, im Dienste des Obersten stehend, auf eine mir unbegreiflich pfiffige Weise daheim entwendet? Hast du uns etwa vor einem Jahre, als wir von Memphis wieder heimkehrten, heimlich mit einigen Gefährten deiner Art begleitet bis in die Nähe unserer Hütten und hast dir gemerkt meine Wohnhütte?

15] Ja, aber wozu dies mein ganz dummes Fragen?! Ich hatte es ja daheim noch wenige Augenblicke vor unserer Abreise in meinen Händen, legte es dann für die Zeit der Aufrüstung meines Kamels und der Zusammenstellung meiner Herde in den Winkel meiner Hütte und deckte es mit einer Kürbisschale zu! Mit dem Zusammenstellen der Herden und mit dem Aufrüsten meines Kamels vergaß ich des schönsten Naturgebildes; du kannst es mir nicht entwendet haben! Du hast es nun also offen wunderbar geholt; aber - wie, wie, wie ist dir, als einem Menschen sichtbar mit Fleisch und Blut, das möglich?! Denn hier, dort und wieder hier war ein schnellster Moment! Das ist eine rein nur einem Gotte mögliche Handlung! Du bist entweder selbst ein Gott oder ein rechter Diener desselben!“

16] Sagt Raphael: ”Das erste nicht, wohl aber das zweite! Aber sieh, ich habe dennoch bei dem Abholen deines schönen Naturgebildes etwas vergessen, und das ist die Kürbisschale, mit der du in deiner Hütte dein Kleinod zugedeckt hattest! Diese sollst du denn auch noch sogleich dazu haben! - Sieh, hier ist sie schon! Tue nun dein Kleinod hinein, und enthülle es vor uns; denn es sind viele hier, die deinen gefundenen Schatz sehen möchten!“



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