Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 162


Die Erschaffung Adams und Evas.

01] Sage Ich: ”Deine Bemerkung über Moses ist gerade so übel nicht, mit dem Maßstabe des eigentlichen Weltverstandes bemessen; aber mit dem Verstande des Geistes beurteilt, ist Moses ganz etwas anderes, als was er dir dem Wortlaute nach vorkommt. Übrigens aber ist dem Wortlaute nach die Vortextierung von der Nachtextierung nicht gar so verschieden, wie du es meinst; denn die Nachtextierung kommentiert vielmehr die Vortextierung und beschreibt die Art und Weise - wennschon eigentlich in geistig entsprechender Weise - näher, wie des Menschen Werdung vor sich gegangen ist.

02] Wie aber das Werden naturgemäß zu verstehen ist, habe Ich euch insoweit, als es für euch vorderhand notwendig ist, schon ohnehin sogar in dieser Nacht gezeigt. Und Mathael, der mit der Wissenschaft der Entsprechungen sehr vertraut ist, hat vor einem Tage euch auch kundgetan, wie des Moses Schriften zu verstehen sind; und Ich muß dir, du Mein Freund Cyrenius, abermals die Bemerkung machen, dass du im Ernste ein ganz kurzes Gedächtnis hast! Zwar habe Ich ehedem dein Gedächtnis von neuem belebt, und du kannst dich nun schon, wenn du recht fest willst, darin ein bißchen freier bewegen; bei deinem Mosaischen Menschenschöpfungszweifel aber will Ich dir doch noch so viel Zurechtweisliches hinzuerzählen, dass du und auch noch so mancher andere daraus entnehmen könnt, wie es sich so ganz eigentlich mit der Sache verhält.

03] Seht, alles was Moses mit seiner Schöpfungsgeschichte sagt und so ganz eigentlich sagen will, bezieht sich zuallernächst nur auf die Erziehung und geistige Bildung der ersten Menschen überhaupt, und nur durch Entsprechung auch auf die des allerersten Menschenpaares.

04] Übrigens ist Adam wohl dem Leibe nach aus den Ätherteilen des feinsten Erdlehms durch Meinen Willen nach der gesetzten Ordnung, wie Ich sie euch nun gezeigt habe, geschaffen und geformt worden; und als er voll gemachter Erfahrung durch Meinen Willen einmal zu jener Kraft gediehen war, durch die sich bei ihm eine äußerst intensive Außenlebenssphäre hatte bilden müssen, und als er einmal arbeits- und reisemüde in einen tiefen Schlaf verfiel, so war es denn auch an der Zeit, eine sich aus allen euch bekannten Naturstufen zusammengeklaubte Naturseele in die Außenlebenssphäre Adams zu versetzen.

05] Diese Seele, in der Außenlebenssphäre sich befindend, fing sogleich an, sich aus diesen ihr sehr lieblichen Adamischen Außenlebensteilen oder aus dem reichlichsten Lebensdunste, wie es noch heutzutage Seelen Verstorbener zu tun pflegen, wenn sie den Menschen auf einige Momente erscheinen wollen, einen ihr entsprechenden Leib nach Meinem Willen und nach Meiner Ordnung zu bilden, und war mit demselben auch in drei Tagen vollkommen fertig.

06] Als darauf Adam erwachte, sah er voll Staunens und voll Freude sein Ebenbild neben sich, das ihm natürlich äußerst zugetan war und sein mußte, weil es dem Leibe nach auch aus seinem Wesen herstammte.

07] Er aber nahm in der Gegend des Herzens wahr, als drücke ihn etwas, aber ganz angenehm, auch fühlte er wieder zuweilen wie eine Leere - das was der Anfang der geschlechtlichen Liebe - und konnte sich nimmer trennen von dem Bilde, das ihm gleich soviel Anmut verschaffte. Wohin er ging, da folgte das Weib ihm, und ging das Weib wohin, so konnte er es sicher nicht allein gehen lassen. Er fühlte des Weibes Wert und dessen Liebe und sagte darum in einem hellsehenden Momente: "Wir, ich ein Mann und du ein Weib, mir aus meinen Rippen (in der Herzensgegend) entwachsen nach dem Plane Gottes, sind sonach ein Fleisch und ein Leib; du bist meines Lebens lieblichster Teil, und es wird fürder also bleiben, und es wird der Mann Vater und Mutter (der Mannesernst und seine Sorge) verlassen und wird hangen an seinem Weibe!"

08] Wo es aber heißt, dass Gott beim Adam den Teil mit Fleisch bedeckte, da Er ihm die Rippe nahm, so wird von euch hoffentlich doch niemand so dumm sein anzunehmen, dass Gott den Adam im Ernste verwundet hat, um ihn um eine Rippe zu verkürzen, damit aus der kleinen Rippe ein großes Weib werde. Die Rippen sind ein äußerer, fester Schutzschild der zarten, inneren Lebensorgane.

09] Wenn ein David sagt: "Gott, unsere feste Burg und ein starker Schild!", ist darum Gott dann im Ernste eine aus lauter Würfelsteinen erbaute feste Burg, oder ein großer, eherner Schild?!

10] Also steht es auch mit der Rippe, aus der die Eva stammen soll! Sie, die Rippe, ist nur ein Zeichen für die Sache; die Sache aber ist Adams inneres, mächtiges Liebeleben. Und die Rippe, als der Schutz dieses Lebens, ward von Moses darum in die Schrift genommen: erstens, weil sie das Leben schützt und somit, ein äußerer Schild des Lebens seiend, auch dasselbe bildlich darstellt; zweitens ist aber später ein gutes, treues und liebbraves Weib auch als ein Schutz, Schild und Schirm des Lebens des Mannes anzusehen und kann daher entsprechend auch ganz gut als eine Rippe des Mannes angesehen werden; und drittens ist der Außenlebensäther auch ein allergewaltigster Schutz des inneren Seelennaturlebens, ohne welchen der Mensch nicht zehn Augenblicke lang leben könnte.

11] Nun ist aber die Eva aus der Überfülle dieses Adamischen Außenlebensäthers, dem zarten leiblichen Wesen nach, entstanden; und da dieser Lebensäther aus der Gegend der Rippen und der Brustgrube ausdunstet und hernach den Menschen weithin allseitig umgibt, so konnte ein Moses, dem die entsprechende Bildsprache höchst geläufig zu Gebote stand, die Eva ganz richtig aus einer Rippe Adams entstehen lassen und von Gott dem Adam die Wunde mit dem Fleische der Eva zudecken oder vertreten lassen. Denn eben die Eva war ja das aus dem Außenlebensäther Adams gewordene Fleisch, mit dem Gott dem Adam den Abgang seines Außenlebensäthers ersetzte und ihm sonach die wunde Stelle mit dem Adam höchst angenehmen Fleische der Eva zudeckte, was denn eigentlich auch ein Fleisch Adams war.“



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